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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschisten

VVN-BdA Baden-Württemberg
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antifNACHRICHTEN an9807
Nummer 3 / Juli 1998


Soziale Demagogie der Neonazis hilft Großkonzernen:

Die im Dunkeln sieht man nicht

von Anne Rieger

DVU, Reps und NPD versuchen, sich durchgängig als Interessensvertreter der "kleinen Leute" darzustellen. Entgegen ihren teilweise sogar antikapitalistisch daher kommenden Parolen stehen sie aber alle für eine Politik im Interesse der großen Konzerne. Es handelt sich nicht um Protest-, sondern um Unternehmerparteien.

Angst vor Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter
Das Grundübel des Kapitalismus, die Angst vor Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter ist wieder aktuell. Seit Jahrzehnten zum erstenmal wieder fürchten sich auch qualifiziert ausgebildete Arbeiter und Angestellte vor Armut und Existenzbedrohung. Der Traum, diese Angst sei durch die 150 Jahre währenden Kämpfe der internationalen Arbeiterbewegung wenigstens im Zentrum der hochindustrialisierten Europäischen Union für immer zurückgedrängt, ist ausgeträumt. 7 Mio Arbeitslose in Deutschland mit steigender Tendenz, 18 Mio in der EU — da kann Arbeitslosigkeit jeden, oder zumindest doch jede Familie, schon morgen treffen.

Gesetzlich zementierte Ausländerfeindlichkeit
23 % Arbeiter in Sachsen-Anhalt 1998 bei einer Arbeitslosigkeit von 24 % und 17 % Arbeiter in Baden-Württemberg 1996 bei einer Arbeitslosigkeit von 7 % gaben daraufhin mit ihrem Stimmzettel die Antwort: Ausländer raus. Denn das ist der Kern der nur oberflächlich verschlüsselten Botschaft der Wahlparolen der neofasbchistischen Parteien: "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche", DVU und "Die Sicherung deutscher Arbeitsplätze hat für uns Vorrang", Rolf Schlierer, Reps. Das jahrhundertelang verspritzte Gift der Ausländerfeindlichkeit und des Nationalismus zeigten bei dieser Entscheidung ebenso Wirkung, wie die durch die Regierungskoalition erfolgte gesetzliche Zementierung der Einteilung von Menschen in erste und zweite Klasse: die mit und die ohne deutschem Pass.

Jobkiller bleiben außen vor
So stehen nicht die tatsächlichen Arbeitsplatzvernichter und Jobkiller — die transnationalen Konzerne, Großbanken und Versicherungen, die ökonomischen Gewinner der Massenarbeitslosigkeit — im Rampenlicht der Kritik der von Arbeitslosigkeit bedrohten abhängig Beschäftigten und überwiegend jungen Arbeitslosen. Sie verbleiben in der Diskussion und der Auswertung der Wahlschlacht völlig im Dunkeln. Dagegen werden die an den rabiaten Rationalisierungsstrategien gänzlich unschuldigen - aber von ihnen ebenfalls betroffenen - ausländischen KollegInnen als scheinbare Verursacher der Arbeitslosigkeit an den Pranger gestellt.

Spaltung statt Solidarität ist das eine Ergebnis — Hass gegen vermeintliche Sündenböcke statt gemeinsamer Kampf gegen die Profiteure der Massenarbeitslosigkeit das andere. Gewinner der neofaschistischen Sozialdemagogie sind die transnationalen Konzerne. Unberührt vom öffentlichen Wahlkampf und der Verzweiflung und Wut der Menschen über Massenarbeitslosigkeit, Sozial- und Lohnraub, können sie weiterhin ungestört Milliarden einstreichen. Zu verdanken haben sie die Ruhe unter anderem der massenhaften Plakatierung ihres Millionärskollegen Gerhard Frey.

Die mentale Verelendung und Verrohung hat in Deutschland Geschichte. Waren früher angeblich die "Juden" Schuld an Massenarbeitslosigkeit und Sozialabbau sind es heute angeblich die ausländischen KollegInnen.

Statt die zu Recht bestehende Sorge vor der sozialen Unsicherheit an ihren Wurzeln zu bekämpfen wird davon abgelenkt. Unter dem Stichwort "Innere Sicherheit" wird kampagnenmäßig von der Regierungskoalition mit Kanther an der Spitze und Teilen der SPD die Furcht vor privater Unsicherheit geschürt. So finden in Folge Parolen wie: "Republikaner — Kriminelle Ausländer raus", "Ausländerstopp bedeutet für uns Deutsche ... innere Sicherheit" (NPD) und "Kriminelle Ausländer raus" (DVU) zu viele Anhänger.

