VVN-Logo 17.05.1998
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschisten

VVN-BdA Baden-Württemberg
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antifNACHRICHTEN an9805
Nummer 5 / Mai 1998


Wir dokumentieren in Auszügen:

Beschlüsse der Landesdelegiertenkonferenz


Aktionsvorhaben
  1. Im Sinne der politischen Entschliessungen der LDK ergreifen wir Initiativen, um die Zusammenarbeit aller demokratischen und antifaschistischen Kräfte in Baden-Württemberg zu vertiefen. Dazu gehört die Fortsetzung des mit dem antifaschistischen Ratschlag und den beiden antifaschistischen Konferenzen begonnenen Prozesses.

  2. Wir wollen aktiv in den Bundestagswahlkampf 1998 eingreifen. Unsere Ziele dabei sind:


  3. Die VVN-BdA wird weiterhin dafür eintreten, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgeht. Dazu werden wir auch künftig auf Kreis- und Landesebene aktiv und initiativ in der Friedensbewegung des Landes mitarbeiten und dort rfahrungen aus der Geschichte und dem antifaschistischen Widerstand einbringen.


  4. Wir werden weiterhin die Erinnerung an die Ursachen und die Verursacher des Faschismus und seine Folgen wachhalten. Insbesondere erinneren wir an Widerstand und Verfolgung und die Erfahrungen und das Vermächtnis der WiderstandskämpferInnen. Diese Erinnerung werden wir weiterhin verbinden mit dem aktuellen Eintreten für unsere antifaschistischen Forderungen.


  5. Wir treten für die volle Rehabilitierung aller bisher vergessenen oder vernachlässigten Opfergruppen des deutschen Faschismus und die Entschädigung und Wiedergutmachung aller Opfer ein. Dazu gehören insbesondere die Opfer der NS-Justiz, insbesondere auch die Opfer der NS-Militärjustiz, die ZwangsarbeiterInnen, die Opfer der vielen im Ausland begangenen Verbrechen von Wehrmacht und anderen Institutionen des Nazi-Regimes

  6. Wir wenden uns als Antifaschisten gegen jede Fortsetzung der Politik des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben. Deshalb unterstützen wir die laufende Kampagne und andere Initiativen des DGB und der Arbeitsloseninitiativen für Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Die VVN - BdA bringt in diese Auseinandersetzungen die Erfahrungen aus der Geschichte ein.

  7. Zur Bewältigung dieser und vieler anderer Aufgaben ist eine starke VVN - BdA die wichtigste Voraussetzung. Deshalb rufen wir alle Kreisvereinigungen und alle Mitglieder der VVN-BdA auf, ihre Bemühungen um die Werbung neuer Mitglieder, die Unterstützung der antifaschistischen Jugendarbeit zu verstärken.

Positionen zur Bundestagswahl

In vielen politischen und gesellschaftlichen Bereichen zeigen sich heute ähnliche Entwicklungen wie damals am Ende der Weimarer Republik. Die Unternehmer und ihre Verbände stellen teilweise bis in die Wortwahl die gleichen Forderungen und verlangen die gleichen Politikrezepte.

All dies sind deutliche Anzeichen dafür, daß sich die Bundesrepublik Deutschland inmitten einer gefährlichen Periode des gesellschaftlichen Rückschritts befindet.

Für das Wahljahr 1998 und vor allem darüber hinaus bedeutet dies:

Die Menschen in der Bundesrepublik brauchen nicht nur eine andere Regierung - sie brauchen eine andere Politik.

Deshalb rufen wir alle DemokratInnen und AntifaschistInnen auf mit uns gemeinsam für einen Politikwechsel einzutreten! Eckpunkte einer solchen neuen Politik sind für uns AntifaschistInnen:

Grundlegende und konsequente Bekämpfung aller neofaschistischen und rassistischen Organisationen, ihrer Propaganda und Betätigung, ihrer Ideologie.

Faschismus und Rassismus sind keine Ideologien, die in einer Demokratie tolerierbar sind, weil sie jede Toleranz durch das Recht des Stärkeren ersetzen, weil Haß, Gewalt und Menschenfeindlichkeit grundsätzlicher Bestandteil ihrer Politk ist. Das Grundgesetz fordert eindeutig Verbot und Ahndung jeder neofaschistischen Betätigung.

Offener und verantwortungsbewußter Umgang mit der Geschichte.

Schluß mit der Relativierung und Verharmlosung von Naziverbrechern. Würdigung und Ausbau der Gedenkstätten. Keine Vermischung von Tätern und Opfern. (...)

