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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / Mai 2005



Ver.di, Friedensnetz, VVN - Bund der Antifaschisten in Baden-Württemberg u.v.a. rufen auf:

Am Jahrestag der Befreiung:
Nie wieder Faschismus und Krieg!
Gemeinsam für Solidarität, Gerechtigkeit, Frieden!

LV

"Ein Tag der Befreiung war der 8. Mai 1945. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft."(Richard v. Weizsäcker)

Der Tag der Befreiung bedeutete Befreiung von Terror und Krieg. Für Millionen Menschen, Opfer der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft kam dieser Tag zu spät. Für sechs Millionen Juden, für Sinti und Roma, für viele Homosexuelle, für russische und polnische ZwangsarbeiterInnen, für Menschen mit Behinderungen, für GewerkschafterInnen und politisch Andersdenkende mit christlicher, sozialdemokratischer, kommunistischer oder humanistischer Überzeugung.
Hundertausende aliierter Soldaten, Partisanen, WiderstandskämpferInnen mussten für diesen Tag ihr Leben opfern, weil der Widerstand in Deutschland vor und nach dem 30. Januar 1933 zu schwach war, Faschismus und Krieg zu verhindern. Viele, doch viel zu wenige Menschen haben diesen Widerstand geleistet. Gewerkschafter wie Willi Bleicher, Kommunisten wie Lilo Hermann, Sozialdemokraten wie Karl Molz, christliche Politiker wie Eugen Bolz sind einige Stuttgarter Beispiele für Menschen, die Zivilcourage und Verantwortung zeigten. Viele von ihnen wurden von den Nazis wegen ihres unerschrockenen Engagements für ein anderes, ein humanes Deutschland hingerichtet.
Insgesamt 60 Millionen Menschen starben, weil der Faschismus nicht verhindert werden konnte.

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
lautete der Schwur der Überlebenden am 8. Mai 1945 in ganz Europa und überall in der Welt.
Mit der UNO und dem Völkerrecht wurde ein neues System gegenseitiger kollektiver Sicherheit errichtet. Die Staaten der UNO verpflichteten sich zum Verzicht auf militärische Drohung und Krieg

Nach 60 Jahren alles vergessen?
Beunruhigend vieles von dem, was nach 1945 überwunden war oder überwindbar schien, hat sich wieder zurückgemeldet und prägt erneut unsere Gegenwart.
Drohungen mit militärischer Gewalt, militärische Einsätze und Angriffskriege sind wieder zu "legitimen" Mitteln der herrschenden Politik geworden. Die nach 1945 installierten Instrumentarien dialogorientierter Konfliktlösung werden zielgerichtet demontiert. Es ist heute möglich, dass Staaten und ganze Militärbündnisse das Völkerrecht brechen, wie dies im Überfall auf die Bundesrepublik Jugoslawien und auf die Republik Irak geschehen ist, ohne dass dies auch nur im Ansatz sanktioniert wird.

Nach 60 Jahren wieder Krieg von deutschem Boden?
Im deutschen Grundgesetz und in fast allen europäischen Verfassungen wurden Faschismus und Militarismus, Rassismus und Antisemitismus verboten und geächtet.
Von deutschem Boden sollten nie wieder Krieg, sondern Frieden und gute Nachbarschaft mit allen Ländern ausgehen.
Heute steht die Bundeswehr bewaffnet in vielen Teilen der Welt. Sie verfügt über sogenannte Krisenreaktionkräfte und schnelle Eingreiftruppen. Gigantische Rüstungsprojekte wie der Eurofighter oder das neue Flottenprogramm verschlingen Milliarden. Mit solcher Aufrüstung wird die Bundeswehr zur weltweit einsatzfähigen Interventionstruppe aufgebaut.
Mit den "verteidigungspolitischen Richtlinien" von 2003 verfügt Deutschland nun wieder über eine aggressive, expansionistische Militärdoktrin.

