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Nummer 4 / Oktober 2004



Einwanderungsverhinderungsgesetz:

Ein Coup der "wehrhaften Demokratie"

von Cornelia Kerth

Das "Zuwanderungsgesetz" ist verabschiedet: "Deutschland ist ein Einwanderungsland" steht drauf - wie das verhindert werden soll, seht drin.
Einst sollte es Linke und Liberale im Gefolge von SPD und Grünen mit deren Zustimmung zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl aussöhnen. Groß waren die Erwartungen all' derer, die 1998 "für eine andere Politik" Rot/Grün gewählt hatten, als das Thema Staatsbürgerschaft sofort in Angriff genommen wurde. Der zunächst vorgelegt Entwurf wäre tatsächlich eine "Reform" gewesen. Er hatte endlich dem verhängnisvollen völkischen Quatsch vom "deutschen Blut" abgeschworen und ein modernes Verständnis vom Nationalstaat rechtlich fixiert, in dem die Nation aus den dauerhaft auf dem Staatsgebiet lebenden Menschen besteht - seit der französischen Revolution europäische Normalität. Ein Hass triefender Wahlkampf der Hessen-CDU, in dem mit allen nur denkbaren Klischees von kriminellen Ausländern, die sich der Integration entziehen und zusammen mit Asylbetrügern, die unsere Sozialsysteme ausplündern, die deutsche Kultur überfremden, an niederste Instinkte appellierte, ließ ihn in der Versenkung verschwinden.
"Volkes Wille", wie ihn der Rassist Koch und seine Helfer in Form von Unterschriften zusammen gesammelt hatte, bewirkte offenbar einen "Paradigmenwechsel": Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts wurde stark deformiert und das, was später als "Gesetz zur Regelung und Begrenzung (!)der Zuwanderung" der Öffentlichkeit präsentiert wurde, war von Anfang an ein Zuwanderungsverhinderungsgesetz.
Auch in Europa hat sich Schily-Deutschland auf Festungsbau spezialisiert. Sämtliche von der EU-Kommission vorgelegten Entwürfe zur Vereinheitlichung europäischer Normen und Verfahren im Ausländer- und Asylrecht wurden vom standhaften Innenminister so lange blockiert, bis sie den Rahmen abgaben, der zu seinen Vorstellungen passt. Man könnte darüber spekulieren, ob die erste Verabschiedung des "Zuwanderungsgestzes", so dilettantisch angelegt war, damit sich der Prozess der Verständigung mit der CDU/CSU so lange ziehen kann, bis das europäische Hindernis beseitigt war.
Das materielle Ergebnis des parteiübergreifenden Konsenses lässt sich in wenigen Punkten zusammenfassen: Hochqualifizierte Arbeitskraft und Kapitalbesitzer (mind. 1 Mio. Euro) dürfen rein. Wer schon einen sicheren Aufenthaltsstatus hat, darf ihn behalten und wer keinen hat, kriegt auch keinen. Dass nichtstaatliche und geschlechtspezifische Verfolgung als Fluchtgründe anerkannt werden können, sind reale Verbesserungen, die sehr wenigen Menschen zugute kommen werden. Dass "Duldungs"inhaberInnen" zwischen knastähnlichen "Ausreisezentren" und der Illegalisierung wählen müssen, wird Zehntausende treffen. Da sind wir gefordert! Auf jeden Fall hat die öffentliche Debatte über das "Zuwanderungsgesetz" dafür gesorgt, dass nahezu alle Klischees über "die Ausländer" noch mal kurz eingebracht werden konnten. Prima verknüpft mit dem unseligen Kopftuch, das Cabriofahrerinnen und Bauersfrauen religionsübergreifend tragen können, Lehrerinnen hingegen nicht, ist da der islamistische Terrorist nicht mehr weit. Wer "tatsachengestützt" (was immer das zu bedeuten hat) verdächtigt wird einer zu sein, wird ausgewiesen. Das gleiche blüht dem "Hassprediger". Dass hier keiner auf die falsche Spur gerät, enthält eine vorläufige Information des Innenministeriums die Erläuterung "z.B. in Moscheen".
Ob diese Bestimmungen jemals tatsächlich durchgesetzt werden können oder ob derart unbestimmte Begriffe und Normen nicht an gesetzlich verbrieften Rechten, die z.Zt. noch alle Menschen vor staatlicher Willkür schützen, scheitern werden, ist fast egal. Der Generalverdacht gegen alle "Ausländer", zunächst konkretisiert auf Menschen muslimischen Glaubens, hat Gesetzeskraft erlangt und wurde gründlich popularisiert. Dem friedlichen Zusammenleben dient das sicher nicht. Der "wehrhaften Demokratie" des Oskar Schily, die hauptsächlich darin besteht, Demokratie durch Abbau vor "Missbrauch" zu schützen, außer, wenn's um Nazis geht, ist wieder mal ein Propaganda-Coup geglückt.

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