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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 3 / August 2002



Krieg gegen den Irak:

Die Uhr tickt

von Dieter Lachenmaier

In den Medien ist es derzeit ruhig geworden um den angekündigten Krieg der USA und ihrer Verbündeteten gegen den Irak. Dennoch laufen die Kriegsvorbereitungen auf Hochtouren. Es ist höchste Zeit, daß auch nach dem Bush-Besuch die Antikriegsbewegung hierzulande aktiv wird.

Noch während des Bush Besuchs Ende Mai bekräftigte der deutsche Bundeskanzler, es gebe keine konkreten Planungen für einen Angriff auf den Irak. Wenige Wochen später strafte ein Bericht der New York Times ihn und vor allem den US Präsidenten Lügen: Er veröffentlichte Teile eines bereits zwei Monate alten Angriffsplanes gegen den Irak.

Der Ölmarkt rechnet mit Krieg
Inzwischen ist offenkundig, daß der Krieg gegen den Irak beschlossene Sache ist: Mit "allen zur Verfügung stehenden Mitteln" werde er Saddam Hussein loswerden, versprach US Präsident Bush Anfang Juli auf einer Pressekonferenz.
Am 16. Juli titelte die FAZ im Wirtschaftsteil: "Am Ölmarkt wird mit einem baldigen Angriff auf den Irak gerechnet". Während in den letzten Wochen von Beobachtern noch der Jahresbeginn oder erst das Frühjahr 2003 als möglicher Termin für einen Kriegsbeginn genannt wurde, weisen heute Indzien auf einen noch früheren Beginn des Krieges hin:
- Die FAZ berichtet, daß die US Regierung starken Einfluß auf die Türkei nehme, die nach dem Zerfall der Ecevit-Regierung fälligen Neuwahlen über den November hinaus zu verschieben. Zu frühe und in ihrem Ergebnis "nicht vorhersehbare" Neuwahlen könnten die für Aufmarsch und Krieg notwendige Unterstützung der Türkei in Frage stellen. Tatsächlich stellte sich unmittelbar nach Ausbruch der Regierungskrise Mitte Juli der stellvertretende US-"Verteidigungs"minister Wolfowicz in der Türkei ein. Es braucht wenig Phantasie sich den Anlaß dieser Reise auszumalen: Die Sicherstellung des US-Aufmarsches gegen den Irak.
- Ebenfalls Mitte Juli wurde bekannt, daß der für Herbst geplante Besuch des britischen Premiers Blair in Camp David zu einem Blitzbesuch noch im Sommer vorgezogen wird. Vieles deutet ohnehin darauf hin, daß sich Groß Britannien bereit hält, die Rolle des wichtigsten europäischen Kriegspartners im bevorstehen Angriff auf den Irak zu übernehmen. 30.000 britische Soldaten werden dem Londoner Verteidigungsministerium zufolge für eine Kriegsteilnahme anvisiert. Die derzeitige Rückverlegung britischer Truppen aus Bosnien, Sierra Leone und Afghanistan könnte in Zusammenhang damit stehen, diese Truppen bereitzustellen. Im selben Zusammenhang könnte die Tatsache stehen, daß in den letzten Wochen die Zahl der Tiefflugübungen britischer Kampfjets stark zugenommen hat.
- Zur gleichen Zeit fand in London ein Treffen irakischer Oppositioneller statt. Während ursprünglich ein Treffen lediglich von ca. 70 ehemaligen irakischen Militärs geplant war, wurde kurzfristig umorganisiert. Schließlich fanden sich 200 Vertreter verschiedener irakischer Exil-Oppositiongruppen um den von Washington finanzierten "Irakischen Nationalkongress" ein. Offiziell begrüßt wurden dort auch "die Vertreter des Pentagon, des US-Außenministeriums, des Büros des US Vizepräsidenten Cheney und des britischen Außenministeriums". Auf diesem Treffen wurde über einen "nationalen Befreiungskrieg für das irakische Volk" beraten und eim 15-köpfiger "Militärrat" gewählt.

Der Truppenaufmarsch hat begonnen
Auch auf die oft geäußerte Hoffnung, die politische Haltung der arabischen Nachbarstaaten könne den angekündigten Krieg noch aufhalten, sollte niemand setzen. Zwar hat keiner der arabischen Nachbarstaaten offiziell seine Unterstützung des Krieges erklärt, dennoch ist ein offener Truppenaufmarsch mit den Schwerpunkten Kuwait und Katar bereits im Gange. Berichte, daß auch in Jordanien bereits US-Truppen stationiert seien, werden zwar von jordanischer Seite derzeit dementiert. Sicher ist aber daß die US-Hilfe für Jordanien im Laufe dieses Jahre verdoppelt wurde. Und sicher ist auch, daß der ehemalige jordanische Kronprinz überraschend am oben erwähnten Treffen irakischer Oppositioneller in London teilnahm.