Eine neue Sozial und Steuerpolitik:

Eine Neue Außen- und Militärpolitik
Deutsche Außenpolitik darf nie wieder mit militärischen Mitteln betrieben werden! Der Ausbau der Bundeswehr zur weltweit einsetzbaren Interventionsarmee muß gestoppt werden. Stattdessen muß eine umfassende Abrüstung beginnen. Statt Militärinterventionen bedarf es Initiativen für eine wirkliche Friedenspolitik (...)

Eine neue Innenpolitik
Demokratische Rechte und bürgerliche Freiheiten müssen erhalten und ausgebaut werden, nicht weiterhin ausgedünnt und abgeschafft. Jedere weitere Eingriff in die Grundrechte und Grundsubstanz des Grundgesetzes muß unterbleiben, bisherige Eingriffe müssen rückgängig gemacht werden.

Um diese Eckpunkte einer neuen Politik wieder als Selbstverständlichkeiten einer wirklichen demokratischen Gesellschaft bewußt zu machen, und um Akzeptanz und politischen Druck vor und nach der Wahl dafür zu erzeugen, wollen wir in den Wahlkampf eingreifen wo immer dies möglich ist. Wir müssen alle Parteien auf rassisitische, nationalistische, militaristische und sexistische Tendenzen öffentlich abklopfen.

Der Geschäftsführende Landesvorstand wird beauftragt dafür entsprechende Öffentlichkeitsmaterialen zu erarbeiten.

Demokratie und Sozialstaat in Gefahr: Zeit zum Aufstehen! Gemeinsam und entschlossen handeln

Nach einer jahrelangen Politik des Abbaus sozialer und demokratischer Rechte und der seit 1989 immer unverblümter betriebenen Großmachtpolitik und ilitarisierung propagieren die Herrschenden jetzt offen die "Reform" (Beseitigung) von demokratischen Institutionen, d. h. den Umbau des demokratisch verfaßten politischen Systems der Bundesrepublik. Nachdem Bundespräsident Herzog in Berlin über die Selbstblockade der politischen Institutionen räsonniert hatte, beeilte sich BDI-Präsident Henkel den Föderalismus und das Verhältniswahlrecht als Hindernisse für die Wettbewerbsfähigkeit darzustellen.

Würde das umgesetzt, wäre das eine absolut neue Qualität der Rechtsentwicklung, weil damit die Grundnormen der Demokratie infrage gestellt werden. Die Aussagen des BDI-Präsidenten über demokratische Institutionen stellen verfassungsfeindliche Bestrebungen dar. Alle Warnungen und Mahnungen der VVN-BdA "Wehret den Anfängen" wären mehr als bestätigt. Es handelt sich um keine Anfänge mehr. Wir befinden uns mitten auf der gefährlichen Rutschbahn in einen autoritären Staat, der seine Interessen nach innen und außen mit undemokratischen und militärische Mittel verfolgt.

Die durch Remilitarisierung, Notstandsgesetze, Asylrechtseinschränkung, out-of-area-Einsätze der Bundeswehr, den großen Lauschangriff und Grundrechtsabbau bereits mehrfach dezimierte Verfassung soll so weiter demontiert werden.

Alle diejenigen, die im Widerstand gegen den Hitlerfaschismus zusammen gekämpft haben, insbesondere die Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung, haben die geschichtliche Lehre teuer erkauft, daß es in Perioden der Rechtsentwicklung entscheidend darauf ankommt, die bürgerliche Demokratie - damals wie heute - gemeinsam, entschlossen und rechtzeitig gegen ihre Demontierer, Verleumder und Zerstörer in Schutz zu nehmen.

Wir, die Delegierten der Landesdelegiertenkonferenz 1998 der VVN-Bund der Antifaschisten Baden-Württemberg, stellen fest, daß sich die Bundesrepublik Deutschland inmitten einer solchen gefahrvollen Periode des gesellschaftlichen Rückschritts befindet. Vieles, was damals dem Naziterror voranging, prägt auch heute die Entwicklung.

Wir fragen alle demokratischen und antifaschistischen Organisationen in großer Sorge: Entspricht das Maß an Zusammenarbeit der politischen Kräfte links von der Regierungskoalition den Gefahren für Frieden und Demokratie, die in unserem Lande bereits heute heraufbeschworen sind und die schon wieder für andere von unserem Lande ausgehen? Wir meinen, die Antwort ist NEIN.

