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Nummer 4 / Oktober 2000



Neue Bündnispartner:

Wie antifaschistisch ist die CDU?

von Janka Kluge

AntifaschistInnen können in diesen Tagen immer wieder an ihrem Weltbild zweifeln. Da rufen führende Mitglieder der CDU zu antifaschistischen Kundgebungen auf und die Vorstände der Arbeitgeberverbände mobilisieren ihre Mitglieder, damit sie gegen prügelnde und brandschatzende Nazis Flagge zeigen. So sehr es zu begrüßen ist, wenn sich neue Mitsteiter für eine solidrische Welt, in der Rassismus geächtet ist und Nazis bekämpft werden, finden, sind doch Fragen und Zweifel angebracht.

Die CDU und die Arbeitgeberverbände haben ihren Antifaschismus erst in letzter Zeit entdeckt. Anstoß hierfür war zum einen der Bombenanschlag in Düsseldorf, bei dem 10 jüdische AussiedlerInnen aus Russland zum Teil schwer verletzt wurden. Hinzu kam noch, daß die gleichzeitig anlaufende Green-Card-Kampagne im Ausland nicht den gewünschten Erfolg hatte. Die ausländischen Computerspezialisten haben sich keineswegs auf die beschränkte Arbeitserlaubnis gestürzt. Im Gegenteil, die ausländische Presse, sensibilisiert durch den nazistischen Terror der letzten Jahre, berichtete über die fast jede Woche stattfindenden Naziaufmärsche, die Gewalttaten und die Angriffe gegen Ausländer. Unternehmer begannen um ihre Exportchancen zu bangen. Erst diese Kombination brachte CDU und Arbeitgeberverbände dazu, ihr öffentliches Bekenntnis gegen Rassismus und Gewalt abzulegen. Was weder die einen noch die anderen daran hindert, den "Extremismus von rechts und links" anzuprangern und damit Neonazis und Gegendemonstranten in einen Topf zu werfen.

Vom NPD-Programm zur CDU/CSU-Politik

Dabei waren und sind die Unionsparteien immer wieder bereit, Themen und Vorschläge von nazi- und ultrarechten Parteien aufzunehmen und in ihre Programmatik einzuarbeiten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Bereits Ende der 70er Jahre forderte die NPD einen Abschiebeknast am Frankfurter Flughafen. Heute werden jeden Tag vom Frankfurter Flughafenknast aus Flüchtlinge abgeschoben... . Getreu dem Motto von Franz Josef Strauß, daß es neben der CDU/CSU keine weitere rechte Partei geben darf, hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung gesagt, daß die Union die "nationalkonservativen Kreise rechts der Mitte in die CDU integrieren" solle. Eine Meldung, die die NPD in ihrer Zeitung "Deutsche Stimme" mit Freude vermeldet hat.1 Es ist bezeichnend, daß der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel sich trotz aller Affären und Finanzskandale schützend vor seinen Amtskollegen Koch stellt. Auch die deutliche Offerte an das ganz rechte Lager, kann Erwin Teufel, der im Fragebogen des FAZ-Magazins Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus als die von ihm am meisten bewunderten Personen bezeichnet hat, offenbar nicht in seiner Haltung gegenüber Koch beirren.

Von Wildbad-Kreuth nach Weikersheim

Ganz offen wurde der Schulterschluß zwischen der CDU und neofaschistischen Kreisen von Berlins ehemaligem Innensenator Heinrich Lummer vollzogen, der CDU-Veranstaltungen schon mal von NPD-Schlägern schützen ließ. Aber auch im Musterlände lassen sich beeindruckende Beispiele solcher Kungelei finden. 1975 - der Geist von Wildbad Kreuth war virulent - wurde von baden-württembergischen CDU-Mitgliedern ein "Freundeskreis Franz Josef Strauß" gegründet. Diese Vorreitertruppe für den Aufbau einer vierten Partei war der Ansicht, daß "Strauß die einzige Pesönlichkeit ist, die in Zeiten des allgemeinen Verfalls und der Aushöhlung aller bisher gültigen Werte dieser Entwicklung entgegenwirken könnte".(2)

