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antifNACHRICHTEN an200101
Nummer 1 / Januar 2001



Brief an den Verfassungsschutz

von Rainer Bliesener

Ein Artikel in den Stuttgarter Nachrichten vom 14. 11. unter der Überschrift "Wachsende Gewalt von links gegen rechts" den der der Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Doll, initiiert hatte um mit merkwürdigen Argumenten von der Teilnahme an der Winnender Demonstration abzuraten, veranlaßte den DGB-Vorsitzenden Rainer Bliesener zu einem offenen Brief. Wir drucken ihn leicht gekürzt ab.

Sehr geehrter Herr Doll,
...In dem Artikel werden Sie mit den Worten zitiert "Jegliche Form von Gewalt, egal wie sie politisch motiviert ist, ist nicht akzeptabel". Das kann ich nur dick unterstreichen.
Weiter wird dann berichtet, Sie hätten "zunehmend den Eindruck, daß im allgemeinen Aufstand gegen den Rechtsextremismus mit zweierlei Maß gemesen wird."
Merkwürdig berührt mich ihre nicht als wörtliches Zitat wiedergegebene Formulierung "im allgemeinen Aufstand". Soll das eine Abwertung sein? Distanzieren Sie sich etwa von den Protesten der letzten Wochen? Ist es Ihr Interesse, die Gewalttaten an Menschen zu relativieren? Ich hoffe nicht. Was Sie jedoch mit dem aufrechnenden Vergleich der Gewalt von links und von rechts erreichen wollen, ist mir unklar. Beides ist Gewalt und ich verurteile beides. ... Aber wird es dem Anlass und der Sache wirklich gerecht, wenn Sie undifferenziert die Tatsache, daß "Rechte Ausländer jagen", auf die gleiche Stufe stellen wie Linke, "die z.B. bei Veranstaltungen der Republikaner Fensterscheiben einwerfen oder Autoreifen zerstechen." Beides sind Straftaten, aber ansonsten sind sie wohl nicht miteinander vergleichbar.
Ich bin stolz auf die vielen Aktivitäten gegen den Rechtsextremismus in den letzten Wochen, insbesondere auf die große Veranstaltung am 9. November in Berlin. Das lässt mich und viele hoffen, daß unsere Demokratie eben nicht bereit ist, die gleichen Fehler wie vor 1933 zu machen und wegzusehen, sondern aus der Mitte heraus und friedlich den wieder aufkeimenden Rechtsextremismus und Neonazismus zu bekämpfen. Wir können doch nicht zulassen, daß in unserem Land wieder Menschen anderer Hauptfarbe, anderen Glaubens, dass Obdachlose, Schwule und Menschen mit Gebrechen wieder Angst um ihre körperliche Unversehrtheit haben müssen.
Aus dieser Erkenntnis und aus der geschichtlichen Erfahrung heraus, sollten wir nicht rechte Gewalttaten mit dem Verweis auf linke Gewalttaten realtivieren. Hier ist eine sorgsame Differenzierung unbedingt erforderlich, die wir leider in Ihren Ausführungen vermissen. ...
Der DGB ruft als Mitveranstalter zusammen mit vielen anderen am Samstag in Winnenden zu einer Demonstration und Kundgebung gegen den Bundesparteitag der Republikaner auf. Sie können sicher sein, daß wir alles, was in unserer Macht steht, dafür tun werden, dass die Veranstaltung friedlich abläuft.
Ihre eigenartige öffentliche Darstellung kann jedoch dazu führen, daß friedliche Demonstranten den Veranstaltungen fern bleiben, weil sie aufgrund ihrer Berichterstattung "Randale" erwarten ...
Die Tatsache, daß in Winnenden ein Bündnis geschmiedet wurde, dem auch "Beobachtungsojekte des Verfassungsschutzes" wie es im Artikel heißt, angehören, ist angesichts der vielen anderen Mitträger des Winnender Bündnisses doch wohl nicht das Problem. Man muß nicht in allen Punkten einer Meinung mit der PDS oder VVN sein, um im Kampf gegen Rechtsextremismus und gegen Gewalt, für Toleranz und die Bewahrung unserer Grundrechte zusammenzustehen.

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