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antifNACHRICHTEN an200010
Nummer 4 / Oktober 2000



Neoliberales antidemokratisches rassistisches Projekt zum Sozialabbau - faschistische Tendenzen eingeschlossen:

Österreich zuerst

(1) von Anne Rieger

"Die FPÖ bleibt die Partei die sie war".2 Dieses Bekenntnis zur Kontinuität der Politik der FPÖ - am Tag nach der Aufhebung der Sanktionen der EU-14 gegen Österreich - gibt eine ab, die es wissen muss: Die Generalsekretärin der Partei, Theresia Zierler. Was war - was ist - die FPÖ für eine Partei?

Neoliberal zuerst

Ein Großgrundbesitzer, immer gern im Porsche unterwegs, setzt sich für die kleinen Leute ein. Das scheinen ihm nicht wenige Österreicher geglaubt zu haben, sonst hätten Jörg Haider und seine FPÖ bei der Nationalratswahl im vergangenen Oktober nicht 27 Prozent der Stimmen erhalten. Vorher hatte Haider verheißen: "...wir werden es schaffen..., für Österreich beispielhaft zu beweisen, dort wo Freiheitliche tätig sind, dort geht es den Menschen gut, dort kämpft man für Arbeitsplätze, dort ist die Gerechtigkeit in Ordnung, und dort hat auch der Kleine eine Chance, und das ist unsere Politik... ."3

Doch seit dem 4. Februar 2000, dem Amtsamtritt der ÖVP/FPÖ-Regierung in Wien, quellen die Nachrichten über vom Horror der Ökonomie, der täglichen Schreckensmeldungen des FPÖ- und unternehmergesteuerten schwarzblauen Sozialabbaus: Pensionsreform mit höherem Eintrittsalter für alle, rückwirkende Abschaffung von Frühpensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, höherer Pensionsbeitrag für Beamte, auch derjenigen, die bereits im Ruhestand sind, Erhöhung der Massensteuern, Steuergeschenke für die Unternehmer, Arbeitsplatzabbau statt Kampf um Arbeitsplätze. Bis zu 50 000 Beamte sollen "eingespart" werden, und Lehrer sollen durch eine Stunde Mehrarbeit pro Woche und geringere Überstundenbezahlung vier Milliarden Schilling hergeben. In der Verwaltungsreform sieht der Papierindustrielle und Zweite Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn (FPÖ) ein Einsparpotential von 100 Milliarden Schilling (7,27 Milliarden Euro). Für die sogenannte "Sanierung des Haushalts", eines der beiden Hauptanliegen der Regierung Schüssel, sollen die kleinen Leute zahlen. "Die Regierung hat das ehrgeizige Ziel, mit den Schulden Schluss zu machen und dazu ist ihr nur zu gratulieren. So zwischen 90 und 100 Milliarden müssen es sein,"4 bekennt Haider offen Farbe. Keine "Chance" für die "Kleinen" - Haiders Versprechungen lösen sich in Luft auf. Die Börsenspekulationssteuer dagegen soll aufgehoben werden

"Im Dritten Reich haben's jedenfalls eine ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht..."

Die Wähler hätten es wissen können: Bereits am 13. Juni 1992 hatte Haider als Kärntner Landeshauptmann im Landtag die Meinung vertreten: "Im Dritten Reich haben's jedenfalls eine ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht... ." Wer angesichts dieser Aussage und der Ausbeutung von Millionen Zwangsarbeitern durch deutsche Konzerne, Staat und Kommunen daraus nicht die Schlussfolgerung zog, in wessen Interesse Jörg Haider und seine Partei tatsächlich Wirtschaftspolitik machen würde, muss es heute mühsam lernen. Mensch erinnere sich nur an die Ausbeutung von Millionen Zwangsarbeitern und die den Opfern vorenthaltenen Löhne in Höhe von 180 Milliarden Mark nach heutigem Wert5, um zu erkennen, wessen Interessen Haider vertritt.

