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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Dezember 2006



Zweierlei Hakenkreuze:

Antifaschisten hängt man, die Mörder lässt man laufen

Dieter Lachenmayer

Was als Provinzposse begann, ist nun zum veritablen Justizskandal geworden. Das Landgericht Stuttgart hat das Kunststück fertig gebracht, das Bekenntnis zum Grundgesetz unter Strafe zu stellen.

Am 29. September verurteilte das Landgericht Stuttgart den Geschäftsführer des Nix-Gut-Versandes im Rems Murr Kreis, Jürgen Kamm, wegen des Vertriebes von Artikeln mit durchgestrichenen oder zerstörten Hakenkreuzen.

Bekenntnis zum Grundgesetz strafbar?
Nicht nur aus Artikel 139 des Grundgesetzes, der die Gültigkeit der entsprechenden alliierten Nachkriegsgesetze zur Befreiung von Faschismus und Militarismus bestätigt, sondern aus dem gesamten Geist der demokratischen Grundrechte, wie z.B. auch des Diskrimierungsverbotes und des Verbots eines Angriffkrieges geht die eindeutige Verpflichtung zur Bekämpfung faschistischer Ideologie und Praxis hervor.
Das Landgericht Stuttgart stellte nun den Inhalt des Grundgesetzes und das gesamte Rechtstaatsprinzip auf den Kopf. Aus einer Strafrechtsbestimmung, die faschistische Propaganda verhindern soll machte es ein Verbot antifaschistischer Betätigung.

Staatsanwalt in politischer Mission
Drahtzieher bei dieser Groteske ist ein gewisser Oberstaatsanwalt Häußler, Leiter der Hauptabteilung I der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die zuständig ist für "Staatsschutzsachen, Verfahren gegen Abgeordnete und Beamte, NS-Verbrechen, Brandstiftungen, Geiselnahmen, Kapitaldelikte, Fälle der Korruption sowie Verkehrsdelikte ...". Mit großem Eifer verfolgt dieser Oberstaatsanwalt seit etwa Ende letzten Jahres die Trägerinnen und Träger von antifaschistisch verfremdet und verwendeten Hakenkreuzen. Wie ernst er diese Sache nimmt, haben wir in den letzten Ausgaben der Antifa Nachrichten ausführlich berichtet. Zwar nimmt er keine jugendlichen Nazi-Gegner von der Strafverfolgung aus, bei bekannteren und größeren Organisationen drückt er allerdings schon mal ein Auge zu.
So bescheinigte er der Weltfussballvereinigung FIFA "sozialadäquates Verhalten" und damit Straffreiheit, obwohl sie genau das gleiche Symbol in ihrem "Fan-Guide" zur Weltmeisterschaft verwendete, das dem Nix-Gut-Geschäftsführer zum Verhängnis wurde.
Auch lässt OstA Häußler gerne Jugendlichen ihre Anstecker abnehmen, die Hersteller und Herausgeber der Abzeichen, wie z.B. die Gewerkschaften ver.di oder IG Metall aber auch die VVN-BdA ließ er bisher unbehelligt.
Das zeigt: Herr Oberstaatsanwalt handelt nicht aus blindem Eifer, sondern mit taktischem Kalkül. Nicht ein abstraktes Rechtsprinzip plagt ihn wie einst Michael Kohlhaas, sondern der Mann hat eine politische Mission: Die lästigen Antifas sollen eingeschüchtert, Antifaschismus als gesellschaftliches Engagement soll delegitimiert und kriminalisiert werden.

Hexeneinmaleins
Dabei steht er nicht allein. Die Richter am Oberlandesgericht, und schließlich auch jene am Landgericht, die noch im April die Klageerhebung abgelehnt hatten, sind ihm allzu willige Helfer.
In Nullkommanix die eigene Meinung und ein Gesetz ins Gegenteil zu verdrehen, scheint weiterhin zum Hexeneinmaleins der Deutschen Justiz zu gehören. Taktisches Kalkül und eine politische Mission darf deshalb wohl auch bei seinem Verhalten im zweiten großen Aufgabenbereich vermutet werden, in dem sich der Herr Staatsanwalt mit Hakenkreuzsachen beschäftigt.

Massenmord - wo sind die Mörder?
OstA Häußler ist nämlich auch zuständig für die Verfolgung von NS-Verbrechen. So ermittelt er seit 4 Jahren gegen die Angehörigen der Waffen-SS, die 1944 560 Frauen, Kinder und Greise im toscanische Bergdorf Sant'Anna di Stazzema ermordeten.
Zwar hat ein italienisches Gericht, die Täter, von denen zwei in Baden-Württemberg leben, bereits 2005 und mittlerweile rechtskräftig verurteilt, aber leider bleibt dies ohne Folgen, da sie nicht nach Italien überstellt werden, solange sie nicht auch hier angeklagt und verurteilt werden.
Aber im Gegensatz zur Sache mit den Hakenkreuzen, kommt Herr Häußler in der Sache mit den Morden nicht voran.
Es liegt natürlich nicht an ihm, sondern am deutschen Rechtssystem: Während man in Italien nur beweisen muß, dass ein Mord ein Mord war, muss in Deutschland jedem einzelnen Täter individuell ein Mordmerkmal nachgewiesen werden. Haben die Täter nun aus "niedrigen Beweggründen" und "heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken" gehandelt oder einfach nur so?
Ein solcher Nachweis dauert und dauert. Ist das Befolgen eines rassistischen Mordbefehls ein niedriger oder ein gehobener Beweggrund? Sind eine Maschinengewehrsalve oder das Anzünden von Häusern nun gemeingefährlich oder nicht?
Herr Staatsanwalt Häußler kommt da einfach nicht weiter. Er ermittelt und ermittelt und wenn die Täter nicht gestorben sind, ermittelt er immer weiter.
Nein, es fehlt ihm in dieser Sache nicht am selben Eifer wie in der anderen, bloß das Hexeneinmaleins der deutschen Justiz funktioniert bei ausgewiesenen Nazis andersherum als bei Antifaschisten. Jedenfalls so lange Juristen wie Oberstaatsanwalt Häußler dafür zuständig bleiben.



Aber bitte nur Dienstag und Donnerstag:

Selbstanzeige - Strafverfolgung für alle!

Am 29. November haben sich der baden-württembergische DGB-Vorsitzende Rainer Bliesener und seine Stellvertreterin Leni Breymaier sowie der VVN-BdA Geschäftsführer Dieter Lachenmayer der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gestellt. Nachdem die Staatsanwaltschaft von sich aus bereits gegen DGB-Chef Sommer ein Ermittlungsverfahren angestrengt hatte, zeigten sie sich nun selber an, wegen "Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen", wie das Tragen von antifaschistischen Abzeichen in Stuttgart seit neuestem heißt.
Pardon - sie wollten sich anzeigen. Leider war es aber Mittwoch und Selbstanzeigen nimmt die Staatsanwaltschaft Stuttgart (wegen eines Krankheitsfalles) nur dienstags und donnerstags entgegen. Wir wünschen gute Besserung schlagen aber auch die Schaffung einer neuen Stelle vor. Denn an Selbstanzeigen sollte es der Staatsanwaltschaft nun nicht mehr mangeln:
Die bereits erwähnten bekommt sie nun zusammen mit etlichen anderen mit der Post.
Aus Gründen der Gerechtigkeit, rufen wir alle auf, die in antifaschistischer Absicht in der Vergangenheit schon zerstörte, gespaltene, durchgestrichene oder sonst wie verfremdete Hakenkreuze zur Schau gestellt oder veröffentlicht haben und dies auch in Zukunft tun wollen, dies bei ihrer zuständigen Staatanwaltschaft anzuzeigen.
Doch Vorsicht: Wer sich dieser Aktion anschließt muß zumindest mit Nerverei und Schriftverkehr rechnen. Wir sind zwar zuversichtlich, dass am Ende alles gut ausgeht, aber ausschließen, dass es zu einem Strafbescheid kommt, können wir nicht. Man muss aber nicht sofort auch noch Beweismaterial beilegen, das können die Staatsanwälte ja selbst ermitteln - und das kann dauern (s.o.).

Ein Muster wie die Selbstanzeige aussehen könnte:
An die Staatsanwaltschaft Stuttgart
Neckarstr. 145
70190 Stuttgart
Betrifft: Selbstanzeige wegen des Tragens eines durchgestrichenen Hakenkreuzes
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe das antifaschistische Symbol des durchgestrichenen, zerschlagenen, in den Paierkorb geworfenen Hakenkreuzes mehrfach öffentlich getragen und verwendet und werde das auch in Zukunft tun.


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