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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Dezember 2007



Stolperstein in Konstanz:

Shalom lekulam (Frieden für alle)

H.-P. Koch

Zu einer Demonstration wurde die fast ganztägige Verlegung neuer "Stolpersteine" in Konstanz. Emotionaler Höhepunkt war der Besuch der Familie Bloch, die mit Oma und Kindern aus vier Ländern angereist war, und sich vielsprachig bei den Konstanzer Initiatoren der "Stolpersteine"-Aktion bedankte.
Eyal Bloch aus Israel grüßte auf deutsch und hebräisch: Shalom lekulam - Frieden für alle.
Vor dem Haus Döbelestraße 4 hatte der Kölner Künstler Gunter Demnig drei neue "Stolpersteine" - pflastersteingroße Metallplatten - in den Fußweg eingesetzt. Damit gedachte die Konstanzer "Stolper-stein"-Initiative des Schicksals des jüdischen Anwalts Moritz Bloch, seiner Frau Ida und der Tochter Adel-heid. Alle drei starben als Opfer des Nazi-Regimes. Beeindruckend die Worte von Dr. Jung, dessen Vater - ebenfalls Arzt - einst den von Gestapo-Schergen misshandelten Moritz Bloch behandelt hatte.
10 solcher "Stolpersteine" wurden - nach drei Verlegungen im vergangenen Jahr nun zum zweiten Mal - an sieben Stationen in der Stadt verlegt. 30 bis 50 Angehörige, Paten, Stadträtinnen und Stadträte sowie politische Freundinnen und Freunde waren jeweils Zeugen der Zeremonien. Die Initiatoren der Verlegung - Katrin Brüggemann und Hendrik Riemer, beide auch Mitglieder der VVN-Bund der Antifaschisten - waren dann auch begeistert von der Resonanz: "Mit so-viel Zuspruch hatten wir nicht gerechnet".
Der Tag klang aus mit einem Festakt im Stadttheater und einer Theateraufführung von "Lola Blau", in dem das Schicksal einer geflüchteten, jüdischen Schauspielerin im Dritten Reich beschrieben wird.
Und die "Stolperstein"-Initiative lässt nicht nach: Für den 17. März.2008 sind neuerliche Verlegungen geplant. Das Beispiel Ferdinand Obergfell im nebenstehenden Kasten gibt einen Eindruck von der Dokumentationsar-beit der Konstanzer Gruppe.


Beispiel für den Widerstand in Konstanz:

Ferdinand Obergfell

Ferdinand Obergfell wurde am 17.10.1889 in Fürstenberg/Donaueschingen geboren. Von Beruf war er Kraftfahrer, Schreiner, Hoteldiener und Gelegenheitsarbeiter. Er war verheiratet und hatte drei Kinder. Seit 1928 war er wegen eines Herzleidens arbeitsunfähig und bezog eine geringe Invalidenrente von 36 RM pro Monat. 1923 trat er der KPD bei, wo er Kassier war. Bis 1932 war er auch Stadtverordneter im Bürgerschaftsausschuss. Er galt als das radikalste Mitglied der KPD-Fraktion. Darüber hinaus war er auch Mitglied im Rotfrontkämpferbund.
Ferdinand Obergfell kam unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nazis in Konflikt mit den neuen Machthabern. Er bekundete öffentlich seine Sympathie für den Bolschewismus und die Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg, agitierte gegen das neue Regime, sammelte Informationen für Flugschriften, die in der Schweiz gedruckt und dann im Reich verbreitet werden sollten. Er hoffte auf die kommunistische Weltrevolution, die dann das "Vierte Reich" bringen würde, in dem Frieden und soziale Gerechtigkeit herrschen werde.
Wegen solcher Äußerungen wurde er am 24.10.1935 verhaftet und durch ein Sondergericht in Mannheim am 13.3.1936 "wegen kommunistischer Betätigung" zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt. Seit 13.7.1936 wieder auf freien Fuß, nahm er seine illegale Tätigkeit gegen das NS-Regime wieder auf.
Am 2.10.1939 wurde Ferdinand Obergfell erneut verhaftet. Der Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgarts warf ihm in der Anklageschrift vom 13. Februar 1940 folgende illegale Tätigkeiten vor: Einführung illegaler Druckschriften aus der Schweiz nach Deutschland, Aufbewahrung von Druckschriften in seiner Wohnung, Gesinnung, geheime Treffen mit illegalen KPD-Funktionären, Mündliche Agitation, Abhören ausländischer Sender.
Die Anklage wirft ihm vor, seine illegalen Aktivitäten gemein-schaftlich mit anderen Personen begangen zu haben. Diese Personen sind laut Anklage: Otto August Greis. Johann Ockle, Anna Hermann, Maria Obergfell, die Tochter von Ferdinand Obergfell, und Alois Zollner, alle aus Kon-stanz-Wollmatingen.
Diese Gruppe konnte, so scheint es, recht erfolgreich arbeiten, hatte sie doch in der Schweiz einen erfahrenen Verbindungsmann: Franz Greis, den Bruder von Otto August Greis, der sich 1938 nach jahrelanger illegaler Tätigkeit in Konstanz in die Schweiz abgesetzt hatte.
Die Anklage wirft allen Beschuldigten im Wesentlichen die gleichen Straftaten vor. Je nach Vorstrafe, Geständnissen und nachgewiesener Teilnahme an den verschiedenen illegalen Aktivitäten fallen die Strafen unterschiedlich aus. Der erste Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart fällt am 21.3.1940 das Urteil. Ferdinand Obergfell wird "wegen Vorbereitung zum Hochverrat und absichtlichen Abhörens ausländischer Sender… zu Zuchthausstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten…sowie 3 Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht verurteilt".
F. Obergfell wurde in das Gefängnis Ulm eingeliefert. Über die Stationen Hohenasperg und Garsten bei Steyr (Oberösterreich) wurde er gegen Kriegsende in das berüchtigte Gefängnis Branden-burg-Goerden verlegt. In der Nazizeit wurden dort zeitweise bis zu 4300 politische Gefangene inhaftiert, davon ab August 1940 mehr als 1500 hingerichtet. Obergfell erlebte das Kriegsende, starb aber am 16.5.1945, wahrscheinlich an den Folgen der Haft. Er ist auf dem Altstädtischen Fried-hof in Brandenburg an der Havel in einer Kriegsgräberanlage, in einem Einzelgrab, begraben.


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