Profis am Werk
Wir haben es mit Profis zu tun. Um in ihrer Sozialdemagogie glaubwürdig akzeptiert zu werden, greifen neofaschistische Parteien die immer offener zutage tretende Wut und den Zorn der Menschen gegen die Regierung auf:

Aber nicht die interessengeleitete Politik der Regierung für die Transnationalen Konzerne steht im Mittelpunkt ihrer Kritik. Wieder bleibt die Konzernpolitik im Dunkeln, wird von jeglicher Kritik ausgespart. Der Regierung wird lediglich Unfähigkeit vorgeworfen. Alternative Politikansätze im Interesse der abhängig Beschäftigten sucht man vergebens.

Unternehmerforderungen
Inhaltliche Forderungen aber, wie sie sich Sozial- und Lohnpolitik vorstellen, sind zu finden:
  • Niedrige Löhne
  • Zerstörung des Flächentarifvertrages
  • Zerstörung des Umlagefinanzierten Rentensystems
sind nur einige ihrer Forderungen, die sich inhaltlich voll mit den Forderungen der Arbeitgeberverbände decken und direkt gegen uns selbst und nicht mehr nur gegen unsere ausländischen KollegInnen gerichtet sind. Die Reps lassen in ihren ausgefeilten Programmen von über 100 Seiten darüber keinen Zweifel zu. Ihr neoliberales Credo ist der Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, die Kürzung sozialer Leistungen auf Kosten ausländischer Beschäftigter und Empfänger von Lohnersatzleistungen, der Abbau der Arbeitslosigkeit auf Kosten von Menschen ohne deutschen Paß und von Frauen. Dafür soll der repressive Einfluß des Staats vergrößert werden, vorrangig gegenüber ausländischen KollgInnen. Auch die äußerst kurzen Programme von DVU und NPD und einzelne Äußerungen ihrer Funktionäre lassen den gleichen Schluß zu. Mit ihrer Kritik an der Bundesregierung ohne gleichzeitig Alternativen für uns abhängig Beschäftigte anzubieten, treffen sie sich ebenfalls mit den Arbeitgeberverbänden. Häufig wird von den Herren Henkel, Stihl und Hundt der Vorwurf der Unfähigkeit an die Regierungskoalition gerichtet: weil sie nicht schnell genug den Sozialabbau durchsetze.


Systemkritik von rechts Dabei bleibt es nicht. Die immer häufiger zu hörende Frage der Menschen, ob denn dieses System wirklich das Beste sei, greift die NPD auf. Sie versteigt sich zur Kapitalismuskritik und will das System ändern: "Gegen System und Kapital — unser Kampf ist national". Diese Systemkritik von rechts erinnert fatal an Hans-Olaf Henkels Systemdebatte vom vergangenen Jahr. Er forderte das föderale System, die Länderkompetenzen zu schleifen. Hintergrund war die Opposition, die sich im Bundesrat gegen die große Steuerreform gebildet hatte, die zur Steuerumverteilung von unten nach oben führen soll.

Spaltung
Die Spaltung der internationalen Arbeiterbewegung ist das Ziel des zweiten Teils dieser Parole: "Unser Kampf ist national". Er setzt an der Standortdiskussion der Arbeitgeber an, die jahrelang propagierten, daß Arbeitsplätze am "Standort Deutschland" angeblich nur gemeinsam von Arbeitgebern und Beschäftigten "gerettet" werden könnten — also national. Kein Gedanke soll da aufkommen, daß nicht nur in Deutschland sondern überall auf der Welt Menschen Arbeitsplätze brauchen - daß der Kampf um Arbeitsplätze wirklich erfolgreich nur international gegen die transnationalen Jobkiller geführt werden kann.

Allgemein ist bekannt, daß die Regierungskoalition nicht unsere Interessen vertritt. Die neofaschistischen Parteien dageggen geben sich vordergründig mit ihren kurzschlüssigen Parolen als Interessenvertreter der kleinen Leute — als Protestparteien. Daß sie im Kern Unternehmerparteien sind läßt sich beweisen, obwohl es ihnen bisher gelungen ist, das zu verschleiern. Neben inhaltlichen Argumenten mag im Wahlkampf der Hinweis helfen, daß Gerhard Frey Multimillionär, Besitzer von 20 — 30 Häusern in Berlin, einer Villa in München-Pasing und Besitzer eines Medienkonzerns ist.

Die Geschichte lehrt, daß sie Reserveinstrumente des Kapitals sind, wenn mit demokratischen Errungenschaften und Standortdiskussion die Gewinne des Kapitals nicht mehr zu sichern sind.

Anne Rieger

Republikaner
Arbeit für Deutsche Jeder Deutsche hat das REcht auf Arbeit (NPD)

Arbeit für alle Deutschen (DVU)

Neonazis sind so wenig neu wie ihre Parolen. Antifaschistische Kundgebung vor dem Stuttgarter Rathaus 1971

Das Sparpaket der Bundesregierung offenbart die wirtschafts- und finanzpolitische Hilflosigkeit der Bonner Altparteien ... Der Bonner Weisheit letzter Schluß ist, den immer weniger werdenden ehrlichen Steuerzahlern immer tiefer in die Tasche zu fassen. Steuererhöhungen hier, Gebührenanhebungen da, niemand weiß, welche Horrormeldung ihn morgen erwartet ... (Reps)

Die liberalkapitalistischen Systemparteien der BRD sind offenbar unwillig und gänzlich unfähig, die soziale Not in Deutschland zu beheben. Ergebnisse ihrer Politik: Eine rapide zunehmende soziale Verelendung von großen Teilen unseres Volkes, die alle Bonner Parteien in den letzten Jahrzehnten gleichermaßen herbeigeführt haben! Massenarbeitslosigkeit, Lehrstellenlücke, Firmenpleiten, Schuldenrekord, Wohnungsnot, Inflation ... moralischer und kultureller Verfall sind die sicheren Anzeichen totalen Versagens der etablierten Politiker in Bonn. Ungebremste Profitsucht, Machtgier und kalter Egoismus sind ihre niederen Beweggründe. (1. Mai Aufruf 1998, NPD)

Die jüngsten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit beweisen: Rein gar nichts haben die herrschenden Politiker erreicht, um die katastrophale Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu wenden (DVU)

"Zu hohe Lohnabschlüsse (ziehen) den Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit nach sich", Bruno Wetzel DVU

"Ich bin der Meinung, wir brauchen ... Arbeitsplätze, die nicht so hoch bezahlt werden und nicht so hoch qualifiziert sind", Dieter Lieberwirth, Reps

" ... einen neuen Niedriglohnbereich schaffen und die Annahme auch gering bezahlter Jobs durch drastische Änderungen bei Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und -hilfe attraktiver machen" Er verspricht Arbeitsplätze, "wenn die untersten tariflichen Einkommen um mindestens 30 % gesenkt werden." Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Juni 1997

"Die Tarifautonomie" müsse "dort ihre Grenzen finden, wo auf Kosten des Ganzen und ohne Rücksicht auf das allgemeine Wohl verfahren wird" NPD

"Wir ... sprechen uns für eine begrenzte Öffnungsklausel nach dem Prinzip tarifvertraglicher Korridore aus. Im Rahmen einer Teildezentralisierung sollen danach die klassischen Tarifparteien ein Spannenergebnis verhandeln, welches betriebsspezifisch weiterverhandelt werden soll, um die endgültige Lohnhöhe festzulegen. ... Eine weitgehend frei wählbare Arbeitszeit wäre ein bedeutsamer Beitrag ... zur Humanisierung der Arbeitswelt ..." , Reps

"Wir wollen deshalb unsere Tarifverträge um eine Betriebsklausel ergänzen, die abweichende betriebliche Regelungen zuläßt. ... Wir wollen die noch immer weitgehend starre Regelung durch einen tariflichen Arbeitszeitkorridor von 30 - 40 Wochenstunden ersetzen. Dann könnten die Unternehmen im Einvernehmen mit den Mitarbeitern und dem Betriebsrat über die Dauer der Arbeitszeit im einzelnen entscheiden." , Frankfurter Erklärung zur Reform des Flächenratifvertrages, Gesamtmetall 17.11.97

Bei der Rente ist "das gegenwärtige Umlageverfahren durch ein Kapitaldeckungsverfahren zu ersetzen." Landtagsprogramm der Reps Baden-Württemberg 1996

"Es ist doch völlig klar, daß unser umlagefinanziertes Rentenmodell nicht mehr trägt." Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) November 1997


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