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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / Mai 2005



Ostermärsche 2005:

In der Tradition der Antifaschisten und Kriegsgegner

von Elke Günther

"Für ein Europa, das sich dem Krieg verweigert. Für eine Welt des Friedens und der Solidarität! Abrüstung statt Sozialabbau!" - Unter diesem Motto demonstrierten rund 1000 OstermarschiererInnen durch die Heilbronner Innensstadt zum Kiliansplatz. Weitere Ostermärsche fanden in Ellwangen, Ulm und Müllheim statt.

Der Raketenstationierungsort Heilbronn war vor 20 Jahren nur knapp einer Katastrophe entgangen. Am frühen Nachmittag des 11.1.985 hatte sich bei Montagearbeiten auf der US-Raketenbasis Waldheide in Heilbronn der erste Stufenmotor einer Pershing-II-Rakete entzündet und war ausgebrannt. Drei US-Soldaten kamen damals um Leben, 16 weitere erlitten teilweise schwere Verletzungen. Nur 250 Meter vom Unfallort entfernt befand sich die permanente Alarmstellung gefechtsbereiter US-Atomraketen. Durch den Brand hätte eine dieser atomwaffenbestückten Raketen so beschädigt werden können, daß Uran ausgetreten wäre - mit der Konsequenz der Vernichtung allen Lebens im Großraum Heilbronn. Pfarrer Reinhardt Seibert aus Sindelfingen erinnerte in seiner Rede an den vieltausendfachen Protest gegen die Stationierng der Pershing II-Erstschlagsraketen . Nach der Beinahe-Katastrophe hatte sich die Heilbronner Bevölkerung trotz aller Beschwichtigungsversuche nicht mehr ruhig stellen lassen. 30 000 Menschen hatten beim Ostermarsch 1985 das Raketengelände. Umzingelt. Nach dem Abschluß des INF-Vertrages zwischen der Sowjetunion und den USA im September 1988 wurden die Pershing II-Raketen von der Waldheide abgezogen. "Frieden und Gerechtigkeit haben dort eine Chance, wo Menschen sich weder für so genannte militärische Lösungen einspannen, noch sich zu Gegengewalt provozieren lassen", stellte Pfarrer Seibert fest, der am Schluß seiner Rede dazu aufrief, zum 60. Jahrestag des Atombombenabwurfs von Hiroshima und Nagasaki überall im Land im Rahmen der Aktion "Nacht der 100 000 Kerzen" der Opfer zu gedenken und die Vision "Atomwaffenfrei bis 2020" in die Öffentlichkeit zu tragen.
"Jede Waffe, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, da vom Stapel läuft, jede Rakete die abgefeuert wird bedeutet letztendlich einen Diebstahl an Denjenigen, die hungern und nicht versorgt werden, die frieren und keine Kleidung bekommen" zitierte der DGB-Regionsvorsitzende Heilbronn-Franken Bernhard Löffler den früheren US-Präsidenten Eisenhower. Von solchen Erkenntnissen sei der aktuelle Präsident der USA allerdings meilenweit entfernt kritisierte der Gewerkschafter. Während die Rüstungsausgaben der USA unter Präsident Bush beinahe das Nivau des kalten Kriegs erreicht haben, "sind 40 Mio. US-Bürger und Bürgerinnen ohne Krankenvesicherung. Insgeamt 2,1 Millionen US-Bürger sitzen hinter Gittern, weitere 4,4 Millionen sind nur auf bewährung in Freiheit. Damit halten die USA ihren Spitzenplatz in der Welt beim Anteil der Gefangenen an der Gesamtbevölkerung" machte Bernhard Löffler deutlich. Während die USA den Sozialkontrakt zugunsten riesiger Militäretats aufgegeben haben, übernehme das Militär jetzt schon Schulen in armen Wohngebieten. "dort herrscht militärische Ordnung und Disziplin, das Militär züchtet in den Schulen seine Rekruten heran. Knast oder Militär sind für viele die einzigen Alternativen." Das Geld, das die NATO-Staaten in nur in einer Woche für Rüstung ausgeben würde ausreichen, um alle Menschen weltweit, ein ganzes Jahr lang satt zu machen, stellte der Redner fest. "Welches Maß an Ungleichheit hält unsere Gesellschaft überhaupt noch aus?" fragte der Gewerkschafter, der zuvor darauf hingewiesen hatte, daß