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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / April 2003



NPD-Verbotsprozeß eingestellt:

Grösste anzunehmende Blamage!

von Elke Günther

Am 18. März hat das Bundesverfassungsgericht (BverfG) das NPD-Verbotsverfahren aufgrund der skandalösen V-Leute Praxis des Verfassungsschutzes eingestellt. Damit ist die größte anzunehmende Blamage im Kampf gegen den Neofaschismus Realität. NPD und andere Nazis können triumphieren.

In den Verbotsanträgen von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat bestanden ganze Begründungsteile aus Aussagen von NPD-Funktionären, die gleichzeitig als V-Leute agieren. Drei der sieben Richter sahen darin ein "nicht behebbares Verfahrenshindernis", denn die "staatliche Präsenz auf der Führungsebene" einer Partei mache "Einflußnahme auf die Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar." Ein rechtsstaatliches Verfahren gegen die NPD sei daher nicht möglich. In der Tat herrscht zwischen Verfassungsschutz und NPD ein geradezu symbiotisches Verhältnis. Noch unmittelbar vor und sogar noch nach Einreichung der Verbotsanträge waren, wie die Richter monierten, V-Leute in den NPD-Vorständen aktiv, unter ihnen Udo Holtmann, der noch ein Jahr nach Eröffnung des Verbotsverfahrens im Bundesvorstand der NPD saß. In jener Zeit habe der Geheimdienst noch versucht, Funktionäre aus der NPD als V-Leute anzuwerben. Möglicherweise hätten V-Leute in Führungsfunktionen der Partei sogar die Verteidigungsstrategie der NPD ausspähen und an den Verfassungsschutz verraten können. Die drei Richter sahen im Handeln der Antragsteller einen "Verfassungsverstoß von erheblichen Gewicht" und stellten das Verfahren ein. Die übrigen vier Richter lehnten dagegen eine Einstellung ab. Damit kam die erforderliche Zweidrittelmehrheit für das NPD-Verbotsverfahren nicht zustande. Ein Freispruch für die NPD ist das aber nicht. Denn die Richter haben keine Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der NPD gefällt.

Symbiose von NPD und Verfassungsschutz
Das Gericht hatte das Verfahren im Januar 2002 ausgesetzt, weil die Antragsteller sich weigerten, über das wahre Ausmaß des Einflusses der V-Leute zu informieren. Damit war im Grunde schon klar, daß das Verbotsverfahren zum Scheitern verurteilt war, sollte sich Bundesinnenminister Schily weiterhin weigern, die Karten auf den Tisch zu legen. Die Antragsteller bewerteten aber offenbar den Schutz der V-Leute höher als das Verbotsverfahren selbst. Während einer Anhörung im Oktober 2002 hatten Regierungsvertreter energisch bestritten, daß Geheimdienstspitzel die NPD fernsteuern. Bundesinnenminister Schily und der bayerische Innenminister Beckstein hatten schon damals betont, die V-Leute seien keine Agenten, sondern überzeugte Rechtsextremisten. Dies führte unter anderem dazu, daß es der Prozessbevollmächtigte Dieter Sellner im Auftrag der Antragsteller ablehnte, die vier noch nicht enttarnten V-Leute, die in den Verbotsanträgen erwähnt wurden, zu identifizieren. Insgesamt spitzeln seit Jahren mindestens 30 der etwa 200 NPD-Vorstandsmitglieder in Bund und Ländern für den Verfassungsschutz. Otto Schily, der Hauptverantwortliche für die Schlappe, ließ sich zur Urteilsverkündigung erst gar nicht in Karlsruhe blicken. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß der versierte und erfahrene Jurist Otto Schily sehr genau gewußt hat, daß sein Verhalten den Verbotsprozeß zum Platzen bringen würde. Gegenüber Journalisten erklärte der Bundesinnenminister, kein neues Verbotsverfahren gegen die NPD anstrengen zu wollen. Der Bayerische Innenminister Beckstein, der sich ganz besonders für ein Verbotsverfahren eingesetzt hatte, forderte noch vor dem Urteil die Bundesregierung auf, weiterhin Spitzel des Verfassungsschutzes gegen die NPD einzusetzen. Dies sei "allein schon deshalb notwendig, weil die rechtsextremistische Partei Verbindungen zur gewaltbereiten Skinhead-Szene" habe, erklärte Beckstein in der "Welt".

Der Verfassungsschutz hat die NPD gerettet
Die groteske Botschaft, die aus Verfahrenseinstellung und innenministerialem "Weiter so" an Neofaschisten aller Couleur ergeht, lautet nun: "Wenn ihr das, das ihr sowieso gerne machen wollt, im Auftrag und auf Rechnung des Verfassungsschutzes tut, werdet ihr nicht nur nicht bestraft, sondern scheffelt auch noch Kohle in die Parteikasse. Ausserdem bleibt Eure Partei, oder euer Verein künftig und für alle Zeit von Verboten verschont. Als "Sieg für ein besseres Deutschland" feiert denn auch NPD-Parteichef Udo Voigt die Entscheidung des BverfG. Nun strebe die NPD im Jahr 2004 den Wiedereinzug in die Landesparlamente an. Wie auch immer: Deutschlands dienstälteste Neonazipartei kann beruhigt ihrem 40. Gründungsjubiläum entgegensehen. Aber auch der schwarz-braune Rand darf sich ermutigt fühlen. Es handelt sich um eine Niederlage der oft zitierten "streitbaren Demokratie". Streitbar war und bleibt dieser Staat immer gegen links. Verlierer sind die demokratischen Kräfte, Verlierer sind Flüchtlinge und MigrantInnen, die bisher schon häufigsten Opfer neofaschistischer Gewalt. Die Verfahrenseinstellung muß als Schlußstrich unter den so wortreich propagierten "Aufstand der Anständigen" gewertet werden. Die Zuständigen sind sitzen geblieben.

Verfassungsschutz auflösen!
Wenn der gescheiterte Prozeß eines ganz deutlich gezeigt hat, dann das, daß Geheimdienste nicht nur gefährlich für die Demokratie sondern auch untauglich und kontraproduktiv für die Bekämpfung von Neofaschismus und Rechtsextremismus sind. Der Verfassungsschutz gehört ganz einfach ersatzlos aufgelöst.
Für uns AntifaschistInnen gilt nach dem Scheitern des NPD-Verbotsprozesses: Jetzt erst recht: Überlassen wir den Faschisten keine Straßen und keine Plätze! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Widerstandskämpfer:
Wir finden uns damit nicht ab!
Wir, ehemalige antifaschistische Widerstandskämpfer und Verfolgte des NS-Regimes, sind von Zorn erfüllt und darüber empört, dass das Bundesverfassungsgericht es ablehnt, den Verbotsantag gegen die Nazi-Nachfolgepartei NPD zu behandeln. Entsprechend des Grundgesetzes hätte diese Partei nie zugelassen werden dürfen.
Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden die Neofaschisten als Ermutigung betrachten. Bestärkt werden auch diejenigen Verwaltungsgerichte, die immer wieder Verbote von Nazidemonstrationen aufhoben und damit engagierten Demokraten in den Rücken fielen. Wir finden uns mit dieser Entscheidung nicht ab, bestehen auf Verwirklichung des antifaschistischen Auftrages des Grundgesetzes und dem Verbot der NPD und aller Nazi-Organisationen.
Fred Dellheim, Jupp Gerats, Kurt Goldstein, Peter Ginghold, Maria König, Alfred Hausser

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