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antifNACHRICHTEN an200107
Nummer 3 / Juli 2001



Ostermarsch 2001:

Den nächsten Krieg verhindern!

von DL

Ostermarschaktionen in 60 Städten der Bundesrepublik. Die Mainstream-Medien aber meldeten - wie in den letzten Jahren üblich - den schleichenden Tod der Friedensbewegung. Die Teilnehmerzahlen schrumpften, das Thema fehle... . Merkwürdig, daß von all dem weder beim Ostermarsch in Stuttgart noch beim Bodensee-Ostermarsch in Lindau was zu spüren war.

Das Thema fehle? Von wegen! Zum Ostermarsch 2001 war sich die Friedensbewegung landauf, landab einig, daß es vor allem ein gemeinsames zentrales Thema gibt: Die Aufrüstung der Bundeswehr zur weltweit agierenden Kriegsmacht muß gestoppt, der nächste Krieg verhindert werden!
Die Aktionen am Ostermontag in Stuttgart begannen bereits am frühen Morgen mit friedenspolitischen Workshops und einem Friedensgottesdienst vor der US-Kommandozentrale EUCOM. Trotz regnerischen Wetters unterstrichen anschließend 300 Menschen mit Blokkade und Mahnwache, die Forderung nach sofortiger Vernichtung aller Atom- und Massenvernichtungswaffen.
Am frühen Nachmittag begrüßte Dieter Lachenmayer vor dem Hauptbahnhof im Namen des Friedensnetzes zu 40 Jahre Ostermarsch. Trotz vieler Teilerfolge in diesen 40 Jahren sei der eigentliche Erfolg der Friedensbewegung bisher ausgeblieben. Der Krieg gegen Jugoslawien beweise, daß in diesem Land Frieden als unumstößliches Prinzip der Politik nicht durchgesetzt werden konnte. Die Lügen, mit denen allein dieser Krieg gerechtfertigt werden konnte, bewiesen aber auch, "daß das Verbreiten der Wahrheit über den Krieg und seine Vorbereitung, den nächsten Krieg verhindern kann."

3500 in Stuttgart
Als der Ostermarsch sich schließlich in Bewegung setzte strahlte auch die Sonne durch die Wolken: Ein langer bunter Zug mit Transparenten, Liedern und allerdings nur zögerlichen Sprechchören. Nur die kurdischen und türkischen Freunde, die den Ostermarsch nutzten, um Solidarität mit den Hungerstreikenden gegen Verschlechterung der Haftbedingungen in der Türkei zu demonstrieren, machten vor, das frau/man seine Sache auch lautstark vortragen kann. Am Schloßplatz schließlich konnte Jeanette Wern 3500 OstermarschiererInnen begrüßen.
Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK griff als erster Redner auch das Anliegen der kurdischen Mitdemonstranten auf: Die deutsche Rüstungsexportpolitik sei inhuman. Sie trage dazu bei, daß der Bürgerkrieg der türkischen Armee gegen Kurden mit Waffenlieferungen in Milliardenhöhe fortgesetzt werden könne. "So lange die Grenzen offen sind für Waffenlieferungen und geschlossen für Flüchtlinge, halte ich das Gerede um Humanität für verlogen", fasste Jürgen Grässlin die sogenannte Menschenrechtspolitik der Bundesregierung zusammen.

Neue Bundeswehr -Beitrag zur Kriegführung!
Massiv kritisierte der Redner die Umwandlung der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Angriffsarmee. Dazu gehöre die Verdreifachung der sogenannten Kriseninterventionskräfte der Bundeswehr auf 150.000 und der Aufbau einer europäischen Interventionsstreitmacht von 60.000 Soldaten. Dazu gehöre auch die Neubeschaffung milliardenschwerer Waffensysteme, die für Auslandseinsätze gedacht seien.
Die Frage, wozu diese Auslandseinsätze dienten, habe Minister Scharping mit seiner Äußerung "wir erhalten 90% unserer Rohstoffe aus dem Ausland" verblüffend offen beantwortet. "Die Umstruktierung der Bundeswehr war und ist ein aktiver Beitrag zur Kriegsführung", stellte Jürgen Grässlin fest. Seine Forderungen an die Bundesregierung wurden mit viel Beifall unterstützt: Reduzierung des Verteidigungshaushaltes, die Abschaffung der Krisenreaktionskräfte und des Kommando Spezialkräfte sowie der Stopp aller Waffenbeschaffungsprogramme für out-of-area Einsätze.

