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Nummer 1 / Januar 2000


Eine gespenstische Debatte:

Sloterdijk und seine nationalistischen Phantasien

von Janka Kluge

Im Herbst diesen Jahres ging ein Aufschrei durch die Feuilletons der bundesdeutschen Presse. Dem Philosphen und Aushängeschild der jüngeren Intellektuellenszene Peter Sloterdijk wurde vom Altmeister der Philosophie Jürgen Habermas vorgeworfen, er träume vom šbermenschen und fordere die Euthanasie. Was war geschehen?

Im bayerischen Schloß Elmau finden seit drei Jahren Symposien und Tagungen statt, deren Themenbereiche "Globalisierung in Politik und Religion", oder die "Amerikanisierung der Welt" umfassen und dort diskutiert werden sollen. Solch ein Seminar fand auch diesen Herbst statt. Eingeladen und gekommen waren Philosophen aus der ganzen Welt, die über das Werk und die Wirkung von Martin Heidegger streiten wollten. Zum Streit kam es jedoch erst mal nicht, als der Professor für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, Peter Sloterdijk, sein Manuskript vortrug. Die Anwesenden waren von den Ungeheuerlichkeiten, die sie zu hören bekamen zu schockiert, um sofort reagieren zu können. Sloterdijk entwickelte in seiner Rede eine eigene Interpretation der Geschichte der Menschheit. Für ihn ist diese Entwicklung seit jeher geteilt in solche, "die domestizieren und solche, die domestiziert werden." Eine Form dieser "Domestizierung" sieht Sloterdijk in den Idealen des Humanismus. Dadurch, daß die einen lesen lernen konten - und andere nicht - entstand ein Ungleichgewicht und Unterdrückung. Wenn ein Philosoph am Ende dieses Jahrhunderts versucht, ein Fazit der Pilosohie zu ziehen, ist nicht nur interesant was er sagt, sondern auch wen er erwähnt. Sloterdijk bezieht sich in seinem Vortrag positiv auf Heideggrer, Plato und Nietzsche. Bei Plato nimmt er Anleihen für seine Staatsidee. Von hier aus entwickelt Sloterdijk seine These, daß Menschen Menschen züchten sollten. Logischerweise sollten solche Menschen gezüchtet werden, die dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechen und dank genetischer Veränderung gegen Krankheiten resistent sind. Positiv wird von ihm auch erwähnt, daß in Platos Utopie nur eine kleine Gruppe von Bürgern das Wahlrecht haben soll. Zwar war es zu Lebzeiten Platos Alltag, daß nur eine kleine Gruppe von Menschen das Wahlrecht hatte, aber es ist etwas anderes, wenn dies von dem bekanntesten deutschen Philosophen als positive Utopie gewertet wird. Ähnlich sympathisch findet Sloterdijk die Herrenmenschen-Phantasien Nietzsches. Auf diesen Träumen vom šbermenschen hat zumindest in Teilen die Ideologie des Nationalsozialismus aufgebaut. In seinen Forderungen nach Menschenzüchtung, also die Definierung des Menschen über die Frage seiner Kosten für die Volkswirtschaft, steht Sloterdijk nicht allein. Berühmtes Beispiel hierfür ist der australische Professor Singer, der seit Jahren die Tötung schwerbehinderter Menschen fordert. Obwohl dieser Aspekt in der Rede Sloterdijks hauptsächlich in den Vordergrund geschoben wurde, liegt der eigentliche Skandal in anderen Formulierungen von ihm. So bezeichnet er beispielsweise das "Dritte Reich" als "nationalhumanistisch". Wörtlich heißt es in seiner Rede: "Denn ausgerechnet am grellen Ende der nationalhumanistischen Ära, in den beispielslos verdüsterten Jahren nach 1945 sollte das humanistische Modell noch einmal eine Nachblüte erleben (...)" Für Sloterdijk ist also der Nationalsozialismus ein Herrschaftsmodell, das er für vertretbar hält, erst nach der Befreiung vom Faschismus kam für ihn die schlimme Zeit.
Am übernächsten Abend, nachdem sich das blanke Entsetzen der anderen anwesenden Philosophen gelegt hatte und sie ihre Sprache wiedergefunden hatten, fand eine kurzfristig einberufene Podiumsdiskussion mit Sloterdijk über seinen Text statt. Spätestens hier wäre die Gelegenheit gewesen, sich für die Äußerungen zu entschuldigen und die Behauptungen richtigzustellen. Sloterdijk nutzte diese Chance nicht, sonderen setzte sich noch weiter ins rechte Licht. Er habe nichts zurückzunehmen, sagte er und überdies mache es ihm "Spaß, sich an starken Feinden zu messen". Außerdem, so der bundesrepublikanische Vorzeigedenker, müssen "unterschiedliche Kalender des Terrors (...) akzeptiert werden."
Daß Sloterdijk von einem elitären Bewußtsein geprägt ist, ist schon seit längerem klar. Daß er sich jedoch so deutlich von der Demokratie abwendet und einer Diktatur das Wort redet, dürfte sich nun hoffentlich auch bei den verschiedenen Zeitungs-, Fernseh- und Radioredaktionen, die ihn seit Jahren gerne einladen, herumsprechen.

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