Antigewerkschaftlich

Auch die unverschämten Angriffe der neuen Bundesparteiobfrau und Vizekanzlerin, Susanne Riess-Passer auf die Gewerkschaften: "Diese Regierung ist nicht erpressbar. Schon gar nicht von einer Hand voll dienstfrei gestellter Gewerkschafter"6, waren durch einen Blick ins Freiheitliche Parteiprogramm vorhersagbar. "Blokkadehaltung" und "Abmauern" wirft sie den Gewerkschaftern im Streit um die Pensionsreform (die aus gewerkschaftlicher Sicht einfach eine Geldbeschaffungsaktion ist) und um den Arbeitsplatzabbau vor. Und sie unterstützt Haiders Diffamierung der Personalvertretung der Lehrer, wo er "parasitäre Elemente" entdeckt hat. Die Vizekanzlerin dazu: "Sagen Sie mir, wie Sie es nennen würden. Man kann auch sagen: Ausnützen des Systems."

Im Parteiprogramm der Freiheitlichen war bereits 1997 unter dem Stichwort "Faire Marktwirtschaft" zu lesen: "Eine Umfassende Deregulierung des Wirtschaftslebens steigert die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft, sichert ihr Gedeih und schafft Arbeit." Ein Blick über die Grenze nach Deutschland, hätte gezeigt, was unter Deregulierung verstanden wird: Sozialabbau, Abbau von Arbeitsplätzen und Schutzrechten der Beschäftigten. Schon Anfang der 90er Jahre wurde in Bonn auf Betreiben der Finanz- und Industriekonzerne eine Deregulierungskommission gegründet, deren Vorstellungen, im sogenannten Rexrodt-Papier niedergelegt, seitdem Punkt für Punkt Wirklichkeit werden. Dabei stören Gewerkschaften. Und folgerichtig heißt es im FPÖ-Programm einige Zeilen weiter: "Reduzierung des Einflusses der Interessenvertretungen" bei der "echten Privatisierung". In diesem Sinne "kämpft" Peter Westenthaler, FPÖ Klubobmann, "für eine Senkung der Arbeiterkammerumlage"7. Dieses gesetzliche Mitbestimmungsgremium soll also finanziell geschwächt, mundtot gemacht werden. "Die Zerschlagung der Arbeiterkammer", bedeutet das für die SPÖ-Geschäftsführerin Andrea Kuntzl8.

Hintermänner aus der Industrie

Ein solches Programm verwundert nicht, hält mensch sich vor Augen, welche sozialen Gruppen in der FPÖ das Sagen haben. Der Landeshauptmann von Kärnten ist Großgrundbesitzer des Bärentals, eines bedeutenden landwirtschaftlichen Anwesens, Prinzhorn ist Papierindustrieller, Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der sich für eine weitere Verschärfung der Sanierung des Staatshaushalts - auch auf Kosten der "Kleinen" - stark macht, stammt aus einer Unternehmerfamilie. Das Magazin "Format"9 hat anlässlich der Lybien-Reise von Haider im Mai Connections zu industriellen Haider-Hintermänner aufgedeckt. Der Chef der Hypo Alpe Adria Bank AG, Wolfgang Kulterer, begleitete ihn, der sieben-sitzige Learjet 55 mit dem geflogen wurde, wird von der Goldeck Flug GmbH des Bauindustriellen Hans Peter Haselsteiner betrieben, Besitzer ist der Villacher Bau- und Tourismusunternehmer Robert Rogner. Ebenso gibt es Kontakte zum Generaldirektor der Grazer Wechselseitigen Versicherung Friedrich Fall und dem Großaktionär und Aufsichtsratschef des Internet-providers YLine Ernst Hofmann.

Interessen der Deutschen Wirtschaft zuerst

Auch nach Deutschland hinein gibt es enge ökonomische Beziehungen - neben den politischen in den süddeutschen CDU/CSU Raum. Die Wiener Kronenzeitung schreibt seit 1987 für Haider, ebenso lange ist der WAZ-Konzern (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Neue Ruhr-Zeitung) mit 45 Prozent an ihr beteiligt. Mit ihrer Auflage von 1,3 Millionen erreicht sie ein Drittel der Bevölkerung und ist damit das einflussreichste Massenblatt. WAZ-Geschäftsführer Erich Schumann gehörte jahrzehntelang der SPD an, bis vor wenigen Monaten, als bekannt wurde, dass er Helmut Kohl 800 000 Mark gespendet hat. Sein Konzern (mit Beteiligungen an Funk und Fernsehen) hat sich in den vergangenen Jahren bis ans Schwarze Meer ausgebreitet.

