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antifNACHRICHTEN an9910
Nummer 4 / Oktober 1999


Deutsche Kriegsverbrechen in Griechenland:

Die Mordtaten von Distomo und Kalavrita sind nicht vergessen

von Reinhard Hildebrandt

Die Wahrheit über die Massaker der deutschen Wehrmacht und SS in Griechenland sind vielen Griechenland-Reisenden unbekannt. In den Lehrplänen und Schulbüchern der Bundesrepublik werden diese Kriegsverbrechen nicht erwähnt. Einer der Befehlshaber war Generaloberst Kurt Student, der noch heute in der Bundeswehr als der Begründer der deutschen Fallschirmjägertruppe gefeiert wird. Student und alle anderen Mörder wurden im Nachkriegsdeutschland nie bestraft.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten hatte in den letzten zwei Jahren mehrfach in Pressemitteilungen und auf einer deutsch-griechischen Tagung dazu beigetragen, ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen für das in Griechenland und an Griechen begangene Unrecht. Die VVN-BdA begrüßte und unterstützte die Forderung deutscher und griechischer Antifaschisten, welche die Regierung der Bundesrepublik Deutschland auffordern, "Gespräche mit der griechischen Regierung aufzunehmen, um die Frage von Reparationen und von Entschädigungszahlungen an NS-Opfer und deren Hinterbliebenen zu klären. Das Eingeständnis der Schuld schließt auch den aufrechten und ernsthaften Versuch ein, durch angemessene materielle Zahlungen einen kleinen Teil dieser Schuld abzutragen."
Ende 1997 hat ein griechisches Landesgericht in der Stadt Levadia die Bundesrepublik Deutschland dazu verurteilt, rund 55 Millionen Mark Entschädigung an die Familien der Opfer des Massakers der Hitler-Wehrmacht vom Juni 1944 in Distomon zu zahlen. 214 Menschen, überwiegend Greise, Frauen und Kinder, fast die Hälfte der Einwohner Distomons, waren als "Vergeltung" für die Aktionen der Partisanen von deutschen Soldaten niedergemetzelt worden auf viehische Art und Weise. So geschah es auch in Kalavrita auf dem Peloponnes, Kondomari und Kandanos auf Kreta, Vianos, Chania, Komeno, Klissoura und vielen anderen Orten in Griechenland.
Etwa 130 000 Griechen wurden zwischen 1941 und 1944 ermordet oder verschleppt, darunter auch etwa 65 000 griechische Juden. 300 000 Menschen verhungerten oder erfroren im Winter 1942/43 in Athen, weil die Deutschen Lebensmittel und Brennstoffe beschlagnahmt hatten. All das geschah während der Besatzungszeit und nicht während der Kampfhandlungen.
Die Bundesregierung bestreitet jedoch die Berechtigung von Forderungen der griechischen Opfer und die Zuständigkeit des griechischen Gerichtes. Die bundesdeutsche Justiz hat ihrerseits die Massenverbrechen der Wehrmacht zumeist im Sinne der nationalsozialistischen Interpretation des Militärrechts behandelt und so gut wie durchgängig gerechtfertigt, selbst dann noch, wenn es sich um Massenmorde an Zivilisten handelte vorausgesetzt sie geschahen unter dem Deckmantel von "Sühnemaßnahmen". Trotz hunderter zerstörter griechischer Dörfer und gemordeter Zivilisten ist es in der BRD nur zu einem einzigen gerichtlichen Hauptverfahren wegen Kriegsverbrechen in Griechenland gekommen. Es fand vor dem Landgericht Augsburg statt und behandelte die Erschießung von sechs an Partisanenkämpfen unbeteiligten Zivilisten auf Kreta. Der Angeklagte, ein Hauptmann, wurde freigesprochen, weil sich das Gericht den Standpunkt der Nazi-Wehrmacht zu eigen machte, "daß mit dem Begriff der Partisanen, wie er auf deutscher Seite im Jahr 1944 gebraucht wurde, alle Zivilpersonen im besetzten Gebiet verstanden wurden, welche der Begehung feindseliger Handlungen .... auch nur in etwa verdächtig waren."
Die VVN-BdA gedenkt auch der deutschen Widerstandskämpferinnen und kämpfer, die auf griechischem Boden kämpften und ermordet wurden. Einer von ihnen war der Dortmunder Arbeiter Willi Dehmel, der innerhalb der Wehrmacht Widerstand leistete, er wurde am 9. Juli 1944 auf dem Peleponnes erschossen.
Noch immer sind 35 Bundeswehrkasernen nach Hitleroffizieren benannt, die VVN-BdA forderte mehrfach ihre Umbenennung. Sie protestiert auch gegen den Bundeswehr-Rummel auf Kreta. Nicht etwa die Widerstandskämpfer werden geehrt, etwa von der Saarlandbrigade der Bundeswehr, die heute noch Kult macht um die Fallschirmjäger Hitlers, welche Griechenland überfielen. Das Soldatenlied "Auf Kreta, bei Sturm und bei Regen ..." wird immer noch bei Bundeswehreinheiten beim Marsch gesungen. In Werbebroschüren der Bundeswehr werden "die Waffentaten" auch "auf Kreta" als "Legende gewordene" Erfolge der Fallschirmjägertruppe Hitlers verherrlicht. Dass diese Siege allein auf Kreta 8600 Griechen das Leben kosteten, darunter 2000 Frauen und Kinder, sie in der Mehrzahl als Geiseln erschossen wurden, wird von der Bundeswehr, welche noch immer die Wehrmachtssoldaten pauschal verherrlicht, unterschlagen. Die VVN-BdA fordert daher auch ein Ende der militaristischen antigriechischen Propaganda in Deutschland.
Erich Fried beginnt sein Gedicht "Gegen Vergessen" mit den Worten:

"Ich will mich erinnern
daß ich nicht vergessen will
denn ich will sein ..."

In diesem Sinne appelliert die VVN-BdA an die deutschen Touristen bei ihren Griechenland-Reisen auch die Gedenkstätten für die Opfer der Wehrmacht und SS in Griechenland zu besuchen.

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