VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 23.11.2000

Rede von Gertrud Müller

18.11.2000: Demonstration und Kundgebung gegen den Repubikaner-Parteitag in Winnenden

Liebe Freundinnen und Freunde,

1942 wurde ich verhaftet, als ich hungernden russischen Zwangsarbeiterinnen etwas zu Essen über den Zaun ihres Lagers werfen wollte. Die Folge war Verhaftung und Einlieferung ins KZ. Erst hier im Rems Murr Kreis, in Rudersberg, dann Ravensbrück und später Geislingen. Dort mußte ich als KZ-Häftling selbst Zwangsarbeit leisten.

58 Jahre später, forderte die Landtagsfraktion der REP auf einem offiziellen Briefkopf des Landtages von Baden Württemberg Betriebsräte und Betriebsleitungen auf, keine Zahlungen für ausländische Zwangsarbeiter zu leisten. Das gefährde möglicherweise deutsche Arbeitsplätze.

Zwischen uns hier und den Reps in der Winnender Stadthalle liegen nicht nur 150 Meter: Dazwischen liegt der Unterschied zwischen Moral und Unmoral, Menschlichkeit und Unmenschlichkeit, Anstand und Verkommenheit.

Es ist der Unterschied zwischen Humanismus und Faschismus!

Die Reps mögen im Landtag Nadelstreifen tragen und sich öffentlich von neofaschistischer Gewalt distanzieren. Dennoch jeder Satz ihres Programms, jeder öffentliche Auftritt ihrer Akteure, jede Presserklärung atmet den Geist des Faschismus:

Die Reps betreiben eine ähnliche soziale Demagogie wie die Faschisten. Sie versprechen jedem alles und jedes. Wie die NSDAP jedoch, sind sie eine Partei der sozialen Kälte, die die Bereicherung der Reichen und die Entrechtung der Armen betreibt.

Ihr Gründer Schönhuber war stolz darauf der Waffen-SS angehört zu haben. Sie sagen heute - ich zitiere "Wir lassen uns von 40 000 Juden in Deutschland nicht drangsalieren", und sie meinen damit, daß sie die Überlebenden des Holocaust nur allzugerne wieder selber drangsalieren würden.

Sie treiben täglich Hetze gegen Menschen die hier leben und arbeiten, die hier Schutz vor Verfolgung Krieg und Wirtschaftlicher Not suchen.

Sie sind Stichwortgeber für Haß und Gewalt, für Mord und Totschlag.

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Stichworte der Reps und anderer Neofaschisren fallen nicht nur bei den Skinheads auf fruchtbaren Boden. Vor kurzem konstatierte Herr Schlierer, der Vorsitzende der Reps:

Die Regierung hat viele unserer Forderungen bereits umgesetzt.

In der Tat:
Vor 30 jahren forderte die NPD die Einrichtung eines Auffang- und Abschiebegefängnisses auf dem Frankfurter Flughafen. Heute ist es Wirklichkeit.

Seit Jahren fordern alle Neofaschisten gemeinsam die Abschaffung des Asylrechtes. Was ist heute davon noch übrig? Während letzte Woche Hundertausende in Berlin gemeinsam auch mit der CDU gegen rechte Gewalt demonstrierten, versäumen deren Politiker es nicht, nun auch die Abschaffung des Restes zu fordern.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Man kann den Faschisten nicht entgegentreten, indem man ihre Forderungen aufgreift.

Faschismus kann nur bekämft werden, wenn man seine Ideologie, seine Parolen, seine Propaganda täglich zurückweist.

Denn: Faschismus ist keine Meinung. Faschismus ist ein Verbrechen!Das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte!

Es ist erst wenig mehr als 50 Jahre her, daß der deutsche Faschismus und der von ihm angezettelte Krieg 60 Millionen Todesopfer forderte: Vergast, verbrannt, erhängt, geköpft, erschossen, erschlagen, verhungert, vergiftet, in Millionenfachem Leiden zu Tode gequält.

Und Heute wieder: Menschen werden verbrannt und erschlagen.

