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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / April 2004



Atomare Kriegsplanung in der Konrad-Adenauer-Stiftung:

"Das Verständnis von 'Verteidigung' neu definieren"

von Anne Rieger

Karl-Heinz Kamp, Leiter der Abteilung Planung und Grundsatzfragen der CDU nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, fordert eine "Debatte über die völkerrechtliche Zulässigkeit von Präventivschlägen". Unmittelbare Nachbarstaaten geraten dabei ins Visier deutscher, nuklearer vorbeugender Militäreinsätze. "Nukleare Präemption" ist seine "vorstellbare Option".

Dr. Peter Struck, Minister für`s Grobe - d.h. für Außenpolitik mit militärischen Mitteln - rüstet die deutsche Armee zur weltweit einsetzbaren Eingreiftruppe auf: "Mögliches Einsatzgebiet für die Bundeswehr ist die ganze Welt" verkündete er am 13.1.04, Spiegel Online. Den Grund dafür hatte er bereits im Mai 2003 in den Verteidigungspolitischen Richtlinien genannt: "Die deutsche Wirtschaft ist aufgrund ihres hohen Außenhandelsvolumen und der damit verbundenen Abhängigkeit von empfindlichen Transportwegen und -mittel zusätzlich verwundbar". "Die Bundeswehr ... sichert die außenpolitische Handlungsfähigkeit" (ebenda). Unverblümter hat bisher kein Regierungsmitglied den neuen Auftrag der Bundeswehr veröffentlicht. Für die militärische Außenpolitik der Bundesrepublik stellt Struck die materielle Ressourcen, wie z.B. 35 000 Einsatzkräfte, 70 000 Stabilisierungskräfte, 180 Eurofighter, 60 Kriegstruppentransporter, sowie Kriegsschiffe zur Verfügung.

Vorbeugende Militäreinsätze
Unterstützend fordert die CDU nahe Konrad-Adenauer-Stiftung das "Verständnis von 'Verteidigung' neu zu definieren". Mit dem Kampfbegriff "vorbeugende Militäreinsätze (Preemptive Strikes)" verschärft sie die Standards für deutsche aggressive Außenpolitik der großen Koalition. Karl-Heinz Kamp, Leiter der Abteilung Planung und Grundsatzfragen der Stiftung, fordert eine "Debatte über die völkerrechtliche Zulässigkeit von Präventivschlägen". Bei ihm ist "selbst die nukleare Präemption ... eine zumindest theoretisch vorstellbare Option". Seiner Meinung nach kann sie gerechtfertigt sein durch
  • "Gefahren durch Massenvernichtungswaffen"
  • "humanitäre Erfordernisse"
  • "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen"
  • "vitale Bedrohung durch ökologisch verantwortungslose Staudammprojekte"
  • "unsichere Kraftwerke in Grenznähe".

    Zuende gedacht heißt das, ein von der Haiderschen FPÖ - oder anderen Rechtsauslegern - als Wahlkampfthema hochgezogener Konflikt, wie der um das AKW Temelin in Tschechien, könnte nach CDU-Vordenker`s Meinung - im Extremfall - eine Intervention rechtfertigen. Aggressive Außenpolitik - selbst nukleare - gegenüber unmittelbaren Nachbarn wird ideologisch vorbereitet.

    EU - global agierende Interventionsmacht
    Damit geht die angestrebte Strategie der Konrad-Adenauer-Stiftung noch über die im Dezember beschlossene "Europäische Sicherheitsstrategie" hinaus. Schon diese - von den Außenministern der EU bereits beschlossene - Militärdoktrin wird die Zivilmacht Europäische Union in eine nicht wiederzuerkennende global agierende Interventionsmacht verwandeln: Wegen "der neuen Bedrohungen" (Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, Scheitern von Staaten, organisierte Kriminalität") werde "die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen. ... Daher müssen wir bereit sein, vor Ausbruch einer Krise zu handeln, Konflikten und Bedrohungen kann nicht früh genug vorgebeugt werden" (A secure Europe in a better world, 12.12.2003). Zivilen Krisenbewältigungsmitteln wird zwar Vorrang eingeräumt, "frühzeitiges, rasches und wenn nötig robustes Eingreifen" als "Strategie-Kultur" aber entwickelt.

