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15.03.1997
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschisten

Baden-Württemberg



antifNACHRICHTEN an9701

Heft Nummer 1/1997


Rambotruppe für den Kriegseinsatz

von Dieter Lachenmayer


Die Hermann-Hesse-Stadt Calw im Schwarzwald ist seit April 1996 um eine zweifelhafte Attraktion reicher: Gegen den Willen des Gemeinderats wurde sie von der Bundeswehr ausgewählt, neuer Standort für eine neue Truppe der ganz besonderen Art zu werden: Das "Kommando Spezialkräfte" (KSK), die neue Eliteeinheit der Bundeswehr. [Sie soll künftig für die Bundesregierung die heißen Kartoffeln der internationalen Politik aus dem Feuer holen.]

Über keine Bundeswehrabteilung gibt es so wenig offizielle Informationen wie über diese Einheit. Doch was bisher durchgesickert ist, macht deutlich: Die Bundeswehr rüstet sich weder für die Verteidigung, noch für humanitäre Aufträge, sondern ganz banal für den Krieg.

"Kampfeinsätze im gegnerischen Gebiet"

Als Aufgabe und Begründung für diese Truppe wird nach außen hin immer wieder die Befreiung von Geiseln aus terroristischer Gefangenschaft genannt. [Doch das wären Polizeiaufgaben, für die notfalls ja auch die BSG 9 des Bundesgrenzschutzes zur Verfügung steht.] Gemeint sind in Wirklichkeit schnelle, militärische Kommandounternehmen hinter den feindlichen Linien. Die Zeitschrift "Truppenpraxis" spricht Klartext:

"Geiselbefreiung ist nicht alles. Die Verwendung des Kommando Spezialkräfte ist viel umfangreicher konzipiert und der Schwerpunkt liegt auf militärischen Gebiet."

So werden neben der "Geiselbefreiung" offen folgende Aufgaben genannt: "Auch wenn sich die militärische Führung aus Gründen der Geheimhaltung bedeckt hält, mögliche Einsatzoptionen der Spezialkräfte öffentlich zu nennen, dürften das Ausschalten von Kommandozentralen und wichtigen Fernmeldeeinrichtungen in der Tiefe des gegnerischen Gebietes sowie das Gewinnen stratetgisch und operativ wichtiger Nachrichten über die Absichten des Gegner die klassischen Ziele von Kommandounternehmen sein." (Truppenpraxis).

Vorbereitung auf den Angriffskrieg

Was sich liest wie ein Drehbuch für einen Rambo-Film, ist auch so gemeint. Die KSK wird ausgebildet für handstreichartige militärische Schläge im Feindesland. Für solche Unternehmungen gibt es bei sogenannten "Friedenstruppen" nun wirklich keinen Bedarf. Das einzige Szenario in dem "Geheimhaltung", "Infiltration", "Tiefe des gegnerischen Gebietes", "verdeckte Operationen", "Ausschaltung von Kommandozentralen", "Zerstörung wichtiger Objekte" einen Sinn machen, ist der Krieg. Und der Krieg, in dem es für deutsche Soldaten auf den "Kampf unter arktischen Bedingungen" und die "Tropentauglichkeit" der Akteure ankommt kann nun wirklich nicht der Verteidigung dienen. Es ist der im Grundgesetz wie im Völkerrecht gleichermaßen verbotene Angriffskrieg.

Offener Verfassungsbruch

Tatsächlich widerspricht die ganze Logik dieser Truppe nicht nur dem Grundgesetz, sondern selbst jenem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das 1994 das Grundgesetz bereits auf den Kopf gestellt hat. Dort wurden zwar Bundeswehreinsätze im Ausland grundsätzlich abgesegnet aber immerhin noch an zwei letzte Bedingungen gebunden:
  1. der Einsatz muß im Auftrag eines Systemes gegenseitiger kollektiver Sicherheit, also zumindest gemeinsam mit einem weiteren Staat erfolgen
  2. Der Einsatz muß vorher vom Deutschen Bundestag genehmigt werden.
Im Gegensatz dazu ist die Calwer Truppe eindeutig als selbständige operierende Truppe konzipiert. Sie ist weder in die NATO noch in das Eurokorps noch in eine sonstige multilaterale Milititärorganisation eingebunden. [Noch nicht einmal innerhalb der Bundeswehr wird sie anderen Verbänden zugeordnet. Wie es aussieht untersteht das Kommando Spezialkräfte unmittelbar der Hardhöhe.]

Alles spricht dafür, daß dieses Kommando für nationale Alleingäge der Bundesrepublik vorgesehen oder zumindest "nutzbar" ist.

Ebenso eindeutig ist es, daß handstreichartige Kommandounternehmen in der Tiefe des feindlichen Gebietes nicht vorher im Bundestag diskutiert werden können. [Das weiß man sowohl im Verteidigungsministerium als auch im Bundestag.]

Der "verteidigungs"politische Sprecher der CDU/ CSU Bundestagsfraktion Kosendey hat dies jedenfalls schon öffentlich erkannt: "Die Rechtslage betrifft nur Auslandseinsätze der Bundeswehr im Allgemeinen." Im Besonderen aber hält er "es nicht für sinnvoll, jedweden Einsatz der KSK durch eine parlamentarische Sondersitzung zu legitimieren. Da muß die Regierung ... die Möglichkeit haben auch vorher schneller durch ihre Vertreter zu entscheiden."

Zu deutsch: das Parlament hat nichts zu sagen. Über künftige Kriegseinsätze entscheidet die Regierung ganz allein. Das ist offener Verfassungsbruch.

Vorausabteilung für den nächsten Krieg

Die Aufstellung des Kommando Spezialkräfte in Calw ist eine wichtige Warnung. Diese Truppe kann auch vom Gutwilligsten nicht mehr mit der Absicht erklärt werden, es ginge darum, den Frieden in der Welt sichern zu helfen. Diese Truppe hat keinen friedenserhaltenden Auftrag. Sie hat den Auftrag, Krieg zu führen und ihn zu gewinnen. Das KSK ist die Vorausabteilung für den nächsten Krieg!

Deshalb muß diese Rambotruppe aufgelöst werden, noch bevor es zum ersten Einsatz kommt. Deshalb ruft die Friedensbewegung auf zum Ostermarsch nach Calw.



... und noch ein paar Z I T A T E


Das Kommandospezialkräfte habe "politisch, militärisch und unter ethischen Gesichtspunkten die Qualität einer zweiten Wiederbewaffnung"
Hans Arnold, ehemaliger Botschafter der Bundesrepublik. (Die Zeit, 8.11.1996)


"Über soviel Faszination von Können und erstklassiger Ausrüstung wird nur allzuleicht die Frage vergessen: Warum muß ein deutscher Soldat das Können?"
Süddeutsche Zeitung vom 18.9. 1996


"... gebietet die besondere Sensitivität und Begrenzung aller das Kommando Spezialkräfte betreffenden Informationen auf "nur für dienstliche Zwecke" äußerste Zurückhaltung"
Der Kommandeur des KSK, Brigadegeneral Schulz, in einem Schreiben an die Friedensbewegung vom 20.1. 1997.


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