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Nummer 2 / Mai 2006



27. Januar - UNO Gedenktag für die Opfer des Faschismus

Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus in Laupheim

Reinhard Hildebrandt

Zum ersten Mal wurde der bisherige deutsche Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz in diesem Jahr als weltweiter Tag der Mahnung begangen. Die UNO hatte ihn kurz zuvor zum weltweiten Holocaust-Gedenktag erklärt.

Über 700 Menschen gedachten am 27. Januar 2006 in einer bewegenden Feier in Laupheim der Opfer des Nationalsozialismus. Bei der Gedenkfeier des Landtags von Baden-Württemberg sprachen Barbara Traub vom Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs und Landtagspräsident Peter Straub. Nach einer Kranzniederlegung an der Gedenktafel des Jüdischen Friedhofes und der anschließenden Gedenkfeier im Kulturhaus des Schlosses Großlaupheim, bei welcher die Stadtkapelle Laupheim, sowie Schülerinnen und Schüler des Carl-Lämmle-Gymnasiums und der Bischof-Ulrich-Schule das Programm umrahmten, hatten die Gäste Gelegenheit, das Museum zur Geschichte von Christen und Juden zu besuchen. Laupheim beheimatete einst die größte jüdische Gemeinde des Königsreichs Württemberg. Die Nachbarschaft von Christen und Juden prägte das Leben der Stadt 200 Jahre lang. Das Museum dokumentiert diese Beziehungsgeschichte vom 18. Jh. bis heute. Der Faschismus zerstörte die christlich-jüdische Koexistenz. Die Verfolgung der Juden setzte sofort nach der Machtübernahme der NSDAP ein. Ein Teil der Laupheimer Juden rettete sich in die Emigration, über 100 wurden deportiert und ermordet.
Reges Interesse fanden auch die Ausstellungen der Opfergruppen. Der Verband der Sinti und Roma und die Zeugen Jehovas informierten über Verfolgung und Widerstand während der Nazidiktatur, die VVN-BdA war mit einem Büchertisch vertreten.
Die Bürgermeisterin der Stadt Laupheim, Monika Sitter, begrüßte die zahlreich erschienenen prominenten Gäste und die Vertreter der Opfergruppen. Sie nannte viele Beispiele, wie die Stadt die Vergangenheit aufgearbeitet hat. Das Gymnasium wurde benannt nach Carl Laemmle, einem ehemaligen jüdischen Mitbürger, der die bekannte Filmstadt Hollywood mitbegründet hat. Carl Laemmle ist 1939 in Amerika als Ehrenbürger der Stadt Laupheim gestorben.
Barbara Traub, Vorstandsprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, sprach in ihrer Rede besonders die junge Generation an: "Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler seid in eine andere Zeit geboren und wachst in einem demokratischen Staat Westeuropas auf, der die Achtung der Menschenwürde, der Religionen und Nationen in seiner Verfassung festgeschrieben hat. Aber diese Werte, die ein hohes Gut sind, sind nicht selbstverständlich. Wir müssen sie bewahren, stärken und gegen jede Form inhumaner, rassistischer, antidemokratischer und antisemitischer Ideologien und Fanatismen verteidigen. Wir alle müssen heute den Mut aufbringen, gegen Ausgrenzung, Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus aufzutreten, damit wir auch morgen eine Gesellschaft der Toleranz und der Achtung des Anderen aufrechterhalten können."
Landtagspräsident Peter Straub (CDU) rief die Bevölkerung dazu auf, im Alltag gegen Intoleranz, Antisemitismus und Gewalt-Philosophien vorzugehen. "Es gibt ein radikales Denken, das zerstörend wirkt", so Straub wörtlich. Zur Radikalisierung trage auch die unsichere, wirtschaftliche Lage vieler Menschen bei: "Wer sich abserviert und im Stich gelassen fühlt, wird empfänglich für extremistische Ideologien und blanken Hass" sagte Straub und weiter: "Es geht darum, Resistenz zu erzeugen, Resistenz gegen sämtliche Protagonisten einfacher Lösungen, gegen braune Dumpfbacken, gegen jene nun fein gewandeten Biedermänner, die alte Klischees bedienen oder neue produzieren. Und es geht darum, Zivilcourage zu wecken." Einige Zuhörer erlebten den Widerspruch zwischen diesen richtigen Forderungen und der politischen Praxis. Sie mögen an den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkoczy gedacht haben, der wegen seines engagierten Antifaschismus Berufsverbot erhielt, oder an die Verfolgung junger Antifaschisten durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart.
Beeindruckend war der szenische Beitrag "Die Nacht" von Schülerinnen und Schülern des Carl-Laemmle-Gymnasiums Laupheim: Befehl zur Deportation: jüdische Frauen packen ihren Koffer, Kennzeichnung der Kleidung mit dem gelben Stern, Transport ins Ungewisse, in den Tod. Der Gedenktag in Laupheim war die zehnte zentrale Gedenkfeier für das Land Baden-Württemberg.

10 Jahre Holocaust-Gedenktag

Am 3. Januar 1996 hat Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog den 27. Januar zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erklärt. Seither hat der Landtag von Baden-Württemberg jeweils am 27. Januar die zentrale Gedenkfeier für das Land Baden-Württemberg veranstaltet:
  • 1996 Stuttgart - Mahnmal beim Alten Schloss
  • 1997 Stuttgart - Landtag und Mahnmal beim Alten Schloss
  • 1998 Stuttgart - Landtag und Mahnmal beim Alten Schloss
  • 1999 Stuttgart - Mahnmal beim Alten Schloss
  • 2000 Grafeneck - Gedenkstätte für die Opfer der NS-"Euthanasie"
  • 2001 Mannheim - Jüdischer Friedhof und Jüdisches Gemeindezentrum
  • 2002 Haslach im Kinzigtal - KZ-Gedenkstätte Vulkan
  • 2003 Ulm - Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg
  • 2004 Stuttgart - Mahnmal beim Alten Schloss und Landtag
  • 2005 Heidelberg - Palais Prinz Carl - Dokumentations- und Kulturzentrum Deutsche Sinti und Roma


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