Nach 60 Jahren Europa wieder kriegsbereit?
In der nun vorgelegten Verfassung für die Europäische Union sind alle antifaschistischen Verpflichtungen der Nachkriegsjahre vergessen.
Alle EU-Mitgliedstaaten werden darin zu ständiger Steigerung ihrer Rüstungen verpflichtet. Militärisches Eingreifen innerhalb und außerhalb Europas wird ausdrücklich erlaubt und als Mittel der europäischen Politik legitimiert.
Der Entwurf schreibt ein neoliberales Wirtschaftsmodell fest. Das geht zu Lasten sozialstaatlicher Verpflichtungen und gerechter Handelsbeziehungen.
Statt dem viel beschworenen gemeinsamen Haus, würde Europa zu einer Festung, das Flüchtlinge fernhält, seine Nachbarn mit militärischer Potenz einschüchtert und nach den Prinzipien eines Kasernenhofes funktioniert.

Nach 60 Jahren neue Nazis?
In Sachsen und Brandenburg zogen Neonazis von NPD und DVU wieder in die Landtage ein. Sie erhielten dort mehr Wählerstimmen als die Hitlerpartei nur fünf Jahre bevor sie 1933 an die Macht gelangte.
In ihren fast wöchentlichen Aufmärschen verunglimpfen sie Flüchtlingen und Einwanderer, grölen rassistische und antisemitische Parolen, verherrlichen die Nazizeit. Ausgrenzung Andersdenkender, Brandstiftung und Morde, Abschiebung von Asylbewerbern. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus verbreiten ein Klima der Angst und Gewalt in unserem Land.
Weit über 100 Menschen wurden in den letzten Jahren von rassistischen und faschistischen Tätern ermordert.
Behörden und Justiz erweisen sich als unfähig, den Neofaschisten Einhalt zu gebieten. Regelmäßig werden ihre Aufmärsche erlaubt. Das NPD Verbot scheiterte an der Inkompetenz der Politik und Unfähigkeit der Geheimdienste, die Verfassung zu schützen.
Wie in der Weimarer Zeit, bilden Massenarbeitslosigkeit und der Abbau sozialer Sicherungssysteme den Nährboden, auf dem die Demagogie der neuen Nazis gedeihen kann. Die derzeit betriebene neoliberalen Wirtschaftspolitik verschreibt die selben Rezepte, die vor 1933 zur Katastrophe beitrugen: Verarmung grosser Teile der Bevölkerung durch den Abbau immer weiterer Sozialleistung auf der einen Seite, Förderung des Reichtums- und der Unternehmens- und Aktionärsprofite durch Steuersenkungen und Begünstigung großer Vermögen auf der anderen.
Im Lande selbst wird ein massiver Abbau von Demokratie, Bürgerrechten, rechts- und sozialstaatlichen Standards durchgesetzt. Gewerkschaftliche Rechte werden auf breiter Front angegriffen und beseitigt. Damit wächst rapide die Zahl derjenigen, für die Kultur und Zivilisation an Bedeutung verlieren, weil sie für sich ohnehin keinerlei Möglichkeit sehen, daran teilzunehmen.

Gerechtigkeit schafft Frieden
Der Tag der Befreiung vor 60 Jahren erinnert uns an unsere Verantwortung vor der Geschichte: Sie heißt: Niemals wieder darf zugelassen werden, dass Faschismus und Krieg die Oberhand gewinnen.
Deshalb treten wir an diesem Tag ein:
  • Für ein gemeinsames und konsequentes Zurückweisen jeder neofaschistischen und rassistischen Politik. Parteien und Organisationen wie NPD, DVU, Nazi-kameradschaften und andere müssen endlich aufgelöst werden.
  • Für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit. Soziale Errungenschaften müssen bewahrt und ausgebaut werden.
  • Für demokratische Rechte und Freiheiten. Schluss mit der immer engmaschigeren Überwachung der Bürger und Bürgerinnen. Schluss mit der neu belebten Berufsverbotspraxis.
  • Für Abrüstung und Frieden. Ächtung und Verweigerung des Krieges. 60 Jahre nach der Befreiung schuldet unser Land der Welt keine Soldaten und keine Waffen, sondern Beiträge zu Frieden, solidarischer Zusammenarbeit und sozialer Gerechtigkeit.
Wir wollen beitragen zur Lösung der vielen ökologischen, ethnischen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme. Das kann nur mit nichtmilitärischen Mitteln gelingen:
Friedlich, demokratisch, solidarisch und sozial!

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