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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Oktober 2005



Nazis in Baden-Württemberg:

Verstärkte Aktivitäten

von Janka Kluge / AH

In den letzten Monaten waren faschistischer Gruppen und Personen in Baden-Württemberg, wie überall in Deutschland, verstärkt aktiv. Neben den zu erwartenden Infoständen der NPD im Vorfeld der Wahl und den mittlerweile (bundesweit) fast wöchentlich stattfindenden Naziaufmärschen, geben in letzter Zeit vor allem eine ganze Serie brutaler Angriffe gegen vermeintliche und tatsächliche AntifaschistInnen und Linke Anlass zur Sorge. So wurde im Juli eine Kundgebung einiger antifaschistischer Jugendlicher in Pforzheim, die sich gegen eine Veranstaltung mit dem NPD-Landesvorsitzenden Günther Deckert richtete, von einem Nazi-Mob angegriffen. Dabei wurde übrigens ein Antifaschist der sich zur Wehr setzte von der Polizei festgenommen und der Rest der Kundgebung eingekesselt, während die Angreifer ohne Personalienfeststellung wegeskortiert wurden.

Ditzingen
Ein Schwerpunkt faschistischer Gewalt war in letzter Zeit die Gegend um Ditzingen bei Stuttgart wo in den letzen Monaten regelmäßig linke Jugendliche und MigrantInnen Opfer teils brutaler Attacken wurden. So trägt eine junge Punkerin wahrscheinlich bleibende Schäden davon, ein türkischer Arbeiter der von zehn Nazi-Skins zusammengeschlagen wurde hatte hingegegen wohl nocheinmal "Glück" gehabt. Höhepunkt war ein Nazi-Angriff auf eine Gruppe kurdischer Jugendlicher, der für die Angreifer im Krankenhaus und für die eigentlichen Opfer allerdings in U-Haft endete.

NPD im Wahlkampf
Beflügelt durch die Erfolge bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg hatte sich die NPD für die Bundestagswahlen einiges vorgenommen. In Baden-Württemberg wurde die anfängliche Freude über die Nichtzulassung der NPD schnell durch einen Gerichtsentscheid gedämpft, der den Faschisten die Teilnahme an den Wahlen trotz Formfehlern ermöglichte. Vor allem mittels Infoständen und Flugblattaktionen versuchten sie ihre menschenverachtende Propaganda zu verbreiten. Meist blieben sie dabei ungestört, wurden allerdings auch wie z.B. in Heilbronn am 13. August geschehen von entschlossenen AntifaschistInnen effektiv angegangen. Das Wahl-Ergebnis von landesweit 1,6% der Erststimmen (über 92.000) ist jedoch zumindest erschreckend. Eine wahrscheinlich kleinere Rolle beim Zustandekommen dieses Ergebnisses, spielte die Verteilung der sog. "Schulhof-CD", die in einer legalen NPD Variante neu erschienen war. Um die zweitausend Exemplare wurden aber nach Angaben der Nazis vor Schulen, Schwimmbädern, Kinos und Ähnlichem verteilt und in Briefkästen geworfen. Nicht nur die NPD auch die freien Kameradschaften, von denen das Konzept der "Schulhof-CD" ursprünglich stammt, versuchen in letzter Zeit vermehrt unter Jugendlichen zu agitieren. Von deren Version wurden ca. 700 Exemplare in Stuttgart, Ulm und Friedrichshafen beschlagnahmt.

Aufmärsche
Neben Infoständen usw. waren die Nazis in den letzten Monaten leider auch wieder mit einigen Aufmärschen in Ba/Wü auf der Straße präsent. In Heilbronn sowie in Heidenheim führten sie jeweils zwei Demonstrationen durch, wobei zumindest in Heidenheim die erste aufgrund massiver Proteste verhindert werden konnte und die zweite beinahe wegen der Gefahrenlage von der Polizei abgebrochen wurde.
Für den 8. Oktober hat ein sogenannter "Freier Widerstand Süddeutschland" einen Aufmarsch in Friedrichshafen angekündigt.
Zunächst für den 29. Oktober, jetzt neu für den 26. November hat der BDVG (Bewegung deutsche Volksgemeinschaft) Mann Lars Käppler, der auch in Heilbronn als Anmelder fungierte und dort für die NPD kandidierte, angekündigt seine unsägliche Aufmarschserie in Schwäbisch-Hall fortzusetzen.
Für den 3. Dezember hat der "Kameradschaftsführer" Worch Naziaufmärsche in Karlsruhe und Rastatt abgemeldet.
Natürlich werden für alle genannten Aufmärsche auch antifaschistische Geggenaktionen vorbereitet. Bleibt nur zu hoffen, dass wir AntifaschistInnen an frühere Erfolge anknüpfen können und es schaffen den Nazis klarzumachen, dass sie weder dort noch sonst irgendwo ein Bein auf den Boden bekommen werden. (AH)