Deutsche Firmen haben sich breit gemacht. 1999 war Siemens Österreich der Konzern mit dem höchsten Gewinn vor Steuern. Mit 51 Milliarden Schilling lag er auf Platz 6 der 1000 umsatzstärksten Unternehmen in Österreich, 20 000 Beschäftigte erwirtschafteten eine Umsatzrendite von 13 Prozent, die zweithöchste im Land, nachdem Siemens den "Audio-Video Bereich eingestellt und den Ausstieg aus den schwer defizitären Österreichischen Kabelwerken vollzogen hatte."10 BMW unterhält die Motorenwerke in Steyer, das konzernweite Dieselkompetenzzentrum, 2400 Beschäftigte erarbeiteten im ersten Halbjahr 2000 einen Umsatz von 820 Mio Euro, MAN betreibt die österreichische Automobilfabrik ÖAF in Wien und die SNF in Steyr mit insgesamt 4400 Beschäftigte und 13 Mrd. S Umsatz. Der Medienunternehmer Kirch ist über den TV-Sender Pro 7 flächendeckend vertreten, der Süddeutsche Verlag (Süddeutsche Zeitung) hält 49 % am Standard, der bedeutendsten Tageszeitung des Landes. Im April übernahm die Zahnradfabrik Passau die Steyr Antriebstechnik 11.

Das angekündigte Privatisierungsfieber der FPÖ/ÖVP-Regierung, Prinzhorn: "Wir bringen jetzt Dynamik in die Privatisierung"12, nutzten deutschen Geldsammelstellen. Im Juli wurde die größte Bank Österreichs, die Bank Austria, an die bayerische Hypo-Vereinsbank verkauft. Unter anderem gehen damit die 340 Standorte der Bank Austria Tochter PBK im Raum Warschau an die Bayerische Vereinsbank. Die bisher zweitgrößte Bank Deutschlands wird damit zum drittgrößten Bankkonzern Europas13. Im August "wurde die österreichische Postsparkasse an die Gewerkschaftsbank Bawag verkauft, hinter der auch die Bayerische Landesbank-Girozentrale und der Allianz Konzern stehen."14 Für 2,5 Mrd. DM erhalten die Deutschen damit Zugang zu der beispiellosen Präsenz mit 2300 Postämtern und 14000 Briefträgern als PSK-Mitarbeiter im Außendienst. Mit dem Verkauf der Bank, deren größter Aktionär die der Gemeinde Wien nahestehende Anteilsverwaltung Z ist, ist eine wirtschaftsstrategische Schaltstelle aus der Hand gegeben worden. Ein umfangreiches Beteiligungsnetz von Baufirmen, Ziegeleien, chemischen Fabriken, Gastronomiebetrieben und Hotels mit ungefähr 50 000 Beschäftigten im industriellen und Dienstleistungssektor ist damit nationalstaatlicher Kompetenz weitgehend entzogen, die Unabhängigkeit der österreichische Wirtschaft massiv bedroht. Mit dem Wegfall der nationalen Bindung des Bankkapitals in Österreich werden auch die letzten sozialpolitischen Hemmschwellen beseitigt.

Erfüllung der Maastricht-Kriterien

Damit werden die Forderungen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofinrat) vom 8. Mai erfüllt. Die österreichische Finanzpolitik entspreche nicht den Mindestanforderungen der EU hatte der Ecofin-Rat bemängelt: "Die Reform des öffentlichen Sektors und der Transfer- und Sozialleistungen" müssten "entschieden vorangetrieben werden."15 Der Rat verlangte, die Maastricht-Grenze bei der Staatsverschuldung von 60 % der Bruttoinlandproduktes statt wie derzeit geplant im Jahre 2005 schon im Jahre 2002 zu erreichen. FPÖ-Finanzminister Grasser "wertete die harte Kritik seiner Kollegen als willkommene Schützenhilfe für seine Konsolidierungsbemühungen". Der deutsche Finanzminister lobte dies nachdrücklich: Der österreichische Kollege hat sich ausgesprochen konstruktiv verhalten."16

