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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Oktober 2005



Gewerkschaftliche Gegenmacht gegen Neofaschismus und Rechtsentwicklung:

Sozialpolitische Kämpfe - Handlungsstrategie gegen Rechts

von Anne Rieger

"Arbeit für Millionen statt Profit für Millionäre" mit dieser Parole marschierten Neofaschisten am 1. Mai 2004 in Leipzig auf. Mit scheinbarer Kapitalismuskritik wollen sie Menschen auf ihre Seite ziehen.

Terrorisiert von den täglichen Meldungen, dass wieder ein Konzern Hunderten Beschäftigten kündigt bzw. Tausende Arbeitsplätze abbaut, vom Wissen um 9 Millionen fehlenden Arbeitsplätze und Millionen inhumanen Arbeitsverhältnisse wie ständigen Befristungen, Scheinselbständigkeit, Ich-Ags, Leiharbeit, 400-Euro-Jobs, Jobs auf Abruf, Arbeiten unter Tariflohn, geht die Forderung unter die Haut.
Aber die Parole ist - wie viele Parolen - verkürzt. Vorgetragen von Nazis wird sie zur blanken Demagogie.
Beschäftigte und Arbeitslose wollen nicht Arbeit um jeden Preis. Wir fordern ein "Recht auf Arbeit", wie es bereits die UNO 1948 in der "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" festgeschrieben hat, mit einem Recht auf: "gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit. Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen" (Artikel 23).

Arbeit für Millionen oder "Gute Arbeit"?
Wir brauchen humane, gesicherte, tariflich bezahlte Arbeit, die ein menschenwürdiges Auskommen ermöglicht, mit Arbeitsbedingungen, unter denen die Gesundheit ein Leben lang erhalten bleibt, also mit einer 35- oder 30-Stunden-Wochen, ohne Dauerstress und mit angewandten Umwelt- und Arbeitsschutzgesetzen. "Gute Arbeit" eben, wie die IG Metall fordert. Mit ihrer Initiative "Gute Arbeit" will sie
  • "erfolgreiche betriebliche Maßnahmen zur Stressprävention bekannt machen,
  • Aktionen gegen Arbeitszeitverlängerung auswerten und den Erfahrungsaustausch fördern,
  • gesundheitliche Aspekte in die betrieblichen Auseinandersetzungen um Arbeitszeitverlängerung und -flexiblisierung einbringen,
  • die neuen Instrumente des Arbeitsschutzgesetzes zur Anwendung bringen,
  • die Umsetzung der Arbeit alternsgerecht und lernförderlich gestalten,
  • prekäre Beschäftigung eindämmen - Belastungen und Risiken verringern"
    Immer mehr Menschen arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen, als Leiharbeiter oder befristet Beschäftigte. Durch die Ausweitung von prekären Beschäftigungsverhältnissen wächst auch der Druck auf die Stammbelegschaften. Die Initiative "Gute Arbeit" der IG Metall will für die Risiken prekärer Beschäftigung und den daraus entstehenden Regulierungsbedarf sensibilisieren." Ein weiteres Ziel besteht darin, Abwehrstrategien und Handlungsansätze im Betrieb zu entwickeln. Die IG Metall will humane Arbeit, kein leicht durchzusetzendes Ziel. Es erfordert soziale Kämpfe mit gewerkschaftlicher Gegenmacht.
    "Arbeit für Millionen" dagegen im Niedriglohnbereich, befristet, in Leiharbeit, das wollen Konzernchefs schon lange. Schon 1999 forderte der damalige Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) Hans-Peter Stihl: "Ich halte es für dringend erforderlich, dass in Deutschland ein Niedriglohnbereich eingeführt wird. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, legte nach und erklärte, bei niedrigen Löhnen für einfache Tätigkeiten könnten erhebliche Beschäftigungspotentiale erschlossen werden. Bodo Hombach, zu jener Zeit Kanzleramtsminister, machte ein Potential von 3,4 Millionen Arbeitplätzen im Niedriglohnbereich aus.
    "Arbeit für Millionen" wurden dadurch nicht geschaffen, aber im April 2005 gab es durch Hartz IV zusätzlich 121 000 Ein-Euro-Jobs und Wirtschaftsminister Clement träumt von 600 000 solcher Arbeitsverpflichtungen in 2005. Die nach wie vor drohende europäische Dienstleistungsrichtlinie wird ebenfalls zu Millionen zusätzlichen Billig-Jobs führen, ebenso wie das fehlende Mindestlohngesetz.

