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Nummer 3 / August 2002



8. Mai in Karlsruhe:

Opfer von damals - Zivilcourage heute!

von LV

Unter der Überschrift "8.Mai - Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg" veranstaltete die Kreisvereinigung Karlsruhe gemeinsam mit dem DGB Mittelbaden einen Abend mit dem Zeitzeugen Mieciu Langer aus Tübingen.
Mieciu Langer, dessen Frau als Menschenrechtlerin international bekannt ist, wog als 18-jähriger bei seiner Befreiung 1945 noch 38 Kilo. Es war ein Wunder, dass er noch lebte. Er war durch die Hölle der SS in Konzentrationslagern und Todesmärschen gegangen. Mieciu: "Dann war mein Schulkamerad an der Reihe. Er begann zu weinen und um Gnade zu bitten: 'Ich bin noch jung, ich will leben, ich habe gar nicht gewußt, dass ich etwas Schlechtes tue, ich bitte um Verzeihung, ich will leben.' Die Antwort des SS-Kommandanten: 'Aufhängen'. So wurde mein Schulkamerad gehängt, aber der Strick riss, und er stürzte zu Boden. Er stand auf, weinte und bat erneut um Gnade. Daraufhin der SS-Kommandant zum Henker: 'Wenn Du ihn jetzt nicht richtig aufhängst, werde ich Dich persönlich aufhängen.' So starb mein Schulkamerad."
Wie kann ein junger Mensch mit solchen Erinnerungen leben? Lange Jahre konnte er überhaupt nicht darüber sprechen, erst jetzt hat seine Frau seine Geschichte in dem Buch "Miecius später Bericht" niedergeschrieben.
1950 verließ er Polen und ging nach Israel. Dort baute es sich eine Existenz und eine Familie auf. Seine Frau Felicia verteidigte als Rechtsanwältin Palästinenser vor israelischen Gerichten. Trotz aller Widersprüche und Anfeindungen blieb sie dabei bis 1990. Danach war keine wirkliche juristische Hilfe für Palästinenser mehr möglich, und das Ehepaar Langer siedelte sich in Tübingen an.
Mieciu und Felicia waren und sind mit den Menschenrechtsverletzungen der israelischen Armee und der israelischen Politik nicht einverstanden. Sie treten offen und öffentlich dagegen auf. Das traf auch auf vereinzelte Kritik aus den anwesenden 80 Zuhörern. Aber Mieciu verwahrte sich gegen den Vorwurf der Einseitigkeit. Menschenrechtsverletzungen müßten angeprangert werden, auch wenn sie von einem Staat zu verantworten sind, in dem viele Bürger durch den Holocaust gehen mußten und unendlich viel Leid durch den deutschen Faschismus erfahren haben.
Aber wie sieht er rechtsradikale Erscheinungen und Entwicklungen in Deutschland? Dafür ruft Mieciu Langer zu entschiedener Zivilcourage auf. Heute sind diese Entwicklungen noch nicht so stark, sagt er, dass ihnen mit entschlossener Zivilcourage nicht erfolgreich entgegengetreten werden kann. Fehlt sie, wird sie nicht nachdrücklich eingebracht, wird es allerdings zukünftig immer schwerer werden, die Neofaschisten zu stoppen.
Alle Zuhörer standen unter dem starken Eindruck dieses freundlichen und fröhlichen Mannes. Der Faschismus hat ihn nicht brechen können, und von ihm strahlt die Botschaft aus: eine bessere Zukunft ist möglich und machbar.

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