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Nummer 3 / Juli 2000

Gedenkfeier auf dem KZ-Friedhof Birnau:

Aktiv Gegen Gleichgültigkeit

von Josef Kaiser

(ravensburg/friedrichshafen/birnau) Über 200 Menschen nahmen an den Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer des Faschismus der VVN-BdA-Kreise Ravensburg, Singen und Konstanz sowie der IG Metall Friedrichshafen teil. In einer Abendveranstaltung berichtete Prof. Heiner Fink, Berlin, über seine Erfahrungen mit der deutschen Vereinigung in den letzten 10 Jahren. Der Historiker Oswald Burger führte durch den KZ-Stollen in Überlingen und berichtete die neuesten Erkenntnisse. Bei der Gedenkfeier selbst auf dem KZ-Friedhof in Birnau sprachen neben Prof. Fink auch Gäste aus Italien und Slowenien. Zentrales Thema war der Aufruf, geschichtliche und politische Entwicklungen nicht einfach nur passiv hinzunehmen, sondern aktiv zu sein gegen allgemeine Gleichgültigkeit.

10 Jahre "totaler Anschluß"
Unter dem Motto "10 Jahre Deutschland" hatten sich am Samstag, den 13.5.2000, rund 25 Menschen zur Veranstaltung mit Prof. Heiner Fink MdB, ehemaliger Rektor der Humboldt-Universtität in Berlin und Vorsitzender des Bundes der Antifaschisten Berlin, zusammengefunden. Fink berichtete über das "schöpferische Chaos" der Jahre 1989/90 in der damaligen DDR: "Die Mehrheit hatte eine andere Vision", als das, was danach kam. Er bezeichnete das Verhalten der BRD als "totalen Anschluß": "Wir haben den Rechtsstaat bekommen - aber wir haben nicht Recht bekommen!" Er berichtete über Erfahrungen aus seinem Lebensumfeld und kritisierte diverse Entwicklungen. Sein Hauptaugenmerk gilt heute der Tatsache, daß Rechtsradikale wieder mit Fackelzügen durch das Brandenburger-Tor marschieren dürfen, ohne daß es offenen oder staatlichen Widerstand dagegen gibt. Der Bekämpfung des Neonazismus, der Bekämpfung von Kriegsabsichten gelte es höchste Aufmerksamkeit entgegen zu bringen: "Wir müssen uns engagieren gegen Passivität und aktiv gegen die allgemeine Gleichgültigkeit ankämpfen!" In der anschließenden lebhaften Diskussion überbrachte Reinhard Hildebrand an die Versammelten Grüße des VVN-BdA Landesvorstandes.

Am Sonntag, den 14.5.2000, führte der Historiker Oswald Burger durch den KZ-Stollen in Überlingen. An dieser Führung nahm auch eine Gruppe der Naturfreunde Schramberg/Tuttlingen teil.

Auf dem KZ-Friedhof fand anschließend die offizielle Gedenkfeier für die Opfer des Faschismus statt. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Gruppe "Trotz alledem" aus Konstanz. Enzo Savarino, IGM Friedrichshafen und VVN-BdA Ravensburg, leitete durch die Feier. Neben rund 150 Besuchern waren Hauptredner Heinrich Fink aus Berlin, Ehrengäste aus Italien, Slowenien und auch vom Bund der Antifaschisten Berlin Mitte, sowie offizielle Vertreter der umliegenden Städte und Gemeinden auf dem Friedhof versammelt.

Erinnerung schützt vor Wiederholung
In seinem Grußwort rief Ettore Sassi, Vertreter der italienischen Vereinigung für den Partisanenwiderstand am Colle del Lys (Region Piemonte), dazu auf, die Erinnerung auch im nunmehr grenzenlosen Europa wachzuhalten, da die Menschen sonst dazu verurteilt sind, den "Horror und Terror von damals zu wiederholen!" Er schlug vor, in Italien nach Hinterbliebenen der Opfer auf dem KZ-Friedhof zu suchen und ihnen über das Schicksal der Häftlinge zu berichten. Er lud die Anwesenden ein, am 2./3. Juli 2000 an der Gedenkfeier der italienischen Partisanen am Colle del Lys teilzunehmen.

Die Slowenischen Gäste, unter ihnen Anton Jez, überbrachten die Grüße ihrer Kameraden und wünschten eine weiterhin erfolgreiche und freundschaftliche internationale Zusammenarbeit.

Heiner Fink ging kurz auf die Geschichte der auf dem Friedhof begrabenen Häftlinge ein, die 1944 zur bombensicheren Unterbringung der Friedrichshafener Rüstungsindustrie in Überlingen ein 4 km langes Stollensystem ausgraben mußten und dabei zu Tode kamen. Er kritisierte das Trauerspiel, daß die Industrie seit Jahren um Wiedergutmachung, jetzt auch um die Entschädigung von Zwangsarbeitern abgebe. Auch die Politik trage systematisch zur Umdeutung der Geschichte bei, wenn z.B. Joschka Fischer die tragischen Ereignisse in Jugoslawien und im Kosovo gleichsetze mit Auschwitz, nur um damit Stimmung für Kriegsvorbereitungen und Kriegspläne durchzusetzen. Der Schwur "nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg!" sei gebrochen worden: von Deutschland sei wieder Krieg ausgegangen. Er kritisierte die teils schleichende, teils offene Militarisierung in Deutschland. Die Kampagne "Frauen in die Bundeswehr" sei kein Beitrag zur Emanzipation der Frau, sondern gerade das Gegenteil - selbstbewußte Frauen wüßten das auch. Er unterstütze die Kampagne der VVN-BdA mit dem Motto: "Frauen ans Gewehr - Wir sagen Nein!" Auch auf dem KZ-Friedhof Birnau rief Fink die Anwesenden auf, dem Treiben der Neonazis nicht tatenlos und gleichgültig zuzusehen, sondern sich aktiv einzumischen.

Fink schloß seine Rede mit einem Zitat von Ellie Wiesel:
"Wenn es jemanden gibt, und sei er auch ganz allein, der es wagt, in Übereinstimmung mit seinen Vorstellungen und Grundsätzen zu leben, dann werden viele andere Mut bekommen und ein wenig von ihrer Würde wiederfinden!"

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