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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Oktober 2004



Abschied von Rudolf Sperandio

Kämpfer der Internationalen Brigaden

von Reinhard Hildebrandt

Am 20. August 2004 starb unser Kamerad Rudolf Sperandio im hohen Alter von 95 Jahren. Mit ihm hat uns der letzte überlebende Kämpfer in den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg aus Süddeutschland verlassen.
Rudolf wurde am 8. Dezember 1908 in einer Arbeiterfamilie in Köln geboren, seine Kindheit und Jugend erlebte er in Friedrichshafen am Bodensee und in Stuttgart. Sein Vater, zuerst Vertrauensmann bei Daimler und Sozialdemokrat, dann als Gegner der Burgfriedenspolitik aus der SPD aus- und in die USPD, später KPD eingetreten, und die schwierigen sozialen Verhältnisse - die Hungerjahre des Ersten Weltkriegs und die unsicheren Zeiten zu Beginn der Weimarer Republik - prägten Rudolfs Bewusstsein. Seine Empörung gegen jeden Missbrauch der Schwächeren durch die Stärkeren, das Erlebnis der Unmenschlichkeit des Krieges, verbunden mit dem Massenbetrug und chauvinistischer Völkerverhetzung, machten ihn in der Arbeiterjugend zum Kommunisten. Politisch geschult wurde Rudolf in der Marxistischen Arbeiterschulung, aktiv war er im KJVD, dem Jugendverband der KPD, als dessen Fahrradkurier und Instrukteur fuhr er durchs Ländle.
1933 war Rudolf der letzte Agit-Prop-Leiter des KJVD. Bei dem Kabelattentat in Stuttgart - bei dem die Übertragung von Hitlers Rede im Rundfunk unterbrochen wurde - leitete er noch die Absicherungstrupps für den Fluchtweg in Richtung Wilhelma. Auch in der Illegalität organisierte er noch Aktionen gegen die Nazis. Als die KJVD-Leitung verhaftet wurde, konnte Rudolf untertauchen und über die Grenze nach Basel fliehen. Nach drei Jahren Arbeit im Schweizer Exil ging Rudolf 1936 nach Spanien, um mit den Interbrigaden für Spaniens Freiheit zu kämpfen. Rudolf kämpfte in der ersten Kompanie des Tschapaiew-Bataillons, dem Freiwillige aus 21 Nationen angehörten. Sie kamen aus aller Welt, verschieden in Weltanschauung und Beruf, Alter und Herkunft, geeint durch die humanistische Idee, dem Recht zum Siege über das Unrecht zu verhelfen. Sie kamen und kämpften und starben für Spaniens Freiheit, weil sie einen Beitrag leisten wollten zur Verteidigung von Kultur und Humanität auf der ganzen Welt. Rudolf nahm teil an den Kämpfen an der Front von Teruel, der Malagafront und der Sierra Nevada, der Pozoblanco-Front, der Offensive von Brunete im Juli 1937, bei der ein Großteil der Kämpfer fiel oder verwundet wurde. Danach wurde das Tschapaiew-Bataillon aufgelöst.
Rudolf floh nach Paris, wurde dort bald als unerwünschter Ausländer verhaftet und dann im März 1939 im Lager Gurs am Rande der Pyrenäen interniert. Es folgten die Lager Cyprien und Argeles-sur-Mer. Im Mai 1941 lieferte ihn das Vichy-Regime an die Gestapo aus. Im November 1941 verurteilte ihn der berüchtigte Nazi-Richter Hermann Cuhorst zu fünf Jahren Haft wegen "Vorbereitung zum Hochverrat". Die Gefängnisse, Zuchthäuser und KZ der Nazis waren seine Leidensstationen, u.a. Ludwigsburg, Zweibrücken in der Pfalz und Siegburg bei Köln. Als 1945 die Alliierten vorrückten, sollten die politischen Häftlinge verlegt werden. Dabei gelang Rudolf zusammen mit zwanzig Sozialdemokraten die Selbstbefreiung. Insgesamt 6 Jahre und 1 Monat seines Lebens musste Rudolf in Haft verbringen.
Nach dem Sieg über das faschistische Deutschland half er beim Aufbau eines neuen Staatswesens. Er tat dies vor allem im antifaschistisch-demokratischen Arbeitsausschuss Bad Cannstatt als Kulturbeauftragter und im Entnazifizierungsausschuss.
1946 heiratete er Hilde Schmohl, eine aktive Naturfreundin, 1947 wurde sein Sohn Claudio geboren. Hilde war für Rudolf bis zu ihrem frühen Tod 1962 eine große Stütze, sie half ihm, sich von den Strapazen des Krieges und der langen Gefangenschaft langsam zu erholen. 1967 heiratete er Sinfronisa Porras Gonzales aus Spanien.
In den letzten Jahrzehnten engagierte sich Rudolf als Kommunist und Antifaschist gegen die Wiederbewaffnung, gegen den Vietnam-Krieg, gegen die Berufsverbote und nicht zuletzt gegen den Neofaschismus. Gemeinsam mit den Naturfreunden trat er für Sozialismus, Frieden und Völkerverständigung ein. Seit 1960 war Rudolf Mitglied bei der Naturfreunde-Ortsgruppe Degerloch.
Am 19. Januar 1996 erließ die spanische Regierung ein Dekret, das allen noch lebenden Angehörigen der Internationalen Brigaden für ihre während des spanischen Bürgerkriegs geleisteten Verdienste für Freiheit und Demokratie ("en pro de la libertad y democracia") die spanische Staatsbürgerschaft anbietet. Rudolf konnte diese Ehrung nicht annehmen, da er dann seine in Deutschland erworbenenen Rentenansprüche verloren hätte. Dank aus Spanien, aber nicht in Deutschland.. In der BRD blieb Rudolf die Anerkennung des Staates versagt: weder Dank, noch bekam er für seinen Spanieneinsatz eine Rente. Anders als die Faschisten der deutschen "Legion Condor", die mit ihrem Luftangriff die baskische Stadt Guernica zerstörte, für sie gab es Renten für den Kriegseinsatz und Orden und Karrieren in der Bundeswehr. Am 27.8.2004 nahmen wir auf dem Ostfilderfriedhof in Stuttgart-Sillenbuch Abschied von unserem Kameraden Rudolf, zusammen mit seinen Familienangehörigen und einer großen Trauergemeinde. Rudolf war einer von zu wenigen, die einen aufrechten Weg gingen.

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