Österreich wird mit Hilfe der FPÖ zum europäischen Musterschüler beim Abbau des Sozialstaats um die Maastricht-Kriterien zu erreichen. Das vormals sozialpartnerschaftliche Modell hatte in den verstaatlichten Betrieben - die einst 40 Prozent der Schlüsselindustrien ausmachten - seine wichtigste materielle Voraussetzung, weil hier das Primat der Politik, vor allem bei der Sicherung der Arbeitsplätze, tendenziell zur Geltung kam.17 Rückbau des Staates, Liberalisierung und Privatisierung wird nun mit Hilfe der FPÖ vollendet. Entgegen dem Wahlprogramm müssen jetzt auch die Lohn- und Einkommensbezieher 10 Mrd. Schilling zur Sanierung des Bundesbudget beitragen.18 Die FPÖ ist eben eine ausgewiesene Unternehmerpartei, und ihre "Faire Marktwirtschaft" ist die österreichische Spielart der Zerschlagung des Sozialstaats. Drum konnte sich Christoph Leitl, Vorsitzender des österreichischen Wirtschaftsbundes, freuen: Ein gut Teil der Forderungen der Wirtschaft habe Eingang in das Regierungsprogramm gefunden.

Zivilcourage der europäischen Wirtschaft gegen Haider?

So war von der bei uns auch von den Unternehmern immer wieder geforderte Zivilcourage gegen Neofaschisten und Rechtsradikale bei den europäischen Industrieführern nichts zu finden. Weder gegen Haider, seine FPÖ oder die, um ein Drittel gestiegenen, rechtsextremen Vorfälle im ersten Halbjahr 2000 (164 gegenüber 120 im Vorjahr)19 wurde eine ökonomische Isolierung durch Wirtschaft und Industrie in der Zeit der politischen EU-Sanktionen vorgenommen. Im Gegenteil, "gewaltig zugenommen, nämlich um 17 % gegenüber dem Vorjahr, hat der Außenhandel. Und für die Industriellen Vereinigung, eine Art BDI in Österreich, sagt Generalsekretär Lorenz Fritz: 'Von unseren industriellen Freunden in Europa haben wir sogar mehr Aufträge bekommen. Wir buchen das unter Sympathie. In der Wirtschaft gehen halt die Uhren anders.'"20 Es sind nicht Uhren - es sind die Gewinne und Extraprofite, die von der FPÖ gesteuerten Regierung in den Schoss der Westdeutschen Manager und Großaktionäre fallen, die ihr Handeln bestimmen.

Spaltung durch Rassis-mus und Chauvinismus

Und so meinte Klubobmann Westenthaler sicher nicht das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht der ÖsterreicherInnen über die von ihnen erarbeiteten Werte, als er nach Aufhebung der bilateralen EU-Sanktionen forderte "Österreich zuerst". Hinter diesen zwei kurzen Worten steckt, verbunden mit der Losung "Zuwanderungsstopp auf Null", ein chauvinistisches Programm nach innen und außen. Ziel ist die Spaltung der abhängig Beschäftigten.

Die FPÖ vertritt die radikale Fraktion der ökonomisch Herrschenden. Sie hätte keine Massenbasis gefunden, wenn nicht schon unter der SPÖ-geführten Regierung der gesamteuropäische neoliberale Trend die österreichische Politik bestimmt hätte - mit der Folge eines tiefgreifenden und weitreichenden Verlusts an Vertrauen und Selbstvertrauen bei Mitgliedern und Wählern der SPÖ. Die FPÖ, die sich den kleinen Leuten als Alternative anbot, obwohl sie in Wahrheit die reaktionärsten Kräfte der ökonomisch Herrschenden vertritt, spricht nicht unbedingt eine besonders rabiate Sprache, sondern präsentiert sich zumeist sachlich und nüchtern im Gewand des ökonomischen Sachzwangs. Dass der sich allemal zu Lasten der Unteren auswirkt und es immer nur mit den Oberen gut meint, darf das Publikum nicht durchschauen. Diesen Sachverhalt zu vernebeln, versteht Haider wie kein zweiter. Die Profiteure des blauschwarzen Sozialabbaus, der Umverteilung von unten nach oben, die heimischen und europäischen Konzerne und Banken, bleiben im Dunkeln. Ins Licht der öffentlichen Scheinwerfer und Medien zerrt Haider die angeblichen Verursacher des Griffs in die Taschen der kleinen Leute: ausländische Kollegen, Frühpensionäre, Kranke, Zivildienstleistende, Lehrer usw. Die Spaltung der abhängig Beschäftigten - Haider hat sie perfekt vollzogen.

