VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 15.04.2002
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / April 2002



Die Terroranschläge des 11. September sind keinesfalls die Ursache des Afghanistan Krieges

Hintergründe des Afghanistan Krieges: Krieg um Öl-Pipelines

von Anne Rieger

Sie wurden als Vorwand genutzt,
- um einen bereits in Erwägung gezogenen Krieg zu führen
- um von der kapitalistischen Ursache der bereits seit 2000 weltweit einsetzenden Überproduktionskrise abzulenken
- um den Demokratieabbau weiter voran zu treiben
Der Afghanistan-Krieg wurde spätestens seit Juli 2001 in Erwägung gezogen, wenn nicht sogar geplant. Ursache sind militärische und ökonomische Kämpfe und Kriege um Ressourcen und Märkte:
In Afghanistan geht es in erster Linie um den Zugang zu den Ressourcen Oel und Erdgas, die den gesamten Wirtschaftskreislauf in Fluss halten. Im Irak-Krieg 1990 war für jedermann ersichtlich, um was es ging: Blut für Öl. In den USA wohnen fünf Prozent der Weltbevölkerung, die 25 Prozent der gesamten Energie verbrauchen. Sie sind die größten Ölverbraucher weltweit und müssen 56 % ihres Ölverbrauchs jährlich einführen. Pro Tag importieren die USA 750 000 Barrel (ein Barrel entspricht 157 Liter) aus dem Irak1.
Sowenig wie der Krieg gegen Afghanistan wegen der Terror-Anschläge in New-York und Washington geführt wurde (das Land ist restlos zerstört, und Bin Laden wurde immer noch nicht gesichtet), sowenig auch um die Einhaltung der Menschenrechte, um die Gleichberechtigung der Frauen oder die Verhinderung der Schleifung von weiteren Kulturdenkmälern wie die Buddha-Statuen. Es geht um die Öl- und Erdgasvorkommen im kaspischen Becken und die reibungslosen Transportwege des Öls in den indischen Ozean. Noch bis August 2001 verhandelte die Firma Unocal mit den Taliban wegen einer Ölpipeline. "Die Sicherheit unserer Energieversorgung zu gewährleisten ist das oberste Ziel unserer Außenpolitik", sagte Bush, wenige Tage nach seinem Amtantritt2. "Wir müssen unsere Abhängigkeit und Erpressbarkeit verringern, sowie die wachsende Nachfrage befriedigen", sagte Bush, dessen Partei von der Ölindustrie massiv unterstützt wird, vor einem Jahr mit Blick auf die damalige Opec-Tagung.
Auch die engsten Berater von Bush kommen aus der Ölindustrie, z.B. die "schöne, sanftmütige und rätselhafte Condoleezza Rice"3. Die Chefin des nationalen Sicherheitsrates war von 1991 bis 2000 "Vorstandsmitglied der Chevron-Gruppe, einer der weltgrößten Ölkonzerne, in dem sie vor allem für die Standorte Kasachstan und Pakistan verantwortlich war."4 Vizepräsident Dick Cheney war bis zum Beginn des Wahlkampfes über lange Jahre Vorstandsvorsitzender von Halliburton, die weltgrößte Dienstleistungsfirma für die Erdölindustrie. Kathleen Cooper, Staatssekretärin für wirtschaftliche Angelegenheiten im Handelsministerium, war führende Chefökonomin des Weltkonzern Exxon5.

Schlüssel zur Vorherrschaft
Unter dem Öl-Gesichtspunkt betrachtet, ist Afghanistan "der Schlüssel zur Vorherrschaft in Zentralasien und hat bei Russen, Amerikanern und Saudis stets Begehrlichkeiten geweckt. In Washington gilt es als bevorzugtes Durchgangsgebiet für Erdöl und Gas aus Zentralasien."6 "Die saudische Regierung von König Fahd, Hauptfinanzier des ISI" (pakistanischer Geheimdienst) hatten in Zusammenarbeit mit den USA "keine Ausgaben gescheut, um zu verhindern, dass Afghanistan in die Hände der Sowjets geriet"7
Und nun hatten seit dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 "verschiedene amerikanische Ölkonzerne, unter anderem auch Chevron, wichtige Positionen in Kasachstan, Turkmenistan und in der kirgisischen SSR inne. Die Russen weigerten sich jedoch, über eineNutzung ihrer Pipelines zu verhandeln, d.h. diese zu vermieten, um die Energieressourcen bis zum Knotenpunkt transportieren zu können. Im Jahr 1994 sprach also alles dafür, die Taliban zu den langersehnten Befriedern dieser Gegend zu machen." 8

