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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 1 / Januar 2003



Was tun die Leute in der VVN-BdA?

Unsere gemeinsame Arbeit hat Früchte getragen

von Paul Bauer

Eigentlich ganz interessante Leute, die da in der VVN-Bund der Antifaschisten Mitglied sind. Wir haben uns vorgenommen, in lockerer Folge einige davon vorzustellen:
Rolf Ruef, geboren 1943 in Freiburg, von Beruf Konditormeister, war langjähriger Kreisvorsitzender des DGB-Ortenau. Seit 1989 ist Rolf Mitglied der VVN-BdA Ortenau und Initiator zahlreicher antifaschistischer, antirassistischer Bündnisse links und rechts des Rheines. Im September diesen Jahres wurde Rolf Ruef mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.


Du bist seit den 80er Jahren aktives Mitglied in der VVN-BdA Ortenau. Was waren die Gründe oder Überlegungen, weshalb du der VVN-BdA beigetreten bist?
Ich hatte schon in meiner Zeit in Freiburg viele Kontakte zu Mitgliedern der VVN, insbesondere zu älteren Kameraden, die Betroffene unserer unseeligen deutschen Vergangenheit waren. Diese haben mir bei der Aufarbeitung meiner sehr konservativen und bürgerlich geprägten Jugend geholfen. Aus der Geschichte lernen, das hieß für mich auch mich mit der eigenen familiären Geschichte (mein Vater war Major in der Reichswehr) auseinander zu setzen. Mir war klar, dass nur ein aktives Eintreten in der Öffentlichkeit den Wahnsinn der Vergangenheit heute und in Zukunft verhindern kann - und er muss verhindert werden.
Aus meiner politischen und gewerkschaftlichen Einsicht heraus kann dies aber nicht als Einzelkämpfer geschehen, sondern nur im kollektiven Handeln von Gleichgesinnten! Die Aufarbeitung der Geschichte, verbunden mit Besuchen von Konzentrationslagern wie Auschwitz, Birkenau, Treblinka oder Struthof u.a. machten mir den Weg zur VVN-BdA Ortenau nach meiner Wahl zum DGB-Kreisvorsitzenden leicht, insbesondere aber auch die Kammerad/Innen, die ich hier antraf.

Welche Möglichkeiten hattest du als DGB Kreisvorsitzender, dein antifaschistisches Engagement in die Gewerkschaftsarbeit einzubringen?
Natürlich hat man als hauptamtlicher Gewerkschafter und DGB-Kreisvorsitzender insbesondere in der politischen Bildung viele Möglichkeiten, Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Jüngeren, den Wahnsinn der Vergangenheit aber auch die Gefahr erneuten Nazi-Gedankengutes näher zu bringen und entsprechend zu handeln. Hier öffentlich aufzustehen, sich zu bekennen und entsprechenden Widerstand gegen die ewig Gestrigen zu organisieren, waren für mich, mit euch zusammen, ständiger Auftrag. So konnte ich auch die Gelegenheit nutzen, in Strasbourg bei einem vom französischen Fernsehen übertragenen Rundetischgespräch über die grenzüberschreitende Gefahr der Zusammenarbeit von faschistoiden Parteien über den Rhein hinweg aufmerksam zu machen. Leider musste ich auch erkennen, dass es auch Betriebsräte gibt, die nicht nur Mitglied in solchen Parteien sind, sondern auch Funktionäre. Nachdem viele Gespräche, dies zu ändern, zu keiner Einsicht führten, musste ich alles versuchen, dass dieselben nicht mehr Gewerkschaftsmitglieder in einer DGB-Gewerkschaft bleiben konnten.
Natürlich möchte ich auf die stets gemeinsam organisierten Antikriegstage aufmerksam machen, die doch bei uns in der Ortenau immer ausgesprochen gut besucht waren und sind. Die ungezählten Demonstrationen und Kundgebungen gegen Rechts, gegen Ausländerfeindlichkeit, gegen Sozialabbau und Rechtsruck in der Gesellschaft, gegen Arbeitslosigkeit und Rassismus, die gemeinsamen Ausstellungen zu den verschiedensten antifaschistischen Gedenktagen in Offenburg, im Elsass und darüber hinaus geben Zeugnis, dass wir öffentlich wahrgenommen werden.
Die Beteiligung an den 1. Maiveranstaltungen des DGB und seiner Gewerkschaften waren und sind selbstverständlich.

