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Nummer 1 / Januar 2006



Nach 16 Jahren:

Das Gedenken an die Deserteure hat in Ulm einen Platz

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Das Ulmer Deserteur-Denkmal hat endlich einen würdigen Platz gefunden. Zwar nicht als Denk-Mal in der Stadtmitte, wie von vielen Bürgerinnen und Bürger gefordert, sondern im Lehrertal, fast genau gegenüber der ehemaligen Erschiessungssstätte der Nazi-Wehrmacht. Am 19. November fand die öffentliche Einweihung des Deserteur-Denkmals statt.

Kurz zur Geschichte: Schon über 20 Jahre ist es her, dass die Idee entstand, der Deserteure des 2.Weltkrieges zu gedenken. Die Bildhauerin Hannah Stütz-Menzel verwirklichte diese Idee und schuf 1989 ein Denkmal - das Ulmer Deserteurdenkmal. Am 28. Juli 1989 wurde es auf bundes- und städtischem Grund in Ulm aufgestellt. Das war zuviel für Bundesfinanzminister Waigel und den Ulmer Stadtrat. Das Denkmal musste abgebaut werden und fand politisches Asyl im Garten von Privatleuten in Neu-Ulm. Aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung von Faschismus und Krieg wurde das Thema Ulmer Deserteursdenkmal erneut aufgegriffen. Der Gemeinderat der Grünen beantragte die Aufstellung des Denkmals an einem öffentlichen Platz. Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD) und die Gemeinderatsmehrheit lehnten es jedoch erneut ab, dem Denkmal einen öffentlichen Platz zuzuweisen. Doch das Thema Deserteursdenkmal erwies sich als ungewöhnlich zählebig. Es war aus der örtlichen, der überregionalen Presse nicht mehr wegzuschreiben und fand sogar in den internationalen Medien Beachtung. Die Süddeutsche Zeitung griff das Thema auf, das ZDF-Magazin berichtete darüber. Die New York Times widmete dem Ulmer Deserteuersdenkmal einen halbseitigen Beitrag. Beim Ostermarsch in Ulm brachten es vor allem junge Menschen in die Diskussion. Am 8. Mai wurde im Rahmen des Befreiungsfests rund um die KZ Gedenkstätte Oberer Kuhberg eine Ausstellung unter dem Motto "Das Schweigen brechen - den Deserteuren gedenken" eröffnet. Die Gestaltung dieser Ausstellung war das Werk der VVN-BdA Ulm und der Gruppe Jugend für den Frieden Ulm. Schließlich wurde nicht zuletzt Dank des Engagements des Grünen-Stadtrats Markus Kienle eine Lösung gefunden, der auch OB Gönner zustimmte. Allen Widerständen zum Trotz hat das eindrucksvolle Ulmer Deserteursmahnmal jetzt einen Platz in der alten und neuen Militär- und Soldatenstadt Ulm. So wurde der 19. November, der Tag der Übergabe des Deserteursdenkmals zu einem Tag der Freude und Genugtuung für alle, die so lange ausdauernd und zäh an dem Projekt festgehalten haben. Manfred Eger, Sprecher der VVN-BdA Ulm, zeigte anhand der Geschichte der Hinrichtungsstätten im Ulmer Lehrertal die Verbrechen der Nazi-Wehrmacht auf. "Die langjährige Tradition der Festungs- und Garnisonsstadt hat die Wirtschaft, das Stadtbild und die Gesellschaft in starkem Maße geprägt. In der Zeit des Faschismus wurde mit der Nazipropaganda mit den "Tugenden" von Befehlsgehorsam, Tapferkeit und Todesverachtung auf besondere Höhen getrieben. Die Militarisierung des gesamten Lebens war überall" betonte Manfred Eger. Er ging dabei auch auf die Geschichte des Ulmer Militärgefängnisses ein. In das schon im Kaiserreich eingerichtete Garnisons-Arresthaus wurden bereits 1933 Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Antifaschisten eingesperrt, bevor sie in das KZ Oberer Kuhberg kamen. Dieses Militärgefängnis war dann auch der Ort, wo Deserteure, Kriegsdienstverweigerer eingesperrt waren, bevor die zum Tode Verurteilten dann zu den Schießständen ins Lehrertal geführt und dort erschossen wurden. "Hier, nur wenige Meter entfernt, standen die Erschiessungsanlagen - ich persönlich weiß das noch gut - wie sicher viele Ulmerinnen und Ulmer es wussten - hier waren die Tötungsstätten, die noch lange Jahre von der Straße her sichtbar waren. Kein Schild, keine Tafel wurden jemals aufgestellt zur Mahnung oder zur Erinnerung an die hingemordeten Menschen - verurteilt im Namen des deutschen Volkes und ihres Führers. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Ulm ließen einfach diesen Schandfleck deutscher Geschichte für den Botanischen Garten der Uni Ulm dem Erdboden gleich machen" sagte Manfred Eger. "Als Deserteur gehört jeder immer noch - oder schon wieder -zu den Ausgestossenen und Ausgegrenzten dieser "demokratischen und christlichen Gesellschaft in Ulm und in der Bundesrepublik" schilderte der Redner das Schicksal der wenigen überlebenden Deserteure. Über 30 000 Deserteure waren es, die in Deutschland bis Kriegsende 1945 zum Tod verurteilt wurden. 20 000 Todesurteile wurden vollstreckt, von den in Straflager gebrachten Deserteuren überlebten weniger als 4000. Keiner der Wehrmachtsjuristen, die an den Todesurteilen mitgewirkt hatten, wurden in der Bundesrepublik je zur Verantwortung gezogen. Im Gegenteil: Einer von ihnen, der "furchtbare Jurist" Filbinger, der als Anklagevertreter der Marine noch kurz vor Kriegsende einen jungen Matrosen wegen "Desertionsabsichten" in den Tod geschickt hatte, wurde Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Manfred Eger forderte die Stadt Ulm dazu auf, sich an der Aufklärung der Verbrechen der Erschiessungen im Lehrertal - "einem Schandfleck deutscher und Ulmer Geschichte" zu beteiligen und schlug vor, eine Dokumentation zu erstellen, in der das vorhandene Wissen über die Hinrichtungsstätte, die Militärgerichte, ihre Opfer und die Angehörigen der Hingerichteten gesammelt, zusammengestellt und ausgewertet wird. "Wir, die Mitglieder der VVN-BdA in Ulm sind dazu bereit" betonte der VVN-BdA Sprecher.

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