Eine Pipeline durch Afghanistan
Der Aufstieg der Taliban war also "untrennbar mit den Interessen der Erdöl- und Gaskonzerne in dieser Region verbunden. ... Denn etwas weiter nördlich, jenseits der afghanischen Berge lockten die reichen Bodenschätze von Turkmenistan, Usbekistan und vor allem Kasachstan. Konkret heißt das, wenn man Erdöl oder Erdgas fördern oder verkaufen will, an denen diese Länder so reich sind, müssen sie transportiert werden. Entweder westlich durch Russland oder Aserbaidschan, Türkei zu einem Sammelpunkt im Mittelmeer, oder aber durch den Südwesten, sprich Irak, oder schließlich über den Süden, Afghanistan. So sollte laut Plan eine Pipeline von Chardzhou (Turkmenistan) nach Gwadar (eine pakistanische Stadt am persischen Golf) quer durch Afghanistan führen. Dasselbe galt für eine mögliche Ferngasleitung zwischen Daulatabad (Kontenpunkt in Turkmenistan) und Multan, durch die Täler ganz in der Nähe von Kandahar. 9 Die afghanische Lösung war für westliche Erdölfirmen und die US-Regierung von besonderem Interesse, weil sie die ideale Alternative zu einer Trasse durch Russland oder den Iran war. Die USA wären bei den Verhandlungen zu "Bittstellern" in Moskau oder Teheran geworden und der Einfluss der beiden Länder in Zentralasien wäre enorm gestiegen. 10

Ökonomisches Filetstück
Zbigniew Brezezinski, ehemalige Sicherheitsberater von US-Präsidenten Carter, definierte bereits 1997 die amerikanischen Interessen im "eurasische Balkan":"Amerikas primäres Interesse muss folglich sein, mit dafür zu sorgen, dass keine einzelne Macht die Kontrolle über dieses Gebiet erlangt und dass die Weltgemeinschaft ungehinderten finanziellen und wirtschaftlichen Zugang zu ihr hat" (215). Denn die zentralasiatische Region und das kaspische Becken könnten sich zu einem "ökonomischen Filetstück entwickeln", da sich in dieser Region "ungeheure Erdgas- und Erdölvorkommen, von wichtigen Mineralien einschließlich Gold ganz zu schwiegen" konzentrieren. "Erdgas und Erdölvorräte, die jene Kuwaits, des Golfs von Mexico oder der Nordsee in den Schatten stellen (182).
"Neben seinen weitreichenden geostrategischen Zielen in Eurasien vertritt Amerika auch ein eigenes wachsendes ökonomisches Interesse, wie auch das Europas und des Fernen Ostens, an einem ungehinderten Zugang zu dieser dem Westen bisher verschlossenen Region. In erster Linie jedoch geht es um Zugang zur Region, über den bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion Moskau allein verfügen konnte. Alle Bahntransporte, Erdgas- und Erdölpipelines und sogar der Flugverkehr wurde über das Zentrum geleitet. Die russischen Geopolitiker sähen es natürlich lieber, wenn es so bliebe, da sie genau wissen, dass wer den Zugang zur Region unter Kontrolle oder unter seiner Herrschaft hat, aller Wahrscheinlichkeit nach auch den geopolitischen und ökonomischen Gewinn einheimst. Genau diese Überlegung hat der Pipeline-Frage für die Zukunft des Kaspischen Beckens und Zentralasiens eine so zentrale Bedeutung verliehen (203). 11
"Pakistan und die USA verfolgen in dieser Region seit längerem das geostrategische Projekt, einen stabilen Korridor zu schaffen, der Handelsverbindungen und Zugang zu den großen Öl- und Erdgasvorkommen und Erzlagerstätten der zentralasiatischen Republiken gewährt. ... Westliche Investoren, unter anderem der Ölkonzern Unocal haben Vorleistungen in Milliardenhöhe erbracht, um das Vorhaben einer Pipeline voranzubringen, die von Zentralasien durch Afghanistan an den indischen Ozean und nach Pakistan führt", war schon 1998 in bürgerlichen Nachschlagewerken zu lesen. 12