Heilbronn: Neues Schwerpunktgebiet der Nazis?
Seit einem Jahr wird die Stadt Heilbronn in rechten Kreisen in höchsten Tönen genannt. Als Begründung dient das vor einem Jahr gegründete "Nationale Bündnis Heilbronn", kurz NB genannt. Dresden war die erste Stadt, in der es Alt und Jungnazis gelungen war, das jahrzehntelange Gegeneinander zu überwinden und gemeinsame Wahlabsprachen zu treffen und zusammen zu Veranstaltungen einzuladen. Der Erfolg der NPD bei der Landtagswahl in Sachsen war ein Ergebnis dieser neuen Zusammenarbeit. Auf der Internetseite des NB wird auf die Entwicklung in Dresden positiv Bezug genommen. Ziel des Vereins soll es sein, gemeinsame Veranstaltungen durchzuführen, die aber trotzdem noch unter dem jeweiligen Gruppennamen stattfinden. Die Liste der Parteien und Gruppen, die sich zu diesem Vorgehen zusammengeschlossen haben, umfasst beinahe das gesamte rechte Spektrum. Neben der NPD und ihrer Jugendorganisation JN gehören die DVU, die Deutsche Partei (DP) und die Freiheitliche Initiative sowie einige ehemaligen Republikaner dazu. Kontakte gibt es auch zu den Freien Kameradschaften und zur Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft (BDVG), die durch ihre regelmäßigen Aufmärsche in Schwäbisch Hall von sich reden macht. Ziel dieser Strategie ist es, aus Schwäbisch Hall ein zweites Leipzig zu machen. In einigen Leipziger Stadtteilen wird das Straßenbild mittlerweile so von Nazis dominiert, daß sich AusländerInnen und Linke kaum noch in die Viertel trauen. In der Nazisprache heißt so eine Straße oder ein Stadtteil "national befreite Zone". solche unerträglichen Zustände gibt es nicht nur in Leipzig, sondern auch in anderen Städten und Landkreisen in den neuen Bundesländern. Nun wollen die Nazis aus Schwäbisch Hall und Heilbronn "befreite Zonen" machen. In Heilbronn haben - im Gegensatz zu Schwäbisch Hall - einen Unterbau aus verschiedenen Parteien, die immer wieder zu Veranstaltungen einladen. Einer der ersten, die nach Heilbronn zu solcher einer Veranstaltung des NB gekommen sind, war Pierre Krebs. Er ist Gründer des Thule-Seminars, einem neurechten Denkzirkel, in dem versucht wird mit philosopischen Argumenten Rassismus und Nationalismus zu verbreiten. Obwohl es in den letzten Jahren etwas ruhiger um das Thule-Seminar geworden ist, hat Pierre Krebs vor mehr als 100 ZuhörerInnen in Heilbronn referiert. Ein anderer, der auf Einladung des Nationalen Bündnisses nach Heilbronn gekommen ist, war der Liedermacher Frank Rennicke. Er tritt mit seiner Gitarre überall auf, wo sich Nazis treffen. Inzwischen formiert sich Widertand gegen die immer offener auftretende rechtsradikale Szene in Heilbronn. Als Antifaschisten im Juni eine Demonstration gegen eine seit Jahren stattfindende Sonnwendfeier angekündigt hatten, haben auch Nazis aus der BDVG zu einer Protstdemonstration nach Heilbronn aufgerufen. Die Botschaft war klar: Wir werden keine Störung der Sonnwendfeier zulassen. Wir müssen sowohl Heilbronn als auch Schwäbisch Hall in unserem Blick behalten, damit dort die Saat, die heute von den Nazis gesät wird, nicht aufgeht.

