VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 01.11.2007
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 3 / Oktober 2007



Afghanistan statt Hartz IV ?

Spart endlich an der Rüstung!

Anne Rieger

Der 9. März 2007 wird im Gedächtnis bleiben. In ein und derselben Sitzung beschloss die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten den Krieg nach außen und innen: Deutsche Tornados wurden zum Kriegseinsatz nach Afghanistan geschickt, gleichzeitig wurde zukünftigen Rentnerinnen und Rentnern die Rente gekürzt.

Die Bilder, die deutschen Tornados unter dem Label der ISAF-Truppen (International Security Assistance Force) von der afghanischen Infrastruktur schießen, werden unmittelbar den Kampfflugzeugen und Bombern der OEF (Operation Enduring Freedom) zur Verfügung gestellt und von ihnen genutzt. Die toten afghanischen Zivilisten sind die Opfer der Tornado-Befürworter. Diese beschlossen das Renteneintrittsalter mit 67, ein Rentenkürzungsprogramm. Denn will oder kann man/frau so lange nicht arbeiten, wird die Rente pro Jahr früheren Renteneintrittsalters um 3,6 Prozent gekürzt, zuzüglich der fehlenden jährlichen Punktwerte bei der Rente. Steuergeld für NATO geführte Kriegseinsätze ja, Steuergeld für ein Leben in Würde nach einem arbeitsreichen Arbeitsleben nein, das ist die Maxime von Angela Merkel.
Ein Zeitsoldat der Bundeswehr erhält für vier Tage im Auslandseinsatzsatz 368 Euro, den etwa gleichen Betrag, mit dem ein Hartz IV Empfänger einen ganzen Monat auskommen soll. Ein Kindergarten mit 30 Plätzen kostet laut Cannstatter Zeitung 990 000 Euro. Erst im Jahr 2013 will die Diva der CDU, Frau von der Leyen, für jedes dritte Kind einen Kindergartenplatz zur Verfügung stellen. Die Korvette Oldenburg, gerade vom Stapel gelaufen, kostet uns SteuerzahlerInnen 300 Mio. Euro, oder, anders ausgedrückt, 9000 Kindergartenplätze. Mit den 14,1 Mrd. Euro, die uns die Eurofighter kosten, könnten wir 475 000 Kindergartenplätze sofort finanzieren. Und würden die vier Fregatten F 125 nicht gebaut, wären weitere 78.000 Kindergartenplätze sofort zu haben.
Schriebe man die Gegenüberstellung fort, würde mit jedem neuen Posten offensichtlicher, dass Rentenkürzungsprogramme, teure Universitätsbildung und Mangel an bezahlbaren Kinderbetreuungseinrichtungen für alle nicht sein müssten. Allein der politische Wille der Regierenden entscheidet, wohin das vorhandene - von uns erarbeitete Geld fließt. 645 Mio. Euro sollen 2008 für die Renovierung von Kasernen zu Verfügung gestellt werden, bei Schulen und Kindergärten werden zunehmend die Eltern zu "Subotniks" herangezogen. Offensichtlich sieht Frau Merkel die Zukunft unseres Landes nicht in unseren Kindern, sondern in den Märkten, Rohstoffen, Transportwegen am Hindukusch und anderen Teilen der Welt. Doch wessen Interessen liegen dort?

Verdient wird auch am Hindukusch
"Das Land am Hindukusch ist für Deutschland ein kleiner aber lukrativer Markt," schreibt eine ausländische Zeitung. Neben den 3000 deutschen Soldaten in Afghanistan, seien dort noch einmal 500 deutsche Zivilisten. Während nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in 2005 Waren im Wert von 122 Mio. Euro nach Afghanistan geliefert wurden, stieg der Export im vergangenen Jahr schon auf 203 Mio. Euro. Glücksritter oder Verzweifelte wollen vom fremden Markt profitieren. Für den Mitte Juli zu Tode gekommenen Bauingenieur aus Mecklenburg-Vorpommern hieß die Devise offensichtlich: Afghanistan statt Hartz IV. Er war mit seiner eigenen Baufirma in Konkurs geraten und wollte in Afghanistan Geld verdienen, um seine Familie zu ernähren und seine Schulden abzubezahlen. In Deutschland gab es für ihn dazu keine Perspektive. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die Arbeitslosigkeit bei 15,8 Prozent. Und Gelder für ausreichend zivile Arbeitsplätze stellt die Regierung nicht zu Verfügung. Dass aber Konzerne wie Siemens Interesse am Hindukusch haben und bereits lange vor Ort finanziell operieren, ist auf den Front Seiten der Zeitungen nicht zu lesen. Bereits 2003 hat Siemens seine Repräsentanz in Kabul nach nur 25 Jahren Unterbrechung wieder eröffnet. Der Konzern nahm seine "Geschäftsaktivitäten" am Hindukusch wieder auf, die bis ins Jahr 1925 zurückreichen. Als 2004 der damalige Außenminister Afghanistans, Abdullah Abdullah, anlässlich der internationalen Afghanistan Konferenz in Berlin war, erklärte er, dass Siemens in die "Aufbauarbeiten" in Afghanistan "stark involviert" sei. Dafür erwartete er verbindliche Zusagen für finanzielle Hilfsmittel von der Konferenz.
Die Interessen dieses skandalumwitterten Konzerns, ebenso wie die Interessen des Rüstungsprofiteurs EADS (Eurofighter und Kriegstruppentransporter A400M stehen u.a. mit zusammen 22,7 Mrd. Euro in seinen Auftragsbüchern), entsprechen eben nicht den Interessen der 77 Prozent der Bevölkerung, die sich gegen die Tornadoeinsätze ausgesprochen haben. Auch nicht den Interessen der 65 Familien, deren Söhne bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind. Ebenso wenig sind es die Interessen der nicht gezählten Familien, deren Söhne und Töchter verletzt oder traumatisiert vom Auftrag der deutschen Konzerne zurückgekommen sind, die "die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" zu sichern, wie es die Verteidigungspolitischen Richtlinien seit 1992 von der Bundeswehr und ihren SoldatInnen fordert.

VVN-Logo www.vvn-bda-bawue.de © 1997 - 2007 www.josef-kaiser.eu