Deswegen appellieren wir an alle: Verbinden wir uns über weltanschauliche und parteipolitische Grenzen hinweg im gemeinsamen Widerstand zur Verteidigung von Frieden und De-mokratie! Erinnern wir uns der kraftvollen und erfolgreichen Aktionen der Friedensbewegung gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenwaffen und vor allem der dabei gewonnenen Erfahrungen, aus zunächst scheinbar aussichtslosen Positionen heraus eine große Zahl von Mitstreitern aus allen Schichten der Bevölkerung gewinnen zu können. Das Band des Antifaschismus muß wieder eine ebenso kraftvolle Alternative zur herrschenden Politik werden.

Wir wollen baldmöglichst auf Landesebene zu einem "Antifaschistischen Ratschlag" zusammenkommen, um mit allen Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, die diese unsere Sorgen teilen, konkrete gemeinsame Schritte zu beraten.

Unvereinbarkeitsbeschluß SPD / VVN-BdA

In einer Zeit, in der die reaktionären Kräfte dieser Republik immer größere Teile der lang und hart erkämpften sozialen und politischen Erungenschaften der Arbeiterklasse demontieren, in einer Zeit, in der der antifaschistische Konsens für eine neue Republik immer wichtiger wäre als irgendwelche (erneuten) Spaltungsversuche, versucht die SPD den Unvereinbarkeitsbeschluß von 1948 zu bekräftigen (Vgl. "Vorwärts" 1/98). Die LDK unterstützt alle Bemühungen, die darauf hinauslaufen, diesen Beschluß aufzuheben.

Flüchtlinge, Lagerhaltung, ihre diskriminierende und menschenverachtende Behandlung

Aus der leidvollen Erfahrung unserer ehemals verfolgten Kameradinnnen und Kameraden sind wir der Ansicht, daß das geltende Asylberwerberleistungsgesetz sowie das Flüchtlingsunterbringungs- und Aufnahmegesetz ein selbstverwaltetes und menschenwürdiges Leben der Flüchtlinge unmöglich macht. Die LDK der VVN -BdA fordert:
  1. Die Abschaffung der Sammellager und des Sachleistungsprinzips.
  2. Die Abschaffung der Abschiebehaft.
  3. Die Existenzsicherung aller Bedürftigen auf einem Niveau, das ihnen ein menschenwürdiges Leben in Deutschland ermöglicht.

Der Landesvorstand wird beauftragt, sich mit den ständigen Verschlechterungen des Asylrechts und der Situation der Flüchtlinge konkret zu beschäftigen und alle Forderungen für die Verbesserung der Lage der AusländerInnen in diesem Land zu unterstützen.

Mumia Abu Jamal

wird zu seinem 43. Geburtstag die Ehrenmitgliedschaft der VVN-BdA Baden-Württemberg verliehen.

Seit 1981 ist der afroamerikansiche Journalist und ehemalige Black-Panther-Mitglied Mumia Abu Jamal in Haft. Er wurde aufgrund gefälschter Beweise wegen angeblichem Polizistenmord zum Tode verurteilt. Schon einmal konnte die Vollstreckung der Todesstrafe im Jahr 1995 durch öffentlichen weltweiten Druck verhindert werden. Daran hatte auch die VVN BdA Baden-Württemberg durch ihre Kreisvereinigungen teil. Nach Informationen des Anwaltteams steht ein neuer Hinrichtungsbefehl für Mumia Abu-Jamal bevor. Er kann wiederum durch öffentlichen Druck verhindert werden. Um diese Hinrichtung zu verhindern, zu helfen, daß es ein faires Wiederaufnahmeverfahren für Mumia Abu-Jamal geben kann und als Protest gegen die Todesstrafe nehmen wir Mumia Abu-Jamal als Ehrenmitglied in die VVN-BdA Baden-Württemberg auf.

Oberer Kuhberg

Die LDK der VVN-BdA Ba-Wü begrüßt den Plan des Ausbaus und der Modernisierung der Ulmer KZ-Gedenkstätte. Als einzige im ursprünglichen Zustand erhaltene KZ-Anlage in Baden-Württemberg ist sie von eminenter historischer und kulturpolitischer Bedeutung. Die Gedenkstätte hat für die Geschichtsarbeit besonders in den Schulen und für die heutige Generation einen hohen Stellenwert, wie die jährlich steigenden Besucherzahlen beweisen. Daher fordern wir die Landesregierung auf, die vom Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg beantragten Mittel im Staatshaushaltsplan 1998/1999 in vollem Umfang zu bewilligen.

Landesvorstand



antifaNACHRICHTEN werden herausgegeben von der VVN/BdA Baden-Württemberg.
V.i.S.d.P.: Dieter Lachenmayer.

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