Aber sie reicht, nachdem die FPÖ nun an der Regierung beteiligt ist, nicht mehr aus, um von den tatsächlichen Verursachern und Nutznießern abzulenken. Darum spielten Haider und seine Mannen und Frauen auf dem neuen Klavier der bilateralen Sanktionen der EU-Staaten gegenüber Österreich. Mit täglicher Medienpräsenz wurden die österreichischen Bürger nationalistisch zusammengeschweißt gegen den Rest der EU. Auch hier wird die nationalistische Spaltung innerhalb der EU zelebriert.

Neofaschistische Tendenzen

Nun hat der EU-"Weisen"rat seinen Bericht vorgelegt und trotz diplomatischer Zurückhaltung seine Besorgnis über die FPÖ geäußert: "Hohe Parteifunktionäre der FPÖ haben über eine lange Zeit hinweg Stellungnahmen abgegeben, die als fremdenfeindlich oder sogar als rassistisch verstanden werden können. Viele Beobachter erkennen in den verwendeten Formulierungen nationalistische Untertöne, manchmal sogar Untertöne, die typisch nationalsozialistischen Ausdrücken nahe kommen, oder sie sehen in ihnen eine Verharmlosung der Geschichte dieser Zeit." Die Weisen zogen daraus den Schluss "Die FPÖ wurde als rechtspopulistische Partei mit extremistischer Ausdrucksweise qualifiziert. (...) Dies muss Anlass zur Besorgnis geben"21. Gemeint sein dürften - neben ständigen menschenfeindlichen rassistischen Äußerungen - Haiders Äußerungen zur Zwangsarbeit im Faschismus (siehe oben), die Ehrung langjähriger FPÖ-Mitglieder durch den Nationalratsabgeordnete und Landtagsklubobmann der FPÖ Niederösterreichs Ernst Windholz mit dem 1931 von Adolf Hitler für die SS eingeführten Motto: "Unsere Ehre heiß Treue"22 oder Westenthalers "Österreich zuerst" und ähnliche Greuelsprüche wie z.B. das Wahlkampfplakat zu den Arbeiterkammerwahlen im Sommer: "Sozialdemokratische Österreichbeschmutzer"23. Nichts hat sich geändert. Landeshauptmannstellvertreter Matthias Reichhold erklärt: "Ich bin so froh, dass ich seit dem Weisenbericht im Ausland kein Faschist mehr bin."24 Analytisch gelesen heißt das, vorher war er Faschist und im Inland ist er es immer noch. Und so hat Thersia Zierler recht. Die Partei bleibt die, die sie war. Höchste antifaschistische Aufmerksamkeit ist geboten.

Abbau des Rechtsstaats

Genau so sehen es die Österreichischen Demokraten und Antifaschisten. Der Regierung stellten sich gleich bei ihrem Amtsantritt 250 000 Demonstranten auf dem Wiener Heldenplatz entgegen. Allwöchentlich donnerstags folgen seitdem Proteste gegen die Machtübertragung auf die blauschwarze Regierung, den Sozialabbau und die Angriffe auf die Demokratie. Demonstrieren wird jetzt sogar von Bundeskanzler Schüssel in Frage gestellt.

Nicht nur das. "Die FPÖ verklagt alles was sich bewegt" formuliert Hans Rauscher, bekanntester Kommentator Österreichs25 zur Situation. Österreichische Gerichte tendieren zu einer Beschränkung der Meinungsfreiheit. So wurde der Politologe Anton Pelinka zu 9000 Mark Strafe verurteilt, weil er gesagt hatte: "Haider hat in seiner Karriere immer wieder Aussagen gemacht, die als Verharmlosung des Nationalsozialismus zu werten sind. Er hat einmal die Vernichtungslager Straflager genannt. Insgesamt ist Haider verantwortlich für eine neue Salonfähigkeit bestimmter nationalsozialistischer Positionen und Äußerungen."26 Früher fertigte die Kanzlei von Haiders Vertrauensanwalt Dieter Böhmdorfer die meisten Klageschriften aus. Jetzt ist Böhmdorfer Justizminister, hat seine Anteile an der Kanzlei verkauft; diese ist jedoch weiter für die FPÖ aktiv.27

