VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 25.10.2002
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Oktober 2002



Kameraden und NPD im Überbietungsstreit:

Nazi-Barde Rennike eint braune Brüder

von Fritz Güde

Bekanntlich haben die braunen Kameraden um Worch sich nach dem letzten Parteitag der NPD erbittert von der Partei getrennt. Sie warfen ihr vor allem das Hätscheln der Spitzel vor. Das ging so weit, dass die Frankfurter Kameraden sich nach dem ersten Mai weigerten, bei der NPD in Mannheim am späten Nachmittag mitzumarschieren. In Leipzig gab es vor kurzem getrennt eine Worch- und eine NPD-Demo.
Nun könnte die gegenseitige Überbietung in der "Solidarität" mit dem Nazi-Barden Rennike, dem derzeit in Stuttgart der Prozeß gemacht wird, wieder für Kitt zwischen den verfeindeten braunen Brüdern sorgen. Beide sind sich einig, dass Rennicke das Opfer der neuen Inquisition ist. Er hat unter anderem wegen Volksverhetzung eine Bewährungsstrafe erhalten und musste den Erlös der verkauften indizierten CDs abführen.
Der ursprünglich für den 12. Juni angesetzte Prozess in zweiter Instanz ist völlig überraschend bis in den Herbst vertagt worden. Angeblich, weil ein wichtiger Zeuge nicht zur Verfügung stand. Das wird die verschiedenen Neonazi-Gruppen nicht daran hindern, weiterhin ihr lautstarkes Lamento anzustimmen und weiterzudröhnen.
Meinungsdelikte sind immer so eine Sache ... Nur dass Rennicke und seinen Jüngern die Verfolgung sehr zupass kommt. Sie fügt sich genau der Technik ein, masochistisch all die Verfolgungen auszumalen und sich zuzuschreiben, die man eigentlich den andern antun möchte.
So gab es in der Nazizeit einen Film namens "Heimkehr". Deutsche in Polen vor 1939 wurden als Unterdrückte vorgeführt.
"Die wirkliche Lage der Juden im Dritten Reich wird auf die Lage der Deutschen in Polen, das Verhalten der Deutschen gegenüber den Juden auf das der Polen gegenüber den Deutschen projiziert, wobei die einzelnen Phasen von der Diskriminierung bis zur Vernichtung oft bis ins Detail durchgespielt werden: Der Film beginnt mit einer Imitation der Bücherverbrennung - die Polen, darunter ein jüdischer Junge, werfen das Inventar einer deutschen Schule (Bücher, Tafel, Globus etc.) auf die Straße und zünden es an -, und er endet damit, daß die Deutschen auf Lastwagen abtransportiert werden in eine Festung, in der sie auf engstem Raum zusammengepfercht und im Unklaren gelassen über ihr Schicksal schließlich ohne Ausnahme erschossen werden sollen. In letzter Minute erfolgt der Einmarsch der Deutschen und die 'Befreiung'." (Zit n. Scheit / konkret 3/99)
Ziel natürlich: die Deutschen als angebliche Opfer sollen die Wut und Stärke zum Zurückzahlen gewinnen.
Genau dieses Spiel der Umkehrung spielt Rennicke virtuos. Nur eine Kostprobe aus seinem Repertoire für die er übrigens nicht verurteilt wurde:

immer rein ins deutsche Land,
und knechtet dann die Deutschen
und stellt sie an die Wand.

Strömt herbei ihr fremden Scharen,
immer rein in unser Land,
ob' s Türken, ob Tartaren,
hier wird jeder anerkannt...

Schwarze, Rote, Braune, Gelbe,
Vater, Mutter, Tochter, Sohn.
Und von Rhein bis Spree und Elbe
Deutschland als Sozialstation.

Wenn nicht alle Zeichen trügen,
kommt demnächst ein neuer Schwall.
Sei's in Flügen, sei's in Zügen:
Babylon ist überall.»

Da ist klassisch alles vereint: die geklaute Form - man singt es nach der Internationale - die hochgezüchtete Überschwemmungsangst durch das Fremde (Babylon), die Aggression, die aus dieser Angst gerechtfertigt erwachsen soll. Die Tötungsaufforderung muss hier gar nicht mehr ausgesprochen werden. In anderen Liedern spart Rennicke übrigens auch damit nicht. Wie reagieren nun die beiden braunen Unterstützergruppen auf den Fall?
Die Kameraden halten sich merklich zurück, obwohl sonst gerade sie sich von der zu laschen NPD abzusetzen versuchen. Eben im Sinn des genannten Rezepts, über die eigene Unterdrückung zu jammern, rufen sie in ihrem Flugblatt "gegen Repression" auf. "Versammlungs- und vor allem Meinungsfreiheit sind heutzutage nur noch eine Farce. Die Spitze des Müllbergs ist jedoch der Fall des Liedermachers Frank Rennicke". Von dem, was sie anderen antun möchten, wenn sie nur könnten, reden sie dieses Mal kaum.
Ganz anders greifen die NPDler in die Saiten: "Stellen sie sich vor sie werden (Wie Rennicke) vom politischen System verfolgt und mit Hetzkampagnen und Gesinnungsterror überzogen. So erging es dem chilenischen Volkssänger Victor Jara vor 30 Jahren im Regime Pinochets. So erging es ungezählten Dissidenten im judäo-bolschewistischen Mordsystem des Stalinismus und Kommunismus" Den Vergleich mit Jara lässt Rennicke selbst ungern je aus. Großzügig sieht er darüber weg, dass Pinochet, der dem chilenischen Sänger die Hände im Stadion brechen ließ, eher als sein eigener Gesinnungsgenosse angesehen wird. Klassisch die Kombination von aggressivstem Antikommunismus mit Antisemitismus. In der Weiterführung des Gedankens kommt allerdings heraus, dass das System der BRD nach Meinung der NPD selbst schon sehr stark infiziert ist vom "Judäo-Bolschewismus". "In seinem vor 15 Jahren geschriebenen "Heimatvertriebenenlied" klagt Frank Rennicke über die bekanntermaßen grausame Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus (noch immer und in aller Zukunft!) unseren deutschen Ostgebieten nach Ende des Deutschland von alliierten Weltverbrechern und ganz bestimmten Hintergrundmächten aufgezwungenen Krieges, und er thematisiert die zunehmende, gegen den Willen des Volkes durchgepeitschte Überfremdung Deutschlands in der Gegenwart."
Die Aggression wird hier ganz deutlich. Deutschland Erwache! Schüttle die Überfremdung ab! Ganz offensichtlich schüttelt die NPD in ihrem Überbietungswettstreit die bisherige Angst vor dem Verbot ab.
In der Konkurrenz mit der jeweils rivalisierenden Gruppe radikalisieren sich beide. Und gerade darin liegt das Gefährliche der Konstellation.

VVN-Logo http://www.vvn.telebus.de © 2002 J. Kaiser