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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Dezember 2008



Erfolgreiche Aktionen gegen das neue Versammlungsgesetz:

Ja zur Versammlungsfreiheit, Nein zum Versammlungsgesetz

Dieter Lachenmayer

Das Vorhaben der baden-württembergischen Landesregierung, mit einem neuen Landes-Versammlungsgesetz die Versammlungsfreiheit weiter einzuschränken ist im ganzen Land auf breiten Widerstand gestoßen.

Der ursprüngliche Plan, dieses Gesetz noch im Jahre 2008 ohne großes Aufheben durch den Landtag zu bringen ist zunächst gescheitert. Die Befassung im Landtag wurde auf den kommenden März verschoben.
Doch damit ist die Auseinandersetzung noch lange nicht entschieden. CDU und FDP scheinen trotz der geschlossenen Ablehnung ihres Gesetzentwurfes durch so gut wie alle betroffenen Organisationen, Verbände und Initiativen entschlossen, die Versammlungsfreiheit im Ländle einzuschränken und ein weiteres Grundrecht abbzubauen.

Demonstrationen in drei Städten
Zum Ende des Jahres fanden insgesamt drei große Demonstrationen gegen dieses Vorhaben statt. Am 29. November demonstrierten in Mannheim ca. 1000 Menschen, am 6. Dezember fanden sich in Stuttgart 6500 Gegner des neuen Gesetzes zum Protest zusammen und am 13. Dezember wares 2500 in Freiburg die, wie es im Grundgesetz heißt "ohne Anmeldung oder Erlaubnis" durch die Innenstadt demonstrierten.
Zur Demo am 6. Dezember in Stuttgart hatte ein breites landesweites Bündnis aufgerufen, das sich erst in den letzten Wochen zusammengefunden hatte. Die Eile, in der Landesregierung das neue Gesetz durchpeitschen wollte und der gemeinsame Wille das neue Gesetz zu verhindern hat dabei auch ungewohnte Bündnispartner zusammengeführt.

Breites Bündnis
Das Spektrum reicht von Katholischen Verbänden über Bürgerrechtsorganisationen, Umweltverbände, der Friedensbewegung, Migrantenvereinigungen, dem Landesjugendring , Studenten-, Jugend und Schülerorganisationen, Parteien wie der Linken und der DKP bis hin zur Roten Hilfe und antifaschistischen, linken, und auch anarchistischen Gruppen. Den wichtigen Kern bilden natürlich die Gewerkschaften: Der DGB, Verdi und Gliederungen der Einzelgewerkschaften rufen ebenfalls dazu auf, dieses Gesetz zu verhindern. Von Anfang an hat auch die VVN-Bund der Antifaschisten daran mitgearbeite, dass es zu dieser Zusammenarbeit für erfolgreiche Aktionen kommen konnte.
Allerdings schloß sich die parlamentarische Opposition komplett von dieser Zusammenarbeit aus. Obwohl auch die SPD und die Grünen ihre Ablehnung des Gesetzes signalisiert hatten, konnten sie sich nicht zu einer Mitarbeit im Bündnis entschließen. Stattdessen luden ihre Landtagsfraktionen für den 12. Dezember zu einer öffentlichen Anhörung in den Landtag ein. Die Regierungsmehrheit hatte eine offizielle Anhörung vor dem Landtagsplenum zuvor abgelehnt.

Vorreiter Bayern und Baden-Württemberg
So wurde die Demonstration in Stuttgart zu einem kraftvollen Signal der außerparlamentarischen Bewegungen im Lande. Bereits auf der Auftaktkundgebung wies Hedwig Krimmer vom bayrischen Bündnis Rettet die Grundrechte - Gegen den Notstand der Republik darauf hin, dass es sich nicht um ein baden-württembergisches und auch nicht um ein süddeutsches Thema handelt. Nach Bayern und Baden-Württemberg haben auch bereits Niedersachsen und Hamburg ein neues Versammlungsgesetz nach bayrischem Vorbild angekündigt. Der darin vorgesehen Rückbau demokratischer Rechte reiht sich ein in eine ganze Palette von Maßnahmen, die unter dem Vorwand der "inneren Sicherheit" und der "Bekämpfung des Terrorismus" nichts anderes zum Inhalt haben als Grundrechte abzubauen, die BürgerInnen systematisch der Überwachung von Behörden Polizei und Geheimdiensten auszusetzen. Dazu gehört auch die nur vorläufig zurückgestellte Grundgesetzänderung zum Einsatz der Bundeswehr im Innern oder das ebenfalls im Moment nur knapp gescheiterte BKA-Gesetz, das den online Zugriff auf private Computer legalisieren soll. Eine Vertreterin der beteiligten Migrantenorganisationen schildert die vielen Hindernisse, die schon heute allen EinwanderInnen die Wahrnehmung von Grund- und Menschenrechten in Deutschland schwer machen.
"Für uns Migrantinnen und Migranten bedeuten diese Veränderungen nur, dass es für uns immer schwieriger und mit mehr Aufwand verbunden sein wird, wenn wir das Recht auf Versammlung wahrnehmen möchten. Bereits jetzt ist es für Migranten sehr schwer sich eine Bestätigung für Demonstrationen o. ä. einzuholen. Und das obwohl in Deutschland mehr als 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben.