Schulhof CD der NPD: Neofaschistischer Propagandafeldzug
Seit langem spielt Musik für Neonazis eine wichtige Rolle, wenn sie Jugendliche ansprechen wollen. Konzerte sind fest eingeplanter Bestandteil einer rechten Erlebniskultur. 2004 hatten Nazis aus dem Umfeld der Freien Kameradschaften angekündigt, daß sie eine Gratis-CD vor Schulen und Jugendtreffs verteilen wollen. Die CD mit dem Titel "Anpassung ist Feigheit. Lieder aus dem Untergrund" soll angeblich mit einer Auflage von 50 000 Exemplaren gepreßt worden sein. Auf der CD waren 19 bekannte Bands aus Deutschland und dem Ausland versammelt. Die Musikstile umfaßten das gesamte Spektrum an rechter Musik. Neben Rockballaden gab es Rock against Communism, Hate Core und Black Metal. Neben der Musik gab es aber auch Dateien auf der CD, durch die man Kontakte zu über 50 neonazistischen Organisationen, Freien Kameradschaften und Händlern bekommen konnte, die die entsprechenden CDs im Sortiment führen. Der Musik war eine Ansprach vorangestellt, in der es u.a. hieß: "Unsere heutigen Schulen sind schon längst ein Sammelbecken für junge Schwerkriminelle geworden - meist ausländische Banden haben hier das Sdagen (...) Wir sind keine Ausländerfeinde! Wir lieben das Fremde - in der Fremde". Die auf der CD versammelten Lieder waren nach Meinung der Naumburger Generalstaatsanwaltschaft zum Tei gewaltverherrlichend und schwer jugendgefährdend. Deshalb hat die Generalstaatsanwaltschaft auch einen bundesweiten Beschlagnahmebeschluß erwirkt, der am 4. August 2004 vom Amtsgericht Halle beantragt wurde. Bei mehreren Hausdurchsuchungen wurden zwar tausende der CDs bechlagnahmt. Da bei einer der Hausdurchsuchungen auch ein Lieferschein über 50 000 CDs gefunden wurde, muß davon ausgegangen werden, daß die meisten der dieser CDs noch irgendwo versteckt lagern. Die Neonazist versuchen die CDs nach und nach an ihre Kameraden und Anhänger zu bringen. Erst vor wenigen Wochen konnte die Polizei in Stuttgart-Zuffenhausen mehrere Kartons davon beschlagnahmen.
Die NPD in Sachsen fand die Aktion der Freien Kameradschaften so gut, daß sie zur Landtagswahl gleich eine eigene CD produzierte. Im Gegensatz zu ihren Vorbildern achtete die NPD allerdings strikt darauf, daß keines der Lieder gegen Gesetze verstößt. Die Partei ließ in den letzten Wochen des Wahlkampfs über 50 000 Exemplare dieser CD verteilen. Dieselbe CD wurde dann noch einmal bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein eingesetzt. Für die Parteispitze der NPD war die kostenlose Verteilaktion so ein Erfolg, daß sie dieses Mittel auch bei der Bundestagswahl einsetzte. Obwohl mehrere Kultusministerien der NPD verboten, die CDs auf dem Schulgelände zu verteilen und couragierte LehrerInnen teilweise gegen Verteiler vorgegangen sind, konnte die NPD tausende von ihnen verteilen. Hier in Baden-Württemberg fand die Verteilung auch vor Freibädern oder vor Berufschulen statt. Aber auch hier stieß die NPD-Werbeaktion auf Widerspruch: Die DGB Jugend Region Stuttgart rief unter dem Motto "Hau weg den braunen Scheiß und gewinn einen MP3-Player" dazu auf, die NPD-CD bei der Jugend- und Auszubildendenvertretungen abzugeben. Stadtjugendring, katholische und evanglische Jugendorganisationen stellten Müllsammelcontainer für die Schulhof-CD auf. Ob es der NPD tatsächlich gelungen ist, wie angekündigt 200 000 CDs zu verteilen, bleibt offen.

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