VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 01.05.2008
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 1 / April 2008



Ostermarsch in Stuttgart:

Vernunft muß her statt Militär - Ausreiseverbot für die Bundeswehr

Dieter Lachenmaier

Ein frech frisches, aber korrektes Motto und ein feucht frisches aber dann doch noch ganz passables Wetter zeichnete den diesjährigen Ostermarsch in Stuttgart aus an dem etwa 1000 Menschen teilnahmen.

Er begann am Stuttgarter Deserteursdenkmal, das seit einem halben Jahr vor dem Theaterhaus auf dem Pragsatttel steht.
Am Denkmal für die mutigen Verweigerer der Kriege ließ es sich die 88 jährige Elisabeth Hartnagel, die Schwester Hans und Sophie Scholls, nicht nehmen, einen beeindruckenden Appell an die OstermarschiererInnen zu richten. "Jeder Einzelne ist dafür verantwortlich, was in der Politik geschieht und macht sich mitverantwortlich, wenn er sich nicht einmischt. Auch heute noch gilt, womit meine Geschwister Hans und Sophie Scholl unter Einsatz ihres Lebens in ihren Flugblättern versuchten die Bevölkerung aufzurütteln: ‚Zerreißt dem Mantel der Gleichgültigkeit, den ihr um Euer Herz gelegt habt. Entscheidet Euch, eh es zu spät ist!'". Sophie Hartnagel, weiß wovon sie spricht: Zusammen mit ihrem Mann Fritz Hartnagel engagierte sie sich bereits im Kampf gegen die Wiederbewaffnung der Bundesreplik. Fritz Hartnagel baute den 50er Jahren die Organisation "Internationale der Kriegsdienstgegner" mit auf, dieheute in der DFG-VK aufgegangen ist. Selbstverständlich waren Fritz und Elisabeth Hartnagel auch aktiv bei den Ostermärschen und im Kampf gegen die Reaketenstationierung der 80er Jahre.
Der richtige Ort war das Deserteursdenkmal auch für die Rede, die die US-Amerikanerin Penny Pinson für die Initiative "Progressive Americans" aus Tübingen hielt. Die Gruppe arbeitet zugunsten von US. Kriegsdienstverweigerern, und hilft bei Antirekrutierungsinitiativen.
"Den Mut der Deserteure können wir nicht hoch genug achten. Man kann ihre Bereitschaft das alles auf sich zu nehmen nur bewundern. Sie tun es auch unsretwegen", rief Penny Pinson und forderte zur Unterstützung der Deserteuere und Kriegsverweigerer auf.
Hier wurde die Stimme eines anderen Amerika deutlich, als wir es aus den Medien kennen: "Die USA führen einen Aggressionskrieg, der gegen die Unocharta, die Genfer Konventionen und die Grundlagen der Nürnberger Prozesse verstößt. Ein Aggressionskrieg ist das höchste internationale Verbrechen überhaupt ... Wollt ihr wirklich die amerikanische Kriegsunternehmung unterstützen mit der Erlaubnis amerikanischer Militäreinrichtungen auf deutschem Boden, mit Sicherheitskräften, mit Waffenproduktion und Lieferung, mit Überflug-und Landungsrechten, mit Geldbeiträgen im Wert von 1,8 Milliarden Euro pro Jahr für die Erhaltung der amerikanischen Kasernen? ... Lehnen wir die Militarisierung unsrer Welt mit allen unsren Kräften ab!"
Vom Theaterhaus aus setzte sich der Ostermarsch in einem bunten Zug zur Stuttgarter Innenstadt in Bewegung, wo die Demonstranten auf dem Schlossplatz von den Klängen der "Chain of fools" empfangen wurden.
Dort wandte sich Leni Breymeier, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft ver.di an die Demonstranten. Sie verwies auf die ständig steigenden weltweiten Rüstungsausgaben und die enormen politischen und gesellschaftlichen Kosten, die Rüstung und Kriegseinsätze auch in unserem Land verursachen. Angesichts der Militäreinsätze und steigenden Rüstungsausgaben bleibe eine aktive Friedensbewegung weiterhin wichtig. Eine unabhängige Struktur der Zusammenarbeit der Friedensgruppen, sei gerade auch in Zeiten nötig, in denen das Friedens-thema nicht im Zentrum der öffentlichen Wahrmehmung stehe.
Diese Struktur bildet in Baden-Württemberg das Friedensnetz. Mit Heike Hänsel, die seit vielen Jahren Koordinierungsausschuss des Friedensnetzes arbeit, ergriff sozusagen der parlamentarische Arm der baden-württembergischen Friedensbewegung das Wort. Heike zog bei den letzten Wahlen, gewählt auf der Liste der Linken in den Bundestag ein.
Zum 5. Jahrestag des Irakkrieges zog sie die erschreckende Bilanz:
"Der Irak versinkt in Gewalt, die Versorgungslage der Menschen ist katastrophal,. Die Zahl der Menschen, die direkt getötet wurden und an den Folgen von Krieg und Gewalt gestorben sind, schätzt die Lancet-Studie auf mind. 650 000, andere Schätzungen gehen auf bis zu 1 Million Menschen. Politische und rechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen dieser verbrecherischen Kriegspolitik gibt es bis heute nicht. Keine UN-Resolution, die diesen Krieg verurteilt, keine außerordentliche Sitzung der UN-Generalversammlung."
Entgegen der damaligen Verkündigungen der Regierung Schröder, sei auch Deutschland beteiligt an diesem Krieg: "Die Bundesregierung ist wichtiger Unterstützer der gesamten US-Logistik für den Irak-Krieg. Zentrale Dreh- und Angelpunkte sind die US-Militärbasen wie Ramstein, Spangdahlem, Wiesbaden, Landstuhl für den Nachschub an Soldaten, Waffen. Die Überflugrechte wurden immer genehmigt, auch für illegale CIA-Flüge. ... Auch die US-Kommandozentrale EUCOM in Stutt-gart, der Mannheimer Rheinau-Hafen spielten und spielen eine wichtige logistische Rolle. Ich fordere die Bundesregierung auf, diese aktive Unterstützung des Irak-Krieges zu beenden und alle US-Militärbasen zu schließen!"
Ähnliches gelte auch für Afghanistan, wo der Krieg nunmehr fast sieben Jahre dauere. Hier sei die Bundeswehr aktiv im Einsatz:
"Verteidigungsminister Jung kündigte letzte Woche an: ab sofort stünde Aufstandsbekämpfung im Mittelpunkt der Aufgabe deutschen Truppen! Das ist kein Friedenseinsatz - das ist ein Kriegseinsatz! Deshalb: die Bundeswehr muß aus Afghanistan abgezogen werden!"
Heike Hänsel ging auch auf die fortschreitende Militarisierung der Europäischen Union und den EU-reformvertrag ein: "Dieser Vertrag ist nichts anderes als der vorherige Verfassungsentwurf, gegen den wir 2005 auf die Straße gegangen sind, der in Frankreich und den Niederlanden per Volksentscheid abgelehnt wurde und nun völlig undemokratisch von europäischen Regierungen eigenmächtig ratifiziert wird. Deshalb brauchen wir dringend Volksentscheide in Deutschland und allen anderen EU-Staaten über diesen Vertrag!
Denn wir brauchen keinen neuen "global player" EU mit aggressiver Handelsstrategie gegenüber den Ländern des Südens, mit Sozialabbau nach innen um wettbewerbsfähig zu sein und mit weltweiter militärischer Interventionsfähigkeit!". Auch der Hochschulseelsorger Odilo Metzler von der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, be-fasste sich kritisch mit der Militarisierung in der Bundesrepublik und auch unmittelbar in Stuttgart: "Von Deutschland geht wieder Krieg aus. Das hat die Unterstützung unserer Behörden für den Irak-Krieg gezeigt. Und damit kein Ende. Vor einem Jahr entschied US-Präsident Bush, dass hier in Stuttgart, in Möh-ringen, in den Kelley-Barracks das AfriCom, die neue Kommandozentrale der USA für Militäreinsätze in Afrika aufgebaut wird. Das AfriCom ist nach dem EuCom in Vaihingen der zweite Ort, wo von Stuttgart aus Kriege in anderen Ländern geplant werden. Dies sind zwei Orte in Stuttgart, die außerhalb der Nato und außerhalb des Geltungsbereichs des Grundge-setzes liegen.
Odilo Metzler ging auch auf die Situation in Israel / Pälästina ein:
"Wir fordern ein sicheres Leben und eine friedvolle Zukunft für die Bevölkerung in Israel. Wir fordern ebenso Freiheit für das palästinensische Volk und eine gerechte Lebensperspektive für seine Menschen. Denn für beide Völker gibt es nur eine gemeinsame Zukunft. ... Deshalb treten wir hier ein für ein Ende der über 40jährigen völkerrechtswidrigen Besatzung Palästinas. Und deshalb treten wir hier ein für die Achtung von Menschenrechten und Völkerrecht im Nahen Osten wie in den anderen Erdteilen, wo sie verletzt werden." Und weiter "Unsere Sicherheit wird nicht am Hindukusch verteidigt, sondern der Friede wird dort verspielt, wo immer mehr Menschen zu wenig zum Leben haben und andere den Kragen nicht voll genug bekommen: in unserem Land und weltweit." Außer in Stuttgart fanden auch in Ellwangen, Mannheim und Müllheim Ostermärsche statt.

VVN-Logo www.vvn-bda-bawue.de © 1997 - 2008 www.josef-kaiser.eu