Demobehinderung von Amts wegen
Einen praktischen Beitrag zur Aufklärung über den schon vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes bedauernswerten Zustand der Versammlungsfreiheit hatte bereits im Vorfeld die Stuttgarter Ortspolizeibehörde geleistet. Kein Argument war ihr zu windig, um Kundgebung und Demonstration aus der von Weihnachtsmarkt und Weihnachtsrummel geprägten Stuttgarter Innenstadt fern zu halten. Wo immer ein denkbarer Kundgebungsplatz nicht unmittelbar durch Verkaufsbuden belegt war, da gab es die unverrückbare Anfahrt der Weihnachtsmarktbusse, sonstige dramatische Verkehrsprobleme oder auch Unfallgefahr für die Demonstranten durch herumstehende Pflanztröge. Kurz: Die Innenstadt wurde zur Demonstrationsrechtfreien Zone erklärt.

Demokratie ist verdächtig
Aber auch am Rand der Innenstadt war das öffentliche Eintreten für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit offenkundig hoch unwillkommen. Ein massives Polizeiaufgebot, Kontrollen und Durchsuchungen von DemoteilnehmerInnen vor und noch während der Kundgebung, eine kesselartige Eskortierung der gesamten Demo durch bürgerkriegsmäßig ausstaffierte Einsatzkräfte sorgten dafür, das die Demonstranten als etwas unerlaubt, gefährlichverdächtiges wahrgenommen werden mussten. So wurden es eigentlich zwei Demonstrationen: Eine der BürgerInnen für Versammlungsfreiheit und eine zweite der Polizei, die zeigen sollte, wie gefährlich Demonstranten sind. (siehe auch die Strafanzeige des Stuttgarter Kabarettisten im Kasten). Die TeilnehmerInnen mußten sich regelrecht "bis hierher zur Abschlusskundgebung durchkämpfen" brachte Michael Csaszkoczy als Schlussredner schließlich den Demoverlauf mit all seinen kleinlichen Polizeischikanen auf den Punkt.
Auf der Abschlußkundgebung, fasste Leni Breymeier, die baden-württembergische Ver.di-Vorsitzende, die An-liegen der Demonstranten nochmal zusammen. Die Versammlungsfreiheit ist das Recht der bürgerInnen und Bürger, ihre Meinung, ihre Anliegen und ihren Willen zum Ausdruck zu bringen, für ihre Interessen einzustehen - gerade eben auch dann, wenn das der Regierung und ihren Behörden nicht passt.
Dafür zu sorgen, dass dies auch in Zukunft möglich ist, dafür werden wir in Baden-Württemberg, aber auch in den anderen Bundesländern im kommenden Frühjahr noch einiges zu tun haben.
Für den 18. Januar ist eine landesweite Aktions- und Arbeitskonferenz geplant, auf der weitere Aktivitäten diskutiert und vorbereitet werden sollen.


Berichtigung:

In der letzten Ausgabe der AN, haben wir versehentlich den amtierenden FDP-Justizminister Goll mit dem Innenminister verwechselt und für den Entwurf des Versammlungsgesetzes verantwortlichgemacht. Zuständig dafür ist aber Innenminister Heribert Rech, der seit jeher der CDU angehört. Trotz der Verwechslung bleibt unsere Kritik doch richtig: Während die bayrische FDP eine teilweise Rücknahme der Verschärfungen im bayrischen Versammlungsgesetz zur Koalitionsfrage erhoben hat, nickt die FDP im baden-württembergischen Kabinett, die selben Einschränkungen der Versammlungsfeiheit einfach ab.


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