VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 01.01.2004
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 1 / Januar 2004



Die Internationale Solidarität geht weiter:

Mumia Abu-Jamal - Ehrenbürger von Paris

von Liliane Leible

Am 4.Oktober 2003 waren über 300 Gäste aus dem In- und Ausland, anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgermedaille an den afroamerikanischen Schriftsteller Mumia Abu-Jamal in das Rathaus der Seine - Metropole geladen: Mumia Abu-Jamal wurde von Bertrand Delanoë, Bürgermeister von Paris und den umliegenden Gemeinden, im Rahmen eines beeindruckenden Festaktes, zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Die Ehrenmedaille samt Urkunde nahm anstelle von Mumia Abu-Jamal die weltbekannte Bürgerrechtlerin und Professorin Angela Davis entgegen.

Eingeladen war auch eine kleine Delegation aus Deutschland, zu der Claus Redondo vom Landesvorstand der VVN-BdA (Ba-Wue) und Liliane Leible von der Kreisvereinigung der VVN-BdA Ortenau gehörten, sowie drei weitere Delegierte des Bundestreffens der Mumia Abu-Jamal Unterstützungskomitees, die sich gemeinsam mit der VVN-BdA seit 1995 für Mumia Abu-Jamals Freiheit und für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzen.
Liliane Leible und Claus Redondo sagten gegenüber der ANTIFA-NACHRICHTEN, es sei für sie eine große Ehre gewesen, stellvertretend für die über 10 000 Mitglieder ihrer Organisation an dieser Feier teilnehmen zu können.
Mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Mumia Abu-Jamal, diesem Akt der internationalen Solidarität, will Paris die gute Tradition wiederaufnehmen, die zuletzt 1971 Pablo Picasso zuteil wurde, "an der Seite von Mumia werden wir für die Abschaffung der Todesstrafe eintreten!", so Bertand Delanoë in seiner Festrede.
Angela Davis dankte allen im Namen von Mumia und der Koordination der Bewegung für seine Freilassung und verwies auf die historische Bedeutung von Paris während der Französischen Revolution und auf den Widerstand der Stadt gegen die faschistische Besatzung.
zur Person:

Mumia Abu-Jamal

Seit 1982 sitzt der afroamerikanische Journalist, Schriftsteller und Ex-Black Panther Mumia Abu-Jamal in der Todeszelle in den USA. In einem rassistisch geführten Gerichtsverfahren, das jede Rechtstaatlichkeit verhöhnt, wurde er wegen Mordes an dem weißen Polizisten Daniel Faulkner zum Tode verurteilt. Mumia Abu-Jamal hat nie aufgehört, seine Unschuld zu beteuern. Seit 1995 strebt er ein gerichtliches Wiederaufnahmeverfahren an, in dem die Unschuldsbeweise vor Gericht gehört werden können. Zweimal wurden innerhalb seiner über 20-jährigen Inhaftierung Hinrichtungstermine festgesetzt, die aufgrund internationaler Proteste nicht vollstreckt wurden. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V hat auf ihrem Vereinigungskongreß der Ost - und Westverbände im Oktober 2002 in Berlin ihre Solidarität im Kampf um das Leben und die Freiheit von Mumia Abu-Jamal durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft in ihrer Organisation zum Ausdruck gebracht. Seit 1998 ist er Ehrenmitglied der VVN-BdA BaWü.
"Ich selbst werde für immer und ewig allen Parisern und Pariserinnen und den Franzosen und Französinnen dankbar sein, die vor 30 Jahren geholfen haben, eine siegreiche Bewegung zu schaffen, die mich aus dem Gefängnis befreit hat. Zudem haben die Menschen in dieser Stadt und in diesem Land bei der Abschaffung der Todesstrafe, nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa und in vielen anderen Ländern, einen wesentlichen Beitrag geleistet. ... Indem Sie Mumia Abu-Jamal die Ehrenbürgerschaft verliehen haben, ehren Sie nicht nur diesen außergewöhnlichen Menschen ... sondern Sie ermöglichen es auch, daß die Kampagne für die Abschaffung der Todesstrafe, eine höhere Ebene erreicht."
Zum Abschluß übergab Angela Davis das Wort an den neuen Ehrenbürger von Paris: Mumia Abu-Jamal. Seine Dankesworte, wurden im September 2003 im Hochsicherheitsgefängnis von Pennsylvania auf Tonband aufgezeichnet : "... Es gibt mehr als 3000 Männer, Frauen und Jugendliche in den Todestrakten der USA, die, wenn sie könnten, Ihnen heute sicherlich für diese Entscheidung danken würden. Ich bin nur einer von ihnen. Deshalb danke ich ihnen allen. Merci, on a move. Lang lebe John Africa."
An dem Festakt in Paris waren auch Julia Wright, von der französischen Kampagne für die Freilassung von Mumia Abu-Jamal, Pam Afrika von der MOVE-Organisation und langjährige Ünterstützerin der Kampagne in den USA, sowie Mumias jetziger Hauptanwalt Robert Bryan ( USA ) vertreten. Sie nahmen am Nachmittag gemeinsam mit vielen Gästen auf der Konferenz der Unterstützungsgruppen teil, die zur Erläuterung der historischen und aktuellen Entwicklung der Todesstrafe und der aktuellen Situation im Kampf für das Leben und die Freiheit von Mumia Abu-Jamal, einberufen worden war.
Pam Afrika betonte, dass Mumia ohne die weltweite Solidaritätsbewegung nicht mehr leben würde, er wäre ohne diese Solidarität wahrscheinlich schon 1995 hingerichtet worden, als Thomas Ridge den ersten Hinrichtungsbefehl unterzeichnete. Es ist weiterhin wichtig und notwendig, prominente Persönlichkeiten aus Kultur und Politik für die gemeinsame internationale Solidaritäts-Arbeit zu gewinnen. Bekannte Musikgruppen wie "Einstürzende Neubauten", "Die Toten Hosen" und "Rage against the Machine" sind seit langem fester Bestandteil der Mumia Abu-Jamal Solidarität und tragen mit ihren Konzerten zur Bekanntheit Mumia Abu-Jamals und zur Finanzierung seiner Verteidigung bei.