das Vermögen allein der 200 reichsten Menschen der Welt die Summe des Jahreseinkommens der ärmsten zweieinhalb Milliarden Menschen übersteigt. "So lange wie Armut und Elend, politische Unterdrückung und soziale Ausgrenzung das Alltagsleben der Menschen in vielen Ländern dieser Welt bestimmen, so lange werden Extremismus und Terrorismus ihren Nährboden behalten", warnte der DGB-Regionsvorsitzende, der eine Senkung der Rüstungsetats und faire Partnerschaftk mit anderen Völkern und Staaten forderte. "Was wir wollen ist keine Waffenbrüderschaft - sondern humane Solidarität!"
Anne Rieger, VVN-BdA Landessprecherin und auch Sprecherin des Bundesausschuss Friedensratschlag betonte, daß der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung, der Wiedergeburt der Menschheit, der Tag der Rettung der menschlichen Zivilisation gewesen sei. "Wir Friedensmarschierer stehen in der Tradition der Antifaschisten und KriegsgegnerInen. Wir übernehmen Verantwortung - Antikriegsverantwortung!"
Wer aus der Geschichte lernen wolle, dürfe nicht vergessen, daß Konzerne und Großbanken Jahr für Jahr an dem deutschen TerrorKrieg immense Summen verdient haben. Deshalb sei heute Wachsamkeit sei geboten, wenn "der Bundesverband der deutschen Industrie (BdI), dem Bundeskanzler ein Hundert-Seiten-Papier übergibt, in dem er sich in einem ganzen Kapitel mit dem Thema "Sicherheit durch Wehrfähigkeit" befasst. In diesem Papier mit dem Titel "Für ein attraktives Deutschland - Freiheit wagen - Fesseln sprengen" fordere der BdI eine "Budgetverstärkung der Verteidigungsetats" und die "Sozialausgaben .drastisch zu reduzieren." Deutlicher als der Industriellenverband habe bisher niemand die Aufrüstung auf Kosten des Sozialstaates gefordert. "Wir lehnen eine weitere Aussdehnung des Rüstungshaushalts ab, im Gegenteil, wir fordern drastische Kürzungen zugunsten von Arbeitslosen, Kranken, Rentnern" betonte die Anne Rieger."Wir brauchen keine neuen Waffensysteme, weder ein bodengestütztes Flugabwehrsystem MEADS für 12 Mrd. Euro noch 180 Eurofighter oder 60 Kriegstruppentransporter. Das alles sind Angriffswaffensysteme, an denen Groß-Konzerne verdienen wieder verdienen.".Die EU-Verfassung, in der die Aufrüstung Verfassungsrang erhält, mache deutlich, daß in der Zukunft noch weit höhere Rüstungsausgaben vorgesehen seien. Dies zeige auch der erst vor wenigen Tagen geänderte EU-Stabilitätspakt, bei dem bei der Berechnung der Defizit-Kriterien die Militärausgaben ausdrücklich ausgenommen sind. "Das Dogma des Sparens gilt offenbar nur für Sozialausgaben, nicht aber für Kriegsgerät und Rüstungsausgaben, schon gar nicht, wenn der BDI ruft" kritisierte die Rednerin, die dazu aufrief nicht abzuwarten, bis wieder Bomben fallen, sondern schon jetzt laut Alarm zu schlagen. "Alarm schlagen, nicht nur wegen des Iran und Irak." Ähnlich wie der DGB-Regionsvorsitzende Bernhard Löffler betonte auch Anne Rieger, daß die Herausforderungen unser Welt sind nicht militärischer Art sind, sondern die sich immer weiter vertiefende riesige Kluft zwischen Armut und unvorstellbarem Reichtum. Dadurch würden die die Menschen in allen Erdteilen bedroht und ebenso auch von der durch die Menschen verursachten ökologischen Schäden. "Wir Ostermarschierer rufen 60 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg dem Europakanzler zu:: Eine andere Welt ist möglich und nötig. Abrüsten Herr Bundeskanzler! Im eigenen Land beginnen!"
Zum Abschluß der Kundgebung griffen - wie schon zu Beginn der Kundgebung - die drei Musiker der Gruppe "Geyers schwarzer Haufe" in die Saiten, was einige OstermarschiererInnen zum mitsingen und tanzen animierte. Ein trotz der Regenschauereinlagen gelungener Ostermarsch ging zu Ende.

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