Krieg? Warum eigentlich?
Bei all dieser Entschlossenheit zum Krieg treten die Gründe, aus denen er vorgeblich vorbereitet wird, immer offensichtlicher zurück.
Der Leiter der UN-Waffeninspektionen, der US-Amerikaner Scott Ritter erklärte noch im Mai unzweideutig: "(Es) gibt wirklich keine irakische Bedrohung, und nichts rechtfertigt heute einen neuen Krieg". Zwischen 1991 und 1998 hatte Ritter nicht weniger als 40 Inspektionen im Irak durchgeführt, davon 15 als Leiter der Mission. "Ich kann bestätigen, dass seit 1996 zwischen 90 und 95 Prozent des irakischen Arsenals zerstört ist", versichert er und fügt präzisierend hinzu, dass der Irak über viele Jahre hinweg unfähig sein wird, irgendein Programm atomarer, chemischer oder biologischer Waffen wiederaufzubauen.
Eine Verstrickung des Irak in Terroranschläge oder gar eine Zusammenarbeit mit Al Kaida haben in der Vergangenheit sogar US-Geheimdienste verneint. Dafür käme schon eher das für diesen Krieg als Partner umworbene Saudi Arabien in Frage.
Auch der Verweis auf frühere Verbrechen des Regimes von Saddam Hussein kann nun gerade den USA nicht als Kriegsgrund herhalten:
Der frühere irakische Generalstabschef, der für die irakischen Giftgasangriffe auf die kurdischen Autonomieprovinzen im Nordirak im Jahre 88 verantwortlich gemacht wird, war von den USA noch bis vor kurzem als Chef des oben erwähnten jetzt gegründeten "Militärrats" favorisiert worden. Sicher, der Irak ist kein demokratischer Staat. Dieses Schicksal teilt er mit vielen Staaten, die heute als Partner der USA in den "Krieg gegen den Terror" ziehen. Das kann und darf kein Grund sein, die Bevölkerung unter einem mörderischen Embargo und bald unter einem neuen, mit Sicherheit ebenso mörderischen Krieg leiden zu lassen.
Was von allen denkbaren Kriegsgründen bleibt, ist ein schmutziger Krieg um Öl, Wirtschafts und Weltmachtsinteressen.

Die Bundeswehr steht bereit
Auch Deutschland wird an diesem Krieg beteiligt sein. Zwar stößt er bei der derzeitigen Bundesregierung nicht gerade auf Gegenliebe. Aber die Regierung hat bisher weder den Mut noch den Willen erkennen lassen, diesem neuen geplanten Verbrechen am Frieden entgegenzutreten oder sich wenigstens herauszuhalten.
Im Gegenteil: Unter dem Stichwort "uneingeschränkte Solidarität" steht die Bundeswehr in Kuwait und am Horn von Afrika, mitten im Aufmarschgebiet, auch wenn es für einen Krieg gegen den Irak noch keinerlei Mandat des Bundestages gibt. Die deutsche Politik ist entschlossen, durch eigene Kriegsbeteiligung und Unterstützung jeden Mitnahmeeffekt für die eigenen Interessen, nicht zuletzt die Stärkung Deutschlands als europäische Militärmacht, zu nutzen.
Das außenpolitische Programm des Kanzlerkandidaten Stoiber unterscheidet sich dadurch nur in der Offenheit in der diese Politik ausgesprochen wird.

Die Achse des Friedens stärken!
Die Aktivitäten der Friedensbewegung gegen den Krieg in Afghanistan und gegen die Kriegspläne gegen den Irak anlässlich des Bush-Besuches in Berlin haben gezeigt, daß es in unserem Land eine nennenswerte und wachsende Antikriegsbewegung gibt. Wir wissen auch, daß in unserem Land die Bevölkerung nicht mehrheitlich für Kriegsunterstützung und Kriegspolitik zu gewinnen ist. Je näher der Krieg kommt, desto intensiver aber wird auch seine ideolgische Rechtfertigung betrieben. Die Medien werden von Greueln berichten, ein weiteres Mal wird Sadam Hussein zum Wiedergänger Hitlers erklärt werden. Der Wunsch nach Frieden wird zum Argument für den Krieg mißbraucht werden.
Es kommt deshalb bereits jetzt darauf an, die Antikriegsbewegung zu stabilisieren und zu stärken. Gerade die Antifaschisten sind aufgerufen zu einer starken Antikriegsbewegung beizutragen. Krieg ist Menschenwerk. Es gibt immer eine Chance ihn, oder wenigstens den nächsten, zu verhindern!

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