Unsere Vereinigung ist immer noch Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Wie denkst du darüber?
Beobachten sollen die immerzu, das kann niemand verhindern, oder doch? Nur die Lehren und zwar die Richtigen, die sollten dann auch gezogen werden. So wie jetzt, sind sie geschichtlich irreal und werden durch ständiges Wiederholen auch heute nicht richtiger.
Auch wenn ich den Kapitalismus pur als falsch und unmenschlich ansehe, bin ich noch lange kein Staatsfeind oder Antidemokrat! Übrigens kann ich auch beim Wort Antifa Äpfel und Birnen vergleichen, die Offenburger VVN weiß von was ich spreche.
Im Verfassungsschutzbericht 2001 steht u.a., ich zitiere: "... auf der anderen Seite erklärte die VVN wie selbstverständlich auch Linksextremisten zu ihren Bündnispartnern". Mit einem fast identischen Satz wollte kürzlich der stellv. Präsident des Verfassungsschutzes BaWü auch Einfluss auf die Kundgebungsteilnehmer/Innen gegen den NPD Aufmarsch in Freiburg nehmen. Ich war sehr froh, dass sowohl der DGB als auch der OB in Freiburg sich dadurch nicht beeinflussen ließen und dies auch dem Innenminister von BaWü klar und deutlich mitteilten.

Die Zusammenarbeit von VVN-BdA Ortenau und DGB Ortenau kann man in gewissem Sinne schon als beispielhaft ansehen. Was waren deiner Meinung nach die "größten" Erfolge, die wir gemeinsam erringen konnten?
Hierzu gibt es einiges zu sagen, denn jede Aktion von uns hatte ihre Bedeutung und Wertigkeit. Wenn ich ein paar wenige hervorhebe, dann fallen damit die anderen nicht durch den Sieb. Ich denke daran, wie wir innerhalb von knapp 3 Wochen mit den Franzosen zusammen 60 000 Menschen, meist Jugendliche, aufrufen konnten, durch Strasbourg gegen den Front National unter Le Penn zu maschieren, darunter auch viele Deutsche. Dann, wie ich in etlichen Schulen im Elsass unsere antifaschistische Arbeit vorstellen konnte, war eine tolle Sache.
Ich denke an die grosse Kundgebung in Offenburg gegen die Ausweisung einer türkischen Familie, denke an die Eröffnung unserer Ausstellung "Roma und Sinti" in der Ortenau und die Anbringung der Gedenktafel an die Opfer des Naziregimes am DGB-Gewerkschaftshaus in Offenburg. Diese Tafel befindet sich direkt gegenüber dem Bahnhof und enthält den Fahrplan der Reichsbahn im Jahr 1943 von Offenburg nach Auschwitz und Birkenau, die genauen Abfahrtzeiten in den sicheren Tod. Diese Gedenktafel wird noch heute von vielen Passanten zum Hinsehen benutzt, und oft habe ich dabei sehr nachdenkliche Menschen gesehen!
Ich denke an die grenzüberschreitende Grosskundgebung gegen Ausländerfeindlichkeit auf dem "Pont d'Europe".
Auch denke ich an die jüngere Auseinandersetzung wegen der Anbringung einer Tafel zum Gedenken an die Deportation der badischen und pfälzer Juden nach Südfrankreich und danach in den Tod. Meine Erinnerung ist hellwach an die gemeinsame Kundgebung gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus in Offenburg, wo ich kurz vorher eine Bombendrohung erhielt, die auch im Rathaus einging. Da wurde auch mir etwas mulmig.
Das wichtigste war und ist mir, unsere gemeinsame Arbeit hat Früchte getragen - in der Öffentlichkeit. Wir wurden und werden wahrgenommen, vor allem Jugendliche setzen sich damit auseinander und finden den Weg zur VVN-BdA.

Weshalb sollten sich junge Menschen für die Verwirklichung des Schwurs von Buchenwald einsetzen und Mitglied in der VVN-BdA werden?
Dies hat mich in anderer Form vor ein paar Jahren schon ein Oberbürgermeister nach einer Kundgebung gefragt, als er von meiner Mitgliedschaft gelesen hatte. "Die sind doch bald alle nicht mehr unter uns", und er meinte beide Seiten: die Verbrecher des Faschismus und die Verfolgten. Mich bestärkte gerade diese Aussage darin, das Erbe weiter zu geben für das viele vor uns gelitten, gekämpft und in den Tod gegangen sind. Alle, die dieses Erbe bis heute an uns weitergegeben haben, den aufrechten Gang gezeigt haben, sollen es nicht umsonst getan haben. Dies ist unsere Verantwortung.
Wir tragen aber auch Verantwortung für eine Zukunft, die aus der Ehre der Verstorbenen Antifaschisten gedeiht.
Wehret den Anfängen, nehmt nicht hin, was heute auf den Strassen und in dunklen Zimmern wieder hoffähig gemacht werden soll. Keinen Millimeter den ewig Gestrigen und geistigen Brandstifter der Unmenschlichkeit. Deshalb müssen wir den Schwur von Buchenwald an die Jungen weitergeben. Aus der Geschichte lernen heißt, die Zukunft zu sehen ohne Angst und in Frieden und Freiheit. Ich habe erlebt, dass junge Menschen hier absolut anspechbar und dafür zu gewinnen sind. Arbeiten wir mit ihnen daran, nicht als Lehrmeister, sondern als Kamerad oder Kameradin.
Es gibt so viel "Unkultur" in unserer Gesellschaft, gewinnen wir die Jugend, gewinnen wir auch die Zukunft.

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