Zur aktuellen Lage
Auf gerichtlicher Ebene war es lange Zeit still um Mumia Abu-Jamal geworden. Der Hinrichtungsbefehl gegen ihn bestand seit 1982, Mumia Abu-Jamal schrieb Artikel und Bücher aus dem Todestrakt - bis im Dezember 2001 der Bundesrichter William Yohn in seiner Entscheidung über den Berufungsantrag der Verteidigung, den Hinrichtungsbefehl aussetzte, ein Wiederaufnahmeverfahren jedoch nicht zuließ. Lediglich ließ er die Beschwerde der Verteidigung in einem Punkt zu: die rassistische Auswahl der Geschworenen sei nicht rechtsstaatlich. Das zuständige Staatsgericht habe vor einer neuen Jury eine erneute Verhandlung über das Strafmaß durchzuführen. Geschehe dies nicht innerhalb von 180 Tagen, trete sein Beschluß in Kraft, das Todesurteil in lebenslange Haft umzuwandeln. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung gegen diese Entscheidung ein. Für Mumia Abu-Jamal hatte sich durch diesen Richterspruch nichts geändert, weiterhin ist das Todesurteil von 1982 in Kraft. Hauptanwalt Robert Bryan geht davon aus, daß der Oberste Gerichtshof von Philadelphia nicht im Sinne der Verteidigung urteilen wird: " Wann immer diese Entscheidung getroffen wird. Dieser Beschluß kann schon am nächsten Montag kommen, das Gericht kann ihn aber auch noch sechs Monate vor sich herschieben - wir wissen es einfach nicht. ..."
Solange der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania nicht entschieden hat, werden weitere juristische Schritte auf Bundesebene blockiert. Genau auf dieser juristischen Ebene will der neue Hauptanwalt von Mumia Abu-Jamal ansetzen und die rassistischen Vorurteile bei der Auswahl der Geworenen als Grund für die Unrechtmäßigkeit der Verurteilung von Mumia Abu-Jamal einklagen. " ... Wir müssen realistisch sein und uns klarmachen, daß zwar die Arbeit der Anwälte von großer Bedeutung ist, aber es muß eine enge Beziehung geben zwischen den juristischen Schritten und dem Handeln der Solidaritätsbewegung...", so Robert Bryan.
(Vier Tage nach der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Mumia Abu-Jamal, am 8. Oktober, hat das höchste Staatsgericht die vordringlich zu verhandelnden letzten Beweisanträge aus zweijähriger Arbeit der Verteidigung abgeschmettert.)
Angela Davis hat die Geschichte der Todesstrafe von der kolonialen Periode bis zur Gegenwart erforscht und kommt zu dem Schluß: Hätte es die Sklaverei nicht gegeben, dann wäre die Todesstrafe bereits abgeschafft worden. Sie war in der jüngeren Geschichte sogar schon einmal so gut wie abgeschafft, aber nur für Weiße. In Virginia z.B. konnte eine weiße Person nur noch wegen Mordes zum Tode verurteilt werden, aber eine schwarze Person, ein Sklave, konnte für 66 verschiedene Straftatbestände zum Tode verurteilt werden. Sklaverei und Rassismus sind die Pfeiler, auf denen die Todesstrafe nach wie vor ruht. "Die Todesstrafe (ist) ihrem Wesen nach rassistisch", so Angela Davis. Zur politischen Situation erklärte sie: "Eine Demonstration kann nicht Ersatz für die organisierte Bewegung sein, ... wir (müssen) vor allem die wenig ruhmreiche Arbeit tun, das Denken der Menschen zu verändern und Bewegungen zu organisieren, die zu einem untrennbaren Bestandteil des alltäglichen Lebens werden. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. ..."
Eine Herausforderung, der sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Paris, durch die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Mumia Abu-Jamal und den Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe erfolgreich gestellt haben!
Für das Leben und die Freiheit von Mumia Abu-Jamal und allen politischen Gefangenen - Weg Mit der Todesstrafe !

VVN-Logo http://www.vvn.telebus.de © 2004 J. Kaiser