    "Fortentwicklung des Völkerrechts"
    Nuklearbefürworter Kamp dagegen sieht in der "Anwendung militärischer Macht ... nicht zwangläufig die zeitlich letzte Maßnahme ..., sind doch Optionen denkbar, in denen ein vorzeitiger Streitkräfteeinsatz größeren Schaden verhindern kann". Sollte der vorbeugenden Überfall auf den Sender Gleiwitz - und damit auf unsere Nachbarn in Polen nicht auch "größeren Schaden" verhindern? Sollen zum 3. Mal innerhalb von 90 Jahren deutsche Soldaten in aller Welt für deutsche Interessen - Wirtschaftsinteressen - agieren?
    "Das Recht auf vorbeugende Militäreinsätze, das eine wachsende Zahl von Staaten für sich beansprucht, bedeutet einen weiteren Schritt weg von dem Absolutheitsanspruch staatlicher Souveränität." So soll der Souveränitätsverlust aussehen: "semimilitärische Aktionen gegen Regierungen und nichtstaatliche Akteure ... auf dem Boden von Staaten oder ... in internationalen Gewässer" durch
  • "Unterbrechungen von Informationsströmen,
  • das Aufbringen von Schiffen,
  • umfassende Blockaden oder
  • Sabotageakte".
    Darin liege "der Schlüssel für die Fortentwicklung des Völkerrechts".
    Beinahe-Präsident Wolfgang Schäuble sekundiert dieser zynischen Sichtweise mit der "Notwendigkeit einer behutsamen Weiterentwicklung des Völkerrechts." Zweideutig unzweideutig tut der Außenpolitiker der CDU seine Meinung kund: "Es geht nicht um das Recht des Stärkeren, sondern darum, dem Recht durch Stärke zur Durchsetzung zu helfen" frei nach Clausewitz: "Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen." Denn was Recht ist, bestimmt der Stärkere, wie wir es in den Kriegen gegen Jugoslawien, Afghanistan und den Irak vorgeführt bekommen haben. Da gibt uns Kamp vorbehaltlos Recht: "Die größere Rechtsunsicherheit", die "aus einer Abkehr von der formalen Auslegung des Völkerrechts ... zwangsläufig" folge begünstige "hegemoniale Staaten, ... verfügen sie doch über das entsprechende politische, militärische und juristische Instrumentarium, um ihrer Interpretation Gehör zu verschaffen".

    Kriegsverhütung statt Gewaltphantasien
    Wird die Einstimmung auf nukleare Außenpolitik - auch auf unmittelbare Nachbarn - nach einer Regierungsübernahme durch rechts/reaktionäre Kräften anlässlich der nächsten Bundestagswahl vorbereitet? Denn "im Kreis der Europäer" sei der Begriff 'Preemption' für alle bis auf die Bundesregierung akzeptabel", so Schäuble und Kamp bedauert: "Deutschland hat sich bislang einer Debatte um den vorbeugenden Streitkräfteeinsatz verweigert".
    Wohl wahr. Umfragen zeigen, dass sich die Menschen in Deutschland zivile Kriegsverhütungsmittel wünschen - die ablehnenden massenhaften Demonstrationen gegen den Irak-Krieg waren der öffentliche, massenhafte Beweis. Halten wir es mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan. In seiner Rede am 23. September vergangenen Jahres vor der UN-Generalversammlung sagte er, er sei überzeugt, wenn wir die Doktrin der präemptiven Gewalt akzeptierten, führe das zu einem Export unilateralen und rechtswidrigen Gebrauchs von Gewalt.
    Zivile vorbeugende Kriegsverhütung, Anerkennung und Durchsetzung des geltenden Völkerrechts und unsere Friedensaktionen können helfen, Kriege zu verhindern oder zu verkürzen. Präemptive Gewalt vertieft und verlängert den Krieg, wie es gerade im Irak sichtbar wird.

    Die nicht gekennzeichneten Zitate beziehen sich auf: "Die Bedrohung bekämpfen, bevor sie akut wird" von Karl-Heinz Kamp, Frankfurter Rundschau 4.2.2004 und Wolfgang Schäuble: "Herausforderungen für Deutsche und Europäische Sicherheitspolitik", 5.2.2004, Konrad-Adenauer Stiftung, www.kas.de

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