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Nummer 3 / Juli 2000

Befreiungsfeier im ehemaligen KZ Mauthausen!

"Zukunft und Gegenwart müssen sich ändern, damit das Gedenken einen Sinn hat."

von Antifa Initiative "Gegen das Vergessen" Stuttgart

Vor 55 Jahren, am 5. Mai 1945, wurde das Konzentrationslager Mauthausen befreit. An den diesjährigen Befreiungsfeierlichkeiten nahmen rund 14.000 Menschen teil, doppelt so viele, wie im vergangenen Jahr. Die Befreiungsfeier stand dieses Jahr unter besonderen politischen Vorzeichen, weil erstmals keine VertreterInnen der österreichischen Bundesregierung eingeladen waren.

Bereits um 9 Uhr am Sonntag früh fanden sich viele Menschen auf dem Denkmalgelände ein. Gruppen versammelten sich vor den nationalen Mahnmalen, um dort ihre Gedenkfeier durchzuführen. Kränze wurden niedergelegt, Reden gehalten.
Aus Belgien, Luxemburg, Polen, Tschechien, Weissrussland, Ukraine, Spanien Italien, Deutschland, Jugoslawien, Slowenien, Kroatien, Frankreich, Albanien, Rußland, Holland.... fast aus allen Ländern Ost- und Westeuropas waren Delegationen angereist, um den 55. Jahrestag der Befreiung gemeinsam zu begehen und um für die Zukunft unmißverständliche politische Zeichen zu setzen.
Um 11 Uhr begann der Einmarsch auf den Appellplatz. Einer Gruppe ehemaliger Häftlinge, die hinter ihrer Fahne, dem roten Winkel der politischen Häftlinge gingen, führte den "Einmarsch der Nationen" an. Eingerahmt von dem erhebenden Applaus der Umstehenden überquerten sie den Appellplatz. Es folgten die Ehrengäste, darunter viele Spitzenrepräsentanten der SPÖ und der Grünen. Danach zogen die Delegationen aus den Ländern ein. Die größte Gruppe mit rund 1.500 Menschen, war die italienische. Aber auch vielen anderen Delegationen war anzusehen, daß sie besonders zahlreich gekommen waren. Sogar ferne Länder wie Kasachstan und Kuba waren darunter. Aus den USA war eine Abordnung jener GI angereist, die 1945 das Lager befreit haben. Am Schluss des 2 stündigen Einzuges ging das Gastgeberland Österreich, danach kurdische und türkische politische Organisationen und zuletzt politische Gruppen, die sich keiner Nation anschließen wollen. Ob mit oder ohne politisches Transparent, von diesem großen internationalen Gedenkzug gingen politische Signale aus, die nicht nur an die jetzige österreichische Regierung gerichtet waren, sondern überall dort hin, wo sich rechtsradikales Gedankengut ausbreitet.
Den Auftakt der anschließenden Gedenkkundgebung machten 5 ehemalige Häftlinge mit je einer kurzen Grußbotschaft in ihrer Muttersprache. Zuerst sprach der Präsident des Internationalen Mauthausen Komitees (IMK), der ehemalige Häftling Walter Beck aus Tschechien. Es folgten die Grußworte ehemaliger Häftlinge aus Italien, Russland, Frankreich und Polen. Im Namen des IMK und stellvertretend für alle Mitglieder appellierten sie an die internationale Solidarität der Völker und plädierten für ein gemeinsames Europa ohne Grenzen. Sie wandten sich gegen jegliche Art des Chauvinismus und forderten soziale Gerechtigkeit und Frieden.
Weitere Redner waren der Präsident des österreichischen Gewerkschaftsbundes, F. Verzetnitsch und der Bischofsvikar Viehböck, der die Rede des erkrankten Linzer Diözessanbischofs M. Aichern verlas. Darin hieß es: "... Die Einsicht in die Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit muss uns dazu bringen, in der Gegenwart wachsam zu sein, Sensibilität zu entwickeln und Zivilcourage zu zeigen, wo immer die Würde und Freiheit des Menschen eingeschränkt und verletzt wird, wo Gruppenegoismen der Vorrang eingeräumt wird vor Gerechtigkeit und Solidarität, Mitmenschlichkeit und Toleranz".
