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Nummer 2 / Juli 2009



Ulm - 1. Mai 2009:

20.000 gegen Naziaufmarsch

Lisa Matzerath
Andrea Schiele


Im November 2008 wurde die Anmeldung einer Demonstration der NPD/JN für den 1. Mai 2009 öffentlich bekannt. Die Stadt Ulm verbot den geplanten Aufmarsch mit der Begründung die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger bei einem solchen Aufmarsch nicht gewährleisten zu können.

Der Anmelder der Demonstration der NPD/JN war Alexander Neidlein. Im Internetlexikon wikipedia kann man nachlesen um wen es sich handelt. Söldner im Bosnienkrieg, Verbindungen zum Ku-Klux-Klan, Banküberfall etc.

Kein Platz für Nazis
Im Januar gründete sich durch Initiative des Bündnis gegen Rechts und unter der Schirmherrschaft der Oberbürgermeister der Städte Neu-Ulm und Ulm das Bündnis Ulm gegen Rechts. Beim 1. Treffen waren ca. 300 Ulmerinnen und Ulmer, darunter viele Vertreterinnen und Vertreter verschiedenster Organisationen, anwesend. Am Ende unterstützten 91 Verbände, Parteien und Organisationen sowie viele Einzelpersonen das Bündnis.
Das gemeinsame Ziel "Kein Platz für Nazis" wurde zum Arbeitsmotto. Bis Ende März waren über 30 Veranstaltungen geplant, so dass die Woche der Demokratie, in deren Rahmen Lesungen, Musikveranstaltungen, Konzerte und vieles mehr stattfanden, initiiert wurde.
Im März fand die Verhandlung über das Verbot der Stadt vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen statt.
Aufgrund der Aussage des Polizeipräsidenten die Sicherheit trotz der traditionellen DGB Veranstaltungen diesen Tages, der zu erwartenden Gegendemonstranten und dem zu erwartenden Nazispektrum gewährleisten zu können, hob das Verwaltungsgericht das Verbot auf und gewährte der NPD/JN eine Demoroute. Diese Route führte direkt am jüdischen Gemeindezentrum vorbei und es dauerte keinen Tag bis sich Nazis im Internet damit rühmten vor der jüdischen Gemeinde demonstrieren zu dürfen.
Die Stadt und der DGB legten Widerspruch gegen diese Gerichtsentscheidung ein. Die Ulmer Bevölkerung reagierte auf dieses Urteil mit Unverständnis und Ärger.
Ein paar Tage vor dem 1. Mai verkündete das Oberverwaltungsgericht Mannheim sein Urteil. Die Naziroute wurde um wenige Meter gekürzt, so dass sie zwar nicht mehr an der jüdischen Gemeinde vorbei marschieren konnten, aber dieser Abstand stellte wohl eher eine juristische Gewissenserleichterung dar. Weiterhin blieb die Naziroute in Sichtweite zur jüdischen Gemeinde genehmigt.

Justiz erlaubt Naziaufmarsch
Eine Woche vor dem 1. Mai wurde bekannt, dass Philipp Hasselbach, Kameradschaft München, verurteilt wegen Volksverhetzung, in Neu-Ulm eine weitere Demonstration angemeldet hatte. Die Stadt Neu-Ulm verbot diesen Aufmarsch mit der Begründung, dass Neu-Ulm und Ulm an diesem Tag als eine Stadt zu sehen seien, auch die Polizeieinsatzkräfte wären über die Landesgrenze hinweg im Einsatz.
Auch dieses Verbot wurde aufgehoben und den Nazis damit ein zweiter Aufmarsch genehmigt. Diese Gerichtsentscheidungen in zwei benachbarten Bundesländern sind unverständlich und das große Pochen auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit nicht nachvollziehbar, insbesondere bei Anmeldern, die wegen Volksverhetzung, Schusswechsel u.ä. vorbestraft sind und bekanntermaßen gewaltbereite Neonazis zu den von ihnen angemeldeten Demonstrationen ziehen.