    Hinter die Parolen schauen
    Es ist von zentraler Bedeutung, hinter die Parolen der Neofaschisten zu schauen, mit denen sie antreten und angeblich zu sozialen Kämpfen aufrufen. Neofaschisten sind spezialisiert auf einfache, platte Parolen wie "Arbeit für Millionen". Scheinbar geben sie den Aufschrei der geschundenen Arbeitslosen und derjenigen, die Furcht vor der Arbeitslosigkeit haben, wieder. Aber die Parole geht am Kern des Problems vorbei. Die Randbedingungen - wie die Arbeit gestaltet und bezahlt sein soll - werden bewusst ausgeblendet. So wird eine Parole konstruiert - unscharf, ohne Gegner oder Adressaten - die gleichzeitig die Forderungen der Konzernherren wiedergibt.
    Mit der Parole "Arbeit für Millionen statt Profit für Millionäre" wird ein weiterer Zusammenhang unterschlagen "Arbeit für Millionen" bedeutet unter kapitalistischen Bedingungen, Profite für Millionäre, denn sie schöpfen den Mehrwert ab - immer. Bei 1-Euro-Jobs sind es horrende Summen, bei tariflich bezahlter Arbeit ist der Profit durch die Gewerkschaftskämpfe beschnitten, aber es gibt ihn. Die Neofaschisten lügen, wenn sie einen Gegensatz aufmachen, zwischen "Arbeit für Millionen" statt "Profit für Millionäre". Eine seriöse Ursachenanalyse der Massenarbeitslosigkeit bleibt bei ihnen außen vor. Im Gegenteil, der Tatbestand, dass Unternehmer durch jede Arbeit der Beschäftigten Profite machen, wird verschleiert.

    Aufklärung
    Aufgabe der Gewerkschaften ist es, aufzuklären über den demagogischen Charakter der scheinbar fortschritttlichen Parolen der Neofaschisten. Aufklären statt verschleiern ist zentrale Voraussetzung für zielgerichtete soziale Auseinandersetzungen. Die Gewerkschaften stellen sich dieser Aufgabe. In ihrem Flyer "Gegen den Sozialabbau - gegen Nazis - Argumente gegen soziale Demagogie von Rechts" analysiert die IG Metall u.a. die Neofaschisten-Parole "Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn". "Rechtsextremisten nutzen die populäre Ablehnung der Globalisierung, um" ihr "rechtsextremes Weltbild" zu verbreiten, indem "das Ausland ein Gegner" ist, der nur ein Interesse hat, "das deutsche Volk zu unterdrücken". IG Metall- und DGB-Jugend analysieren gemeinsam mit der Antifaschistischen Aktion in ihrer Broschüre "Alles Lüge - Faschisten machen auf Sozial", dass die Neofaschisten die "'Volksgemeinschaft' als scheinbaren Gegensatz der kapitalistischen Ausbeutung gegenüber" stellen. Außerdem seien in sämtliche Forderungen die Verbesserung der Situation der Nicht-deutschen nicht mit einbezogen wird. "Eine Reaktion auf die nationalistischen und rassistischen Phantasien der Nazis kann nur in der konsequenten Solidarisierung mit z.B. MigrantInnen liegen sowie dem Kampf nach der weltweiten Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen. Im Kampf gegen die kapitalistische Verwertungslogik ist nur das solidarische miteinander unabhängig von Hautfarbe, Herkunft und Geschlecht aussichtsreich."

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