Der ÖGB-Präsident Verzetnitsch warnte davor, die NS-Greuel in Vergessenheit geraten zu lassen und klagte Täter und Mittäter an. Ohne jeweils die Adressaten beim Namen zu nennen, wandte er sich gegen alle, die heute aus "taktischen politischen Gründen mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit tagespolitisches Kleingeld machen wollen", man müsse "Widerstand überall dort leisten, wo andere diskriminiert, verspottet, abgelehnt werden."
Die Abschlussrede hielt Hans Marsalek, ehemaliger österreichischer Mauthausenhäftling und bis heute aktiv im Internationalen Mauthausen Komitee und in der "Lagergemeinschaft Mauthausen". Er erinnerte an die vielen Häftlinge des KZ Mauthausen, von denen der kleinste Teil aus Österreich und Deutschland stammte. Wie könne eine österreichische Regierung heute annehmen, daß die Menschen aus den Ländern, aus denen diese Häftlinge kamen, dies vergessen haben. Er nannte die Namen berüchtigter österreichischer Nazis und äußerte Verständnis für die internationalen Reaktionen gegen die ÖVP/FPÖ Regierung. Zum Schluß seiner Rede richtete er besondere Dankesworte vor allem an die Jugend, aber auch an alle Verbände und Gruppen, ohne deren Mitwirkung die Befreiungsfeiern nicht möglich gewesen wären und er sprach über deren zukünftige politische Verantwortung, wenn es keine ehemaligen Häftlinge mehr gibt. Es war eine beeindruckende Befreiungsfeier. Beeindruckend in mehrfacher Hinsicht. Stärker als die vergangenen Jahre, prägten die ehemaligen Häftlinge die Feier. Schmerzhaft sichtbar, wie Wenige sie inzwischen sind - 55 Jahre nach der Befreiung - und viele bereits weit über 70 Jahre alt. Spürbar der historische Einschnitt, der sich vor unseren Augen vollzieht. Der Antifaschismus wird sich verändern, wenn er nicht mehr von ihnen mitgestaltet werden wird. Die Gedenk- und Befreiungsfeiern werden sich verändern. Egal in welchem ehemaligen KZ, bei allen Feierlichkeiten, war die Ausstrahlung der ehemaligen Häftlinge stets spürbar.
Beeindruckend aber auch aufgrund der starken internationalen Beteiligung, die Visionen provoziert. Welch politische Kraft gegen Neofaschismus könnte entstehen, wenn wir - über alle Parteigrenzen und Weltanschauungen hinweg - im Alltag überall zusammenstehen würden. Visionen, die in einer konkreten Aufgabe für die Zukunft münden sollten.
Und es war eine Befreiungsfeier, der wichtige politische Entscheidungen, vielleicht sogar Weichenstellungen, vorausgingen. Die OrganisatorInnen der Feier - "Mauthausen Aktiv Österreich" und die "Lagermeinschaft Mauthausen" hatten entschieden, die österreichische Bundesregierung nicht einzuladen. Und - zusammen mit dem Internationalen Mauthausen Komitee - fiel der Entschluß, am abendlichen Konzert der Wiener Philharmoniker nicht teilzunehmen, weil man die Anwesenheit von FPÖ-Politikern befürchtete. Die Bedeutung dieser politischen Entscheidung wird in ihrer ganzen Tragweite vielleicht erst in Zukunft zur Geltung gelangen. Aber eines gilt schon jetzt als sicher, hier wurde eine notwendige politische Grenze gezogen gegen die wachsende Tendenz, den Antifaschismus politisch zu instrumentalisieren. Der FPÖ wurde die Möglichkeit genommen, ihr internationales Image über eine Anwesenheit bei den Feierlichkeiten aufzubessern.

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