Ähnliches haben auch die beiden baden-württembergischen CDU-Politiker Hans Karl Filbinger und Herbert Czaja vertreten. Ebenfalls 1975 begrüßte Czaja zu einer Gedenkveranstaltung in seiner Funktion als Präsident des Bundes der Vertriebenen, den noch von Hitler persönlich eingesetzten "Führer-Nachfolger "Großadmiral Dönitz als Gast der Feierstunde". In einem Artikel, den die antifaschistische Zeitung "Die Tat" hierüber veröffentlichte, hieß es, daß Czaja den Ehrengast der Vertriebenen mit den Worten pries, daß er "bis an den Rand des Möglichen seine "Pflicht zum Schutz der Gemeinschaft und des Volkes getan habe".(3) Auch der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Karl Filbinger war davon überzeugt, alles für das Volk getan zu haben. Für seine Taten als Marinerichter in Norwegen, wo er während es 2. Weltkrieges stationiert war, fand der "furchtbare Jurist" wie Rolf Hochhut ihn nannte, die folgende "Entschuldigung": "Was gestern Recht war, kann heute nicht Unrecht sein". Obwohl Filbinger wegen der Vorwürfe gegen ihn, und vor allen Dingen wegen seiner Unverfrorenheit alles bis zuletzt zu leugnen, von seinem Amt zurücktreten mußte, bleibt er sich und seinen Auffassungen bis heute treu. Allerdings vertritt er seine rechten Äußerungen nicht mehr im Stuttgarter Landtag, sondern in dem von ihm gegründeten und über Jahre geführten Studienzentrum Weikersheim. Hier treffen sich Vertreter und Vordenker von Neofaschisten und Studentenverbindungen mit Politikern von CDU/ CSU zur gemeinsamen Strategieberatung. Seit seiner Gründung ist das Studienzentrum fest in der Hand der baden-württembergischen CDU.

Vom Schuldenberg zur Villa

Zu dieser Sammlung rechter Umarmungen gehört, daß die baden-württembergische Landesregierung der NPD jahrelang die zu unrecht erhaltene Wahlkampfkostenerstattung stundete. Die NPD saß zwischen 1968 und 1972 mit 9,8% der Wählerstimmen ausgestattet im baden-württembergischen Landtag. Auf der Grundlage dieses Wahlergebnisses beantragte die NPD 1972 einen Vorschuß auf die zu erwartetende Wahlkampfkostenerstattung und erhielt ihn auch. Die Nazipartei trat dann allerdings erst gar nicht zur Landtagswahl an, sondern rief ihre Anhänger dazu auf, die Filbinger-CDU zu wählen. Mit Erfolg. Die CDU erreichte die absolute Mehrheit. Und weil bekanntlich eine Hand die andere wäscht, durfte die NPD die zu Unrecht erhaltene Wahlkampfkostenerstattung in Millionenhöhe in bequemen Raten von knapp DM 1500 pro Monat abstottern. Auch spätere Landesregierungen haben an dieser großzügigen Regelung nichts geändert. Dabei hätte die NPD noch bis 1997 mit einer Vollstreckung der Gesamtschuld in den sicheren Ruin getrieben werden können. 1997 hat die NPD ein bedeutendes Anwesen samt Villa in Eningen (bei Reutlingen) geerbt und ist seitdem finanziell saniert.

So schön es ist, wenn im Kampf gegen Rechts neue MitstreiterInnen dazu kommen, sollten wir in eine CDU, die nicht müde wird zu erklären, daß es gegen Extremismus geht und nicht gegen Neofaschismus, keine großen Hoffnungen setzen. Wenn sich die Aufregung um die Green-Card und die Anschläge der Neonazis gelegt hat, wird auch die CDU ihr Schafsfell wieder ablegen.

Anmerkungen
1) Deutsche Stimme
2) Frankfurter Rundschau vom 14.4.75, zitiert nach F. Kuballa und J. Roth "Faschismus kommt nicht über Nacht", S. 47, Werner Raith-Verlag , 1976
3) Die Tat, 5.4.75, zitiert nach F. Kuballa und J. Roth, S. 57, ebenda.

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