Das Ende der Taliban
Die 1890 gegründete Union Oil Company of California, bekannter unter dem Namen Unocal, hatte schon 1995 gemeinsam mit der Delta Oil ein "Abkommen mit dem turkmenischen Präsidenten Niyazov über Gasexporte in Höhe von 8 Milliarden US Dollar abgeschlossen. Auch der Bau einer Ferngasleitung durch Afghanistan war vorgesehen. Die Bauarbeiten sollten sich auf 3 Mrd. Dollar belaufen. Von da an ging es bei der Unterstützung der Taliban nicht mehr nur um geostrategische, sondern um ökonomische Interessen"13
Im Frühjahr 1997 setzen aber im Norden des Landes erneut heftige Kämpfe ein. Damit begann für die "Taliban" die Zeit der "offiziellen" Ungnade, in deren Verlauf sie wiederholt politische Fehler begingen, die ihre Verhandlungspartner zwangen, sich von ihnen zu distanzieren.14 In diskreten Verhandlungen in Berlin versuchten Vertreter verschiedener Staaten die Taliban zu einem Waffenstillstandsabkommen mit der Nordallianz und der Auslieferung Bin Ladens zu bewegen, um Ruhe in der Pipelineregion zu erreichen. Während der letzten Unterredung in Berlin sprach nach Angaben des pakistanischen Vertreters Naiz Naik die kleine amerikanische Delegation von "militärischen Möglichkeiten" gegen die Taliban, wenn diese nicht bereit wären, ihre Position zu ändern.15
Die Lage war brisant, zumal Moskau und Peking zahlreiche Abkommen über den Bau von Pipelines abgeschlossen hatten, die das Öl aus Zentralasien befördern sollten und vor allem war seit dem Sommer die russische Pipeline, die das Öl aus der kaspischen Region pumpte, in Betrieb genommen worden. Die amerikanische Konkurrenzpipeline, die in die Türkei führen sollte, war hingegen noch im Planungsstadium Bei diesem Tempo würden in kürzester Zeit die Öl- und Gasfelder amerikanischer Konzerne von Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan an Gas- und Ferngasleitungen unter chinesischer und russischer Kontrolle angeschlossen16. Ein letztes Gespräch im August 2001 — die Taliban schafften nicht die erwünschte politische Ruhe in der Region.
Öl, geostrategische Interessen der Nationen und ökonomische Interessen der hinter ihnen stehenden herrschenden Konzerne, das sind die Ursachen des terroristischen Kriegs gegen Afghanistan. Und wenn die Region nicht "befriedet" werden kann, wie jetzt in den Bergen Afghanistans, dann sollen eben Natur und Menschen gnadenlos terroristisch mit Atombomben zerstört werden. Im Anschluss kann in der atomaren Wüste mit Schutzanzügen eine Pipeline gelegt werden, die nicht durch die darum herum wohnenden, frierenden Menschen zerstört werden kann, weil ihnen Heizöl oder Energie fehlt, wie das in Afrika ja schon mehrfach geschehen ist.

1 Der Tagesspiegel 7.3.2001
2 ebenda
3 Brisard, J.-C., Dasquié, G.: "Die verbote nen Wahrheit", Zürich, S. 18
4 ebenda
5 ebenda, S. 60
6 ebenda, S. 20
7 ebenda, S.34
8 ebenda, S. 35
9 ebenda S. 30
10 ebenda S. 31
11 Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht — Amerikas Strategie der Vorherrschaft", Frankfurt 1999
12 Der Fischer Weltalmanach, 1998, Frankfurt
13 Brisard, ... S. 38
14 ebenda, S. 43
15 ebenda, S. 64
16 ebenda, S. 61

VVN-Logo http://www.vvn.telebus.de © 2002 J. Kaiser