Haider verlangte, Abgeordnete, die Kritik an der Regierung oder an einzelnen Regierungsmitglieder üben zu bestrafen. Auf der Grundlage des Paragraphen 248 des österreichischen Strafgesetzbuches gegen die "Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole" verlangte er SP-Chef Gusenbauer strafrechtlich zu verfolgen. Eine Strafbestimmung gegen "Vaterlandsverräter" einzuführen sei eines "entwickelten Rechtsstaates unwürdig", hielt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim dagegen28. "Diese Art von Gesinnungsterror" erinnere "an das Dritte Reich". Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der FPÖ Justizminister Böhmdorfer dagegen vertritt die Ansicht, diese Angriffe auf die Freiheit der Kritik, gehörten zur Meinungsfreiheit. Seitdem verschwinden die Rücktrittsforderungen nicht von der österreichischen Tagesordnung. Der EU-Weisenrat hält Böhmdorfers Verhalten für eine "schwere Bedrohung der in Artikel 6 des EU-Vertrages niedergelegten grundlegenden Prinzipien." Das systematische Betreiben von Beleidigungsverfahren der FPÖ, um Kritik an zweideutigen Aussagen zu unterdrücken, gebe "Anlass zu ernsthafter Sorge hinsichtlich der von der FPÖ in Österreich geführten politischen Auseinandersetzung. Dies gilt in besonderer Weise seit die FPÖ Teil der österreichischen Bundesregierung ist.".29

"Haider muss hinaus in die Welt"30

"Haider steht seiner Partei zunehmend im Wege"31 kommentiert Gerhard Marschall den offen vorgetragenen Vorstoß Haiders zum Demokratieabbau. Der Industrielle Prinzhorn habe seinen Unmut darüber bereits Luft gemacht. Deshalb solle Haider hinaus in die Welt. Seine "politische Zukunft kann nur in Europa liegen, auf dieser Bühne kann er noch einmal die Rolle spielen, die er wirklich beherrscht: die des Polarisierers. (...) Warum also nicht das österreichische Erfolgsmodell exportieren und sich zum Anführer einer Sammelbewegung der europäischen Rechten ausrufen?" 32

Der Mohr hat seine Schuldigkeit in Österreich getan - der Mohr kann gehen um die Unzufriedenheit mit der neoliberalen Umverteilung von unten nach oben europaweit in rassistischen neofaschistischen spalterischen Netzen aufzufangen und umzudrehen in weiteren verschärften - unverhüllten -Sozialabbau. Die Kritik an neofaschistischen, rassistischen, ausländerfeindlichen, rechtsradikalen Parteien und Organisationen greifen zu kurz, wenn sie die ökonomischen Bedingungen ausklammert.

1 FPÖ Klubobmann Peter Westenthaler, Der Standard 14.9.2000
2 Stuttgarter Zeitung, 14.9.2000
3 Neujahrstreffen in Kärnten 10.1.1999, Internet
4 Der Standard 14./15. 8.2000 (100 Milliarden Schilling, die Autorin)
5 Thomas Kuczynski in OSSIETZKY 25/99, S. 869
6 Der Standard 5.6.2000
7 Der Standard 30.5.2000
8 ebenda
9 Format 22/2000
10 ebenda
11 Der Standard, 24.7.2000
12 Format, 23/2000
13 ebenda
14 Stuttgarter Zeitung 17.8.2000
15 Financial Times Deutschland 9.5.2000
16 ebenda
17 Junge Welt 25.7.2000
18 Format 36/2000
19 Berliner Zeitung 2.8.2000
20 Stuttgarter Zeitung 14.9.2000
21 Bericht von Martti Ahtisaari, Jochen Frowein, Marcelino Oreja, angenommen am 8. September 2000 in Paris, Internet
22 Der Standard 5.6.2000
23 Kleine Zeitung 11.6.2000
24 Format 38/2000
25 Stuttgarter Zeitung 8.8.2000
26 ebenda
27 ebenda
28 Das "Presse" Online Archiv 26.5. 2000
29 Bericht von Martti Ahtisaari u.a.
30 Die Presse 31.5.2000
31 ebenda
32 ebenda

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