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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / April 2003



Geschichte wird gemacht:

Millionen für den Frieden sind stärker als der Krieg!

von Dieter Lachenmaier

Während diese Zeilen geschrieben werden, herrscht noch immer Krieg im Irak. Aber niemand zweifelt daran, daß dieser Krieg enden wird, wie es nicht anders zu erwarten war. Die militärisch stärkste und hochgerüstetste Macht der Welt führte Krieg gegen ein ausgeblutetes und ausgehungertes Land, auf dem Niveau der Dritten Welt.

Der Beifall zu diesem überlegenen Sieg ist verhalten. Während die Texte und Kommentare der Medien gebetsmühlenhaft von jubelnden Irakern reden, sprechen die gezeigten Fernsehbilder eine andere Sprache: Die weltweit vorgezeigten angeblich jubelnden Massen, die zusahen, wie ein US-Panzer ein Saddam-Standbild stürzte (ohne mitzuhelfen) hätten es, wären sie in gleicher Zahl zu einer Friedensdemo in Stuttgart erschienen, noch nicht einmal in den Lokalteil eines Anzeigenblattes geschafft.

Bitterer Sieg
Jubel über diesen Sieg gibt es außer in den Regierungspalästen der Kriegswilligen nirgendwo. Zu schrecklich sind die wenigen Bilder der Opfer, die neben den offiziellen Computerkriegsbildern bis in die Medien durchgedrungen sind. Und zu schrecklich ist das Wissen darum, daß jedes dieser Opfer sinnlos und überflüssig war. Es gibt kein moralisch haltbares Argument, daß auch nur eines dieser Opfer rechtfertigen könnte.
Aber auch in den Regierungssitzen der Kriegswütigen, dürfte die Freude über den verkündeten Sieg nicht überschäumen. Auch dort sind die Perspektiven nicht berauschend: Zwar ist es der Weltmacht Nummer eins gelungen, einen von langer Hand geplanten Krieg gegen wachsende Widerstände zu führen und das militärische Etappenziel zu erreichen. Aber gleichzeitig ist dieser militärischen Weltmacht eine neue, bisher nicht erwartete Gegenkraft erwachsen: Weltweit hat sich eine Friedensbewegung formiert, die millionenfach mit den Füßen gegen diesem und künftige Kriege abgestimmt hat.

Weltmacht Friedensbewegung!
Diese Millionen Menschen haben es nicht geschafft, diesen Krieg zu verhindern. Und dennoch haben sie eine politisch vollkommen neue Geschäftsgrundlage geschaffen:
Sie haben diesem Krieg und auch künftigen Kriegen öffentlich und offenkundig jede Legitimation entzogen. Die kriegführenden Politiker sind nun endgültig nicht mehr die "Führer der freien Welt" sondern öffentlich entlarvt, als was sie immer waren: Die führenden Paten einer in Öl, Macht und Profitinteressen verstrickten Mafia, die ohne Skrupel über Leichen gehen.
Die Fiktion von der US-Regierung als Leuchturm der Freiheit, der die Ideale der Zivilisation im Dienste der menschlichen Gemeinschaft notfalls auch mit militärischen Mitteln verteidigt ist endgültig dahin.

Kriegspolitik ohne Rechtfertigung!
Dahin ist die immer verbreitete Illusion, Aufrüstung und Kriegspolitik der westlichen Regierungen wurzelten in einer demokratischen Willensbildung. Zu deutlich wurde in allen Ländern der Welt, daß die Ziele einer solchen Politik von der übergroßen Mehrheit der Bevölkerungen abgelehnt werden. Das gilt für die Länder der Kriegswilligen angefangen von Großbritannien, Spanien, Italien bis hin zu den USA. Das gilt aber ebenso für die Länder deren Regierungen diesem Krieg ablehnend gegenüberstanden. Wo, wie in den letzten Wochen überdeutlich sichtbar, der Krieg als Mittel und Ziel der Politik auf eindeutige Ablehnung stößt, dort kann auch der Weg, die Aufstellung, Aus- und Aufrüstung von schnellen Eingreiftruppen und Interventionsarmeen nicht mehr demokratisch gerechtfertigt werden.

Chance für das Völkerrecht
Die weltweite Friedensbewegung hat auch dem Völkerrecht eine neue Chance gegeben. Lange Zeit schien es so, als ob es der Kriegskoalition mit Erpressung, Bestechung und Drohung gelingen würde, die UNO zum Instrument ihrer Kriegspolitik zu machen.
Die Friedensbewegung hat die Gegenkräfte gestärkt und mobilisiert. Ohne die breite Antikriegsstimmung in der Bevölkerung hätten sich manche Partei, manches Parlament und manche Regierung von der Bundesrepublik bis zur Türkei nicht zur Kriegsablehnung in der UNO und zu einer kriegsverzögernden und -erschwerenden Praxis durchgerungen. (Auch wenn gerade die Praxis besonders im Falle Bundesrepublik noch kritisch zu untersuchen bleibt).

Politische Kriegskosten
Die Friedensbewegung hat die politischen Kosten dieses Krieges in die Höhe getrieben. Die politische Zukunft von Aznavar, Blair, Bush, Merkel und anderen ist nur deshalb noch nicht besiegelt, weil es in allen Ländern noch an einer politisch überzeugenden Alternative zur herrschenden Logik des Krieges mangelt. Aber auch dafür ist der Grundstein gelegt. Die Vision der weltweiten Friedensbewegung läßt sich nun nicht mehr ersticken: Eine andere Welt und eine andere Politik ist möglich.
Die weltweite Friedensbewegung ist zu einem wichtigen politischen Faktor geworden. Aktuell kommt es darauf an, dieses neue Gewicht zu nutzen, um dem Völkerrecht wieder Geltung zu verschaffen.

Materielle Kriegskosten
Noch ist nicht entschieden, wie es im Irak weitergehen wird. Weder für eine Fortsetzung des Krieges noch für ein Besatzungsregime der USA und Großbritannien gibt es irgendeine völkerrechtlich oder moralische Legitimation.
Noch ist nicht enschieden, ob sich der Krieg für die Kriegsmächte lohnen wird. Auch deren erklärtes Kriegsziel, die Inbesitznahme und Privatisierung der irakischen Ölquellen ist völkerrechtswidrig. Nicht die Angegriffenen haben für die Kriegskosten und Schäden aufzukommen, sondern die Angreifer.
Humanitäre Hilfe für die Opfer ist jetzt das dringenste - aber auch diese Kosten müssen den Kriegsschuldigen in Rechnung gestellt werden.
Neben den politischen Kosten des Krieges müssen auch die materiellen Kosten geltend gemacht werden. Sollte es gelingen zu verhindern, daß der Krieg sich in Dollar und Pfund für Kriegstreiber und Kriegsgewinnler auszahlt, dann wäre dem nächsten Krieg wirklich der Boden entzogen.

Selbstbewußt in die Zukunft
Die Millionen, die gegen den Irak-Krieg auf die Straße gingen , wussten daß sie kurzfristig verlieren konnten, schrieb Horst Eberhard Richter.
Gerade deshalb kann, soll und muß die Friedensbewegung selbstbewußt in die Zukunft sehen. Für Resignation gibt es keinen Grund. Für weitere Aktionen die denkbar besten.

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