Für mich ist es unfasslich, daß nach diesem Massenmorden nun darüber diskutiert wird, ob faschistische Parteien verboten gehören. Sie brauchen nicht verboten zu werden! Sie müssen nur endlich, schnell und vollständig aufgelöst werden. Und zwar alle, auch die Reps: Das sagt das Grundgesetz, das im Artikel 139 die Bestimmungen der Alliierten zur Befreiung von Faschismus und Militarismus ausdrücklich bekräftigt.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Das Verbrechen Faschismus beginnt nicht erst, wenn Menschen zu Tode kommen. Es beginnt wenn das Recht des Stärkeren und des Profits über das Recht aller Menschen auf Leben in Würde und sozialer Sicherheit gestellt wird. Es beginnt, wenn Menschen nicht mehr gleich gelten, sondern sortiert werden in Arier oder Juden, Deutsche oder Ausländer, nützliche Greencard-Anwärter oder unnütze Flüchtlinge, Gesunde oder Behinderte ...

Der Faschismus beginnt in den Köpfen. Er beginnt wenn bei viel zu vielen als normal gilt, was niemals normal sein darf.

Wir stehen hier, weil wir es nicht für normal halten, daß die Rep hier unbehelligt auf einem Bundesparteitag ihre Hetze betreiben.

Wir halten es nicht für normal, daß in unserem Land fast täglich Menschen beleidigt, gehetzt, verprügelt, verbrannt und totgeschlagen werden.

Wir halten es nicht für normal, daß jüdische Synagogen angezündet, die Friedhöfe und Gednekstätten der Opfer von damals erneut geschändet werden.

Und: ich halte es auch nicht für normal, daß heute deutsche Soldaten wieder in andere Länder ziehen um dort angeblich unsere Vorstellung von Menschenrechten oder welche Interessen auch immer mit Bomben und Raketen durchzusetzen.

Dem Krieg und dem Faschismus zu wehren und zu widerstehen. Die Gleichheit der menschen und die Demokratie zu achten, auch das Menschenrecht auf Asyl - das ist der Auftrag des Grundgesetzes, das entstanden ist, als die Erinnerung an die Verbrechen des Faschismus noch frisch war.

Das sind auch die Mindestanforderungen an alle, die in dieser Demokratie ein Mandat erhalten haben und erhalten wollen!

Der Vizepräsident des baden-Württembergischen Verfassungsschutzes Herr Doll, hat am Dienstag vor unserer heutigen Demonstration gewarnt: "Wenn Rechte Ausländer jagen ist der Aufschrei groß", sagt Doll, "Wenn Linke aber z.B. bei Veranstaltungen der Republikaner Autoreifen zerstechen, dann wird das stillschweigend hingenommen".

Der zweitoberste Verfassungsschützer unseres Landes kann den Unterschied zwischen Menschen und Autoreifen nicht erkennen.

Ihm ist es suspekt, daß auch ich heute an diesem Protest gegen die Republikaner teilnehme. Denn nach seinen Worten bin ich ein "Beobachtungsobjekt" des Verfassungsschutzes.

Tatsächlich wird meine Organisation, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten, seit Jahren im Verfassungsschutzbericht erwähnt. Weil, so heißt es dort, sie sich nicht von ihren kommunistischen Mitgliedern distanziere.

Ich habe das KZ überstanden, ich werde auch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz überstehen. Ich bereue es nicht, daß ich damals als Mitglied im kommunistischen Jugendverband so gut ich konnte Widerstand gegen den Faschismus geleistet habe. Und Verfassungsschutz hin oder her, ich werde auch weiterhin, solange ich kann, Widerstand gegen die Neofaschisten leisten.

Unsere Erfahrung von damals heißt: Das müssen wir gemeinsam tun, alle egal welcher Partei, welcher Konfession und welcher Nationalität, alle denen die Menschen wichtiger sind als die Autoreifen, müssen zusammenstehen

gegen Rassismus und Gewalt,
gegen Faschismus und Krieg!

Gertrud Müller

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