KSK auflösen!
Auch der zweite Redner, der DGB-Vorsitzende Rainer Bliesener, forderte eine Friedenspolitik, die diesen Namen verdient. Abschreckung und Kampfeinsätze seien der falsche Weg. Das Geld, das Scharping für die Rüstung fordere, werde gebraucht "für Rentnerinnen und Rentner, Familien und Kinder, für Arbeitslose, für den Kampf gegen Armut und Hunger und für internationale Solidarität und Entwicklung".
Eindeutig wandte sich der Gewerkschafter gegen das von den USA geplante Raketenabwehrsystem NMD. Das Projekt sei sicherheitspolitisch unsinnig und verschlinge "zum Fenster hinausgeschmissenes Geld". Der DGB Vorsitzende forderte eine weitere Verkleinerung der Bundeswehr. Allerdings müssten Standortschließungen mit der Schaffung alternativer Arbeitsplätze verbunden werden. Dafür hatte Rainer Bliesener einen konstruktiven Vorschlag an Minister Scharping parat: "Machen Sie die Kaserne in Calw dicht, in der das Kommando Spezialkräfte trainiert wird und schließen Sie die Standorte, an denen die Einsatzkräfte für die geplante Interventionsmacht von 150000 Soldaten stationiert werden"! Rainer Bliesener zitierte das DGB-Grundsatzprogramm: "Soziale, ökonomische und ökologische Konflikte müssen auf zivilem Wege ohne militärische Gewalt gelöst werden." Dem ist nichts hinzuzufügen, schloss er. Der Konflikt in Israel und Palästina war das Thema der Trägerin des alternativen Nobelpreises, Felicia Langer, die seit vielen Jahren als israelische Rechtsanwältin und Autorin Partei für Menschenrechte und Frieden in der Region ergreift. Sie machte vor allem die israelische Politik für die aktuelle Eskalation der Gewalt verantwortlich. Seit neun Jahren warte die palästinensische Bevölkerung vergeblich auf die Früchte des Friedens.

Frieden: das grundlegende Menschenrecht!
Stattdessen erlebe sie weiterhin die völkerrechtswidrige Besiedlung, Landenteignung, Wasserknappheit, Erniedrigung und Schickanen, wirtschaftliche Abhängigkeit, Zerstörung ihrer Häuser und der Infrastruktur. Ein Ende der Spirale der Gewalt sei nur durch ein Ende der Besatzung, durch Selbstbestimmung für das palästinensische Volk in einem lebensfähigen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptsstadt möglich. Dafür bräuchte die palästinensische Bevölkerung wie die israelische Friedensbewegung Solidarität auch von der deutschen Friedensbewegung. Menschenrechte und Völkerrecht sind universal und haben auch für Israel Geltung, betonte Felicia Langer. "Kritische Freundschaft mit Israel ist gefragt, andernfalls ist sie Betrug", ergänzte sie. Felicia Langer schloß ihren Beitrag mit den Worten: "Solidarität ist die schönste Blume der Menschheit! Und Frieden ist das grundlegende Menschenrecht!" Mut zur Solidarität machte das gemeinsam gesungene neue Ostermarschlied das im letzten Jahr zum erstenmal vom Tübinger Theodorakischor vorgetragen wurde: "Es ist die Zeit um Aufzusteh'n ...".



Bodensee Ostermarsch: Krieg macht aus Menschen Mörder

In Lindau fand der Internationale Bodensee Ostermarsch statt. 180 Menschen nahmen teil, fast doppelt soviel als im letzten Jahr.
Hauptrednerin war Anne Rieger, Landessprecherin der VVN-Bund der Antifaschisten in Baden-Württemberg. Mit den Worten "Deutsche Soldaten haben im zwanzigsten Jahrhundert niemandem Frieden gebracht." verurteilte sie die Kriegsbeteiligung in Jugoslawien ebenso wie die weitere Aufrüstung der Bundeswehr zur Interventions- und Angriffsarmee. Sie richtete den Blick auf die Milliardensummen, die die laufenden Beschaffungspläne verschlingen und einher gehen mit tiefen Einschnitten in den Sozialsystemen. Energisch wandte sie sich gegen das Argument, Abrüstung koste Arbeitsplätze und die damit verbundene Erpressung der Rüstungsindustrie. Ein Arbeitsplatz im sozialen Bereich erfordere lediglich ein Drittel der Aufwendungen wie einer im Rüstungsbereich. Die Vision von einer neuen friedlichen Wirklichkeit mit gleichen Rechten für alle Menschen auf der Welt wird sich nicht ohne massiven, öffentlichen Druck durchsetzen lassen. Aber dafür gebe es auch viele Zeichen der Ermutigung. "Unser Einsatz für den Frieden - gegen weitere Militarisierung wird letztendlich in eine friedliche Zukunft führen. Die Bedingungen dafür heißen: Wir handeln gemeinsam und entschlossen, Resignation und Stillstand wollen wir uns nicht leisten", schloß Anne Rieger ihre mit viel Beifall bedachte Rede.

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