Ulm gegen rechts
Am 30. April versammelten sich Kinder der Ulmer Kindertageseinrichtungen auf dem Münsterplatz um gemeinsam Bilder gegen Rechts zu malen, anschließend stellten ca. 5000 Schülerinnen und Schüler das Logo Ulm gegen Rechts.
An der DGB-Demonstration am 1. Mai nahmen 8000 Menschen Teil. Über den Tag verteilt beteiligten sich 20000 mit verschiedensten Veranstaltungen am Widerstand gegen den Naziaufmarsch. Es fanden Konzerte lokaler Bands auf dem Marktplatz statt, Konstantin Wecker trat auf dem Münsterplatz auf, Kinderaktionen auf dem Schiffsspielplatz und rund ums Münster bis hin zur direkten Protestverkündung an der Naziroute um nur einige Beispiele der Bandbreite der Aktionen zu nennen. Jede/Jeder, der zeigen wollte, dass sie/er keine Nazis haben will, hatte dazu die Gelegenheit.
Die vielen Menschen in der Stadt zeigen den großen Erfolg der Arbeit des Bündnis Ulm gegen Rechts.
Auch in Neu-Ulm gab es parallel zum dortigen Aufmarsch eine Gegendemonstration, die von der Polizei in großem Abstand zur Naziroute gehalten wurde.

Polizei gegen links
Trotzdem konnte der Naziaufmarsch nicht verhindert werden. Im Gegensatz zum Polizeieinsatz in Mainz, lies die Polizei hier eine friedliche Blockade nicht zu.
Zum Erfolg in Mainz hat sicherlich beigetragen, dass die Polizei besonnen agierte. Ganz das Gegenteil hier in Ulm. Nicht nur, dass der Versuch einer friedlichen Blockade gleich im Ansatz erstickt wurde. Auch das Auftreten und Gebaren der Polizei erweckte vielmehr den Eindruck, dass weniger die Nazis sondern vielmehr die Gegendemonstranten die Bedrohung an diesem Tag darstellten. Dies fing damit an, dass die Polizei Menschen kriminalisierte, die sich an den Protesten und der Demo des DGB beteiligen wollten, indem sie sie gleich am Bahnhof bei ihrer Ankunft ohne jegliche Begründung festhielt und somit für Viele die Teilnahme an der Demonstration verhinderte. Hier wurden willkürlich Grundrechte verweigert.
Erst nach Feststellung der Personalien, willkürlichen Platzverweisen und ähnlichen Schikanen wurden sie freigelassen - manche erst nach Stunden. Das Bild, das in den Medien und von der Polizei gezeichnet wurde, wo von "blutigen Krawallen in Ulm" die Rede war, relativierte sich schnell. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass es sich um einen zu meist friedlichen Protest handelte, der nur an wenigen Orten eskalierte.
Inzwischen häufen sich auch die Berichte von menschenunwürdigem Vorgehen während der Festsetzungen im Neuen Bau. Eingekesselten Menschen wurde der Gang zur Toilette, sowie der Zugang zu Wasser und Nahrung verweigert. Schock und Traumatisierung der Betroffenen Personen waren die Folge.
Die Tatsache, dass Nachmittags die Brücken nach Neu-Ulm komplett von Polizeifahrzeugen blockiert wurden um zu verhindern, dass Menschen, die auch dort den menschenverachtenden Parolen entgegentreten wollten, zur Naziroute gelangen konnten, ist absolut unfassbar. Menschen die für ein gleichberechtigtes Miteinander ihre Stadt "schützen" wollten, durften ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nicht wahrnehmen um dieses Recht für NPD/JN-Anhänger durchzusetzen, die eben dieses friedliche und gleichberechtigte Zusammenleben in Frage stellen. Damit muss sich die Polizei nicht nur die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens, sondern auch nach der Rechtmäßigkeit gefallen lassen.
Eine ausführliche und gründliche Aufarbeitung und Offenlegung der Vorkommnisse seitens der Polizei ist bisher noch nicht erfolgt.

OB neben der Kappe
Vor diesem Hintergrund ist es in keinster Weise nach vollziehbar, wie OB Ivo Gönner zu seiner Einschätzung eines "hervorragenden Polizeieinsatzes" kommt.
Unfassbar ist die Äußerung von Ivo Gönner, vermeintlich militante Gegendemonstranten als "rotlackierte Faschisten" zu betiteln. Der Hitlerfaschismus und seine Verbrechen finden keinen Vergleich.
In Dortmund wurde die DGB-Veranstaltung von Nazis angegriffen. Dies verdeutlicht ein weiteres Mal das gewalttätige Potential und die Feindschaft gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der von ihnen am 1. Mai zum Ausdruck gebrachten Solidarität.
Wir wollen uns auch künftig den 1. Mai nicht von den Nazis kaputt machen lassen.
Das Verbot der NPD ist ein erster Schritt und ein wichtiges Signal in diese Richtung. Wir verändern damit nicht Meinungen in den Köpfen - aber der Staat setzt ein Signal, dass es ihm Ernst ist mit einer wehrhaften Demokratie und die NPD verliert mit der Legalität die Möglichkeit öffentlich zu agieren.

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