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Nummer 4 / Dezember 2008



Totalitarismusdoktrin im Europaparlament:

"Gedenktag für die Opfer des Nazismus und Stalinismus"??

Ingrid Bauz

Am 5. September 2008 hat sich das Europäische Parlament für einen gemeinsamen Gedenktag "zu Ehren der Opfer des Nazismus und Stalinismus" ausgesprochen. In einer schriftlichen Erklärung vom 28. 9. 2008, die von 409 der insgesamt 785 EU-Abgeordneten unterzeichnet wurde, heißt es unter anderem, dass der "23. August zum Europäischen Gedenktag an die Opfer der stalinistischen und nazistischen Verbrechen" erklärt wird, "um das Gedenken an die Opfer von Massendeportation und -vernichtung aufrecht zu erhalten und somit Demokratie zu stärken sowie Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent zu fördern." Ausgewählt wurde der 23. August, weil am 23. 8. 1939 der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt (Hitler-Stalin-Pakt) unterzeichnet wurde. Damit folgt das EU-Parlament einer Initiative, die von dem deutschen EU-Abgeordneten Alexander Alvaro und mehreren osteuropäischen Kollegen aus ging. Sie wollen mit einem europaweiten Gedenktag "eine mahnende Erinnerung an die Verbrechen in unserer gemeinsamen Vergangenheit" schaffen. In einer schriftlichen Erklärung heißt es, "die im Rahmen der stalinistischen und nazistischen Aggressionen vorgenommenen Massenverschleppungen, Morde und Versklavungen gehören zu den Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit".
Alexander Alvaro ist Europa-Abgeordneter der FDP und innenpolitischer Sprecher der 2004 gegründeten ALDE-Fraktion (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa). In einer Pressemitteilung begründete er die Initiative mit den Worten: "um dem Leid, das Menschen in Ost und West durch diese Diktaturen widerfahren ist, ein würdevolles Andenken zu bereiten". Alvaro erwartet "von den EU-Mitgliedsstaaten, "dass sie diesen Beschluss des europäischen Parlaments aufgreifen".
In den bundesdeutschen Medien fanden die Initiative für diesen europaweiten Gedenktag und die darauf folgende Erklärung des EU-Parlaments keine angemessene Beachtung, so dass der ganze Vorgang bisher wenig bekannt und eine dringend erforderliche kritische Betrachtung und Auseinandersetzung ausgeblieben ist. Seit Jahren, zuletzt im Zusammenhang mit der Fortschreibung des Gedenkstättenkonzepts der Bundesregierung, engagieren sich Opferverbände und kritische GeschichtswissenschaftlerInnen gegen historisch falsche und politische bedenkliche Gleichsetzungen. Dabei hat man sich häufig auf eine Entschließung des EU-Parlament aus dem Jahr 1993 bezogen, die den "europäischen und internationalen Schutz der Stätten der von den Nationalsozialisten errichteten Konzentrationslagern als historische Mahnung" zum Inhalt hatte und die Singularität des Nazifaschismus unterstrich sowie die "Gleichsetzung von Diktaturen" zurück wies.

Entschließung von 1993 schon vergessen?
Fünfzehn Jahre später hat sich das politische Kräfteverhältnis im EU-Parlament so weit nach rechts verschoben, dass über die Hälfte der EU-Abgeordneten die Erklärung des Parlaments für einen "Europäischen Gedenktag an die Opfer von Stalinismus und Nazismus" unterstützen und den EU-Präsidenten damit beauftragt haben, die Erklärung den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln. CDU/CSU und FDP werden dieses Vorhaben des EU-Parlaments mit Wohlwollen aufnehmen und tatkräftig unterstützen, denn es stärkt fraglos die geschichtsrevisionistischen Kräfte in diesem Land.
Auf der Landesvorstandssitzung der VVN-BdA am 7.12.2008 wurde angeregt, in den Antifa-Nachrichten eine Diskussion über die sogenannte "Totalitarismustheorie" und die "Gleichsetzung der Diktaturen" zu führen, damit wir für die zukünftigen gesellschaftlichen Debatten gut gerüstet sind. Denn dass der "Opfer des Nazismus und Stalinismus" in einem Atemzug gedacht wird, ist längst auch in den "alten Bundesländern" verbreitet.

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