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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 1 / Mai 2007



Erfolg der Solidarität:

Neuauflage der Berufsverbote gescheitert!

Reinhard Hildebrandt

Dem Heidelberger Lehramtsbewerber Michael Csaszkóczy wurde vom Oberschulamt Karlsruhe zu Unrecht die Einstellung in den Schuldienst des Landes wegen Zweifel an seiner Verfassungstreue verweigert. Dies hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshof (VGH) aufgrund der mündlichen Verhandlung am 13.03.2007 entschieden. Die entgegenstehenden Bescheide des Oberschulamts wurden deshalb aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Einstellung in den Schuldienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Damit ist auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, das in erster Instanz das Berufsverbot bestätigt hatte, hinfällig.

Der VGH stellte deutlich klar, dass keine der vom Verfassungsschutz in einer über zehnjährigen Bespitzelung Czaszkóczys gesammelten "Erkenntnisse" geeignet sei, die angenommenen Zweifel an der Verfassungstreue zu rechtfertigen. Die dem engagierten Antifaschisten von der Behörde vorgehaltene "Sündenliste", die vom Verfassungsschutz des Landes zusammengestellt worden war, sei "nicht geeignet, die Annahme mangelnder Verfassungstreue zu rechtfertigen", urteilte der VGH - schließlich handelte es sich dabei ausschließlich um die Wahrnehmung verfassungsrechtlich verbriefter Grundrechte. Das ist eine Maulschelle für die Schlapphüte und ihre faktische Initiative zur Zerstörung einer beruflichen Existenz. Zudem, so der VGH, seien positive Gesichtspunkte, wie die tatsächlichen politischen Handlungen, die Persönlichkeit des Lehramtsbewerbers und sein Verhalten des Referendariats nicht hinreichend gewürdigt worden.
Das bedeutet für die neue Entscheidung des Oberschulamtes, dass sie die für das Berufsverbot wesentlichen negativen Aspekte nicht mehr berücksichtigen dürfen, hingegen aber bisher übergangene Aspekte berücksichtigen müssen. Antifaschistisches Engagement ist wichtig, gerade als Lehrer. Dies muss nun auch die Landesregierung akzeptieren. Das kann nur die Übernahme in den Schuldienst zum nächstmöglichen Zeitpunkt bedeuten. "Damit ist die Hoffnung verbunden, dass nicht noch einmal aus Gesinnungsgründen mit der Lebenszeit von Michael Czaszkóczy so schamlos gespielt wird", sagte der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, als Prozessbeobachter.
Wir sehen das Urteil als großen politischen Erfolg der Solidaritätsbewegung und als Signal gegen die Versuche der Bundesländer Baden-Württemberg und Hessen, die Praxis der Berufsverbote als Repressionsinstrument gegen unbequeme Linke wiederzubeleben. Bürgerrechtsorganisationen, wie die Internationale Liga für Menschenrechte, begrüßen das Urteil. Prozessbeobachter Rolf Gössner sagte: "Dieses Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die baden-württembergische Kultusbürokratie und das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Und ein Signal gegen Versuche, die Berufsverbotspraxis vergangener Jahrzehnte wiederzubeleben."
Landessprecherin Anne Rieger erinnerte an die lange und furchtbare Tradition der Berufsverbote: die Karlsbader Beschlüsse von 1819, die Demokratenverfolgungen nach der Revolution von 1848/49, das Sozialistengesetz von 1872, die preußischen Erlasse von 1930, das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von 1933, die Ermordung und Verfolgung von Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und anderen Demokraten in den Konzentrationslagern der Nazis, der Adenauer-Erlass von 1950, die Justizopfer der Kommunistenverfolgen im Kalten Krieg, der Ministerpräsidentenbeschluss unter Regierung Brandt 1972. Am 26.9.1995 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg die deutsche Berufsverbotspraxis als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt. Das hatte aber die heutige Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die das Berufsverbot gegen den Heidelberger Lehrer eingeleitet hatte, nicht interessiert. "Die Landesregierung sollte das Urteil des VGH als Chance betrachten und Michael Csaszkóczy sofort einstellen. Damit könnte Baden-Württemberg auch bundesweit einen Schlussstrich unter das Thema Berufsverbot und den Rückfall in eine unrühmliche Politik der 70er Jahre ziehen", sagte Rainer Dahlem, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft" (GEW) am 14.3. in einer Presseerklärung.



Michael Czaszkószy schrieb am 23. März 2007 an die VVN-BdA:

Danke für eure Solidarität!

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
ich habe in der letzten Woche unglaublich viele Mails mit Glückwünschen zu unserem juristischen Erfolg im Berufsverbotsverfahren bekommen. Es sind leider zu viele, um sie alle einzeln zu beantworten, auch wenn ich das gern täte. Zumindest kommt hier also ein großes und leider etwas pauschales ‚Dankeschön' in die Runde.
Ich habe in der letzten Zeit öfter mal an Peter Gingold denken müssen, der diesen erfolg leider nicht mehr miterlebt hat. Peter hat in einer Rede an seinem 90. Geburtstag gesagt, er sei in den letzten fünfzehn Jahren ein ‚Reisender in Sachen Mutmachen' gewesen. Ich habe in den vergangenen drei Jahren bei vielen, vielen Veranstaltungen versucht, das ein klein wenig auch zu sein.
Das hätte ich aber nicht geschafft, wenn Ihr mir nicht immer wieder Mut gemacht hättet. Zu dem juristischen Erfolg vor dem VGH Mannheim, der in erster Linie ein politischer Erfolg ist, haben ganz viele unterschiedliche politische Gruppierungen und einzelne Menschen beigetragen. Auch deshalb ein ganz herzliches Dankeschön an Euch alle.
Das Berufsverbot ist ja für mich noch nicht vorbei, aber was wir seit der letzten Woche erreicht haben, ist, dass nicht nur juristisch, sondern auch politisch nun das Land auf der Anklagebank sitzt und nicht mehr ich. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass das nach den letzten Jahren, die nicht gerade leicht für mich waren, ein tolles Gefühl ist. Und ich hoffe, dass Ihr diese Freude ein bisschen mit mir teilt.
Trotz alledem bleibt ja noch viel zu tun: Ob das Land nun klein bei gibt und mich tatsächlich einstellt, ist noch lange nicht gesagt. Ich würde mich natürlich freuen, wenn Ihr weiter die Augen und Ohren offen haltet, wie es in meinem ‚Fall' weitergeht. Das Solikomitee wird Euch natürlich weiter auf dem laufenden halten.
Vor allem aber sind die Berufsverbots-Betroffenen aus den 70er und 80er Jahren bisher weder rehabilitiert geschweige denn entschädigt und die unseligen gesetzlichen Grundlagen der Berufsverbote mit ihrer Beweislastumkehr, ihren Gesinnungsprüfungen und -prognosen sind nicht abgeschafft.
Die großartige Solidarität, die wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, muss also weitergehen! Ich hoffe, Ihr seid dabei!
Noch einmal vielen Dank an Euch